Paul Achleitner:"Neue Bescheidenheit"

Berlin: SZ-WIRTSCHAFTSGIPFEL / Tag3

Für die Deutsche Bank propagiert Paul Achleitner eine neue Bescheidenheit - das gilt für die Mitarbeiter, aber auch für die Aktionäre.

(Foto: Johannes Simon)

Die Deutsche Bank sucht derzeit den Ausweg aus der Krise. Ihr Aufsichtsratsvorsitzender erklärt, wie die Herausforderungen bewältigt werden sollen.

Interview von M. Beise und U.Schäfer

Seit drei Jahren ist Paul Achleitner Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin spricht er über die tiefe Krise des größten deutschen Geldinstituts, den bescheideneren Stil des neuen Vorstandschefs und die Frage, wie die Bank in der digitalen Ära vorne bleiben will.

Herr Achleitner, wer etwas verändern will, muss Krisen erzeugen, trifft das auch auf die Deutsche Bank zu?

Paul Achleitner: Auf jeden Fall sollte sie Krisen nutzen.

Sie sind seit drei Jahren Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Haben Sie sich das manchmal anders vorgestellt?

Es ist bei vielen Verantwortungen im Job so, dass man sich das zuvor anders vorstellt, das ist hier sicherlich auch der Fall.

Die Deutsche Bank ist in einer tiefen Krise, das würden Sie nicht bestreiten, oder?

Die gesamte Bankbranche ist in einem fundamentalen Umbruch, der Folgen haben wird. Denn ohne Finanzen funktioniert nichts in der Wirtschaft. Das betrifft auch viele andere Institute.

Sie stehen vor dem größten Arbeitsplatzabbau in der Unternehmensgeschichte. Sie müssen die Postbank verkaufen, haben Milliarden Verluste gemacht, die Dividende gekappt. Das ist schon ganz schön happig, oder?

Ja, das ist so.

Wie konnte es so weit kommen?

Das muss man in einen größeren Kontext einbauen. Schauen Sie, wir hatten eine finanzielle Revolution, jetzt eine digitale. Im 19. Jahrhundert aber hatten wir die industrielle Revolution. Da gab es Dinge, die im Nachhinein völlig unmöglich erscheinen. Es gab Kinderarbeit, auf die Umwelt hat man nicht geachtet und hat Gift in den Fluss geleitet. Aus heutiger Sicht werden die, die damals sehr erfolgreich waren, anders eingeordnet, einfach weil sich die Vorschriften geändert haben.

Irgendwann aber muss man den Fluss säubern. Sie haben den säubern lassen, der quasi zuständig war für die eingeleiteten Chemikalien. War es richtig, Anshu Jain, den früheren Chef des Investmentbankings zum Co-Chef der Bank zu machen?

Ja.

Anshu Jain hat die Bank gerade verlassen. In seiner Amtszeit mussten das Institut viele Milliarden an Strafen bezahlen für die Skandale im Investmentbanking. Haben Sie zu lange gewartet?

Nein, wir haben ja reagiert. Wir haben erst eine neue Strategie aufgesetzt, dann die Strukturen dafür ins Leben gerufen und dann haben wir die richtige Führungsmannschaft ausgewählt, das umzusetzen. Ich bin überzeugt, dass wir das zum richtigen Zeitpunkt gemacht haben. Sie dürfen auch nicht vergessen: In den vergangenen drei Jahren haben wir immerhin unsere Erträge stabil gehalten. Die Aufräumarbeiten haben einiges gekostet, aber das muss man sich auch erst einmal leisten können.

Seit dem 1. Juli führt John Cryan die Bank. Was kann der Neue besser?

Ich bitte zu berücksichtigen: Jürgen Fitschen ist nach wie vor Co-Vorstandschef. Zu John Cryan kann ich Ihnen sagen: Er hat schon einmal die Strukturen einer Bank aufgeräumt, er ist ein sehr erfahrener Manager, der sich sehr gut in den gesamten Geschäftsbereichen auskennt. Er ist bestens geeignet, eine neue Bescheidenheit ins Unternehmen zu bringen.

Gehört zu dieser Bescheidenheit etwa auch, dass sich Cryan nicht gerne öffentlich zeigt?

Wir können ja nicht auf der einen Seite darüber reden, dass die Herausforderungen so fundamental sind, aber auf der anderen Seite reist er von Konferenz zu Konferenz. Wir als Aufsichtsrat sind froh, dass er sich um das Management, die Organisation kümmert. Viele Mitarbeiter sind verunsichert, die erwarten das auch.

Als Cryan seine Pläne angekündigt hat, ging der Aktienkurs aber runter.

Es war doch klar, dass der Aktienkurs runtergeht, wenn man keine Dividende mehr bezahlt. Das ist keine so aufregende Erkenntnis. Sie können ein Unternehmen nicht führen, indem sie permanent versuchen, Analysten und Medien glücklich zu machen. Langfristig sollte das natürlich das Ziel sein, aber wenn man sich im Mikromanagement verliert, dann fehlt einem oft die langfristige Orientierung.

Auch bei der Digitalisierung braucht man langfristig eine Orientierung. Sind die deutschen Banken damit zu spät dran?

Bei der Digitalisierung geht es nicht nur darum, tolle Apps zu entwickeln, es geht um die fundamentalen Daten, die dahinter stehen. Oft haben die Banken langfristig gewachsene Datenstrukturen, die den modernen Technologien nicht sofort zugänglich sind. Darum müssen wir uns ganz umfassend kümmern. Aber natürlich sind wir bei der Digitalisierung dabei, auch wenn man es nicht immer sieht von außen: Wenn Apple zum Beispiel einen App-Entwickler beauftragt, läuft die Bezahlung über uns.

Das Wort Kulturwandel verwenden Sie nicht mehr gern, aber ist die Digitalisierung nicht der viel größere Kulturwandel?

Ja, natürlich, alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Wir sind daher beispielsweise auch dabei, einen eigenen Attacker aufzubauen, dessen einziger Job es ist, die Deutsche Bank vorsorglich digital anzugreifen.

Ihr übergeordnetes Ziel ist es, die Deutsche Bank zu einer europäischen Alternative zu den großen internationalen Banken machen, richtig?

Die Deutsche Bank macht das, wofür sie gegründet wurde, also die Expansion der deutschen Industrie zu begleiten. Heute unterstützt die Bank die europäische Industrie in einer globalen Wirtschaft.

Der zuständige Firmenkunden-Vorstand Jeff Urwin sitzt in New York. Hat er überhaupt die Kontakte zur hiesigen Industrie?

Sie können die Welt nicht erobern, wenn sie nur in Frankfurt und Berlin sitzen, und außerdem: Herr Urwin ist ja kein Alleinkämpfer, er arbeitet im Team. Mit irgendwelchen geografischen Aufrechnereien werden wir unseren Herausforderungen nicht gerecht werden.

Noch eine persönliche Frage: Warum tragen Sie Bart? Das ist in Ihrer Branche doch eher unüblich.

Weil ich zunächst mal Mensch bin und dann erst Banker.

Protokoll: Meike Schreiber

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