Partnerwahl und Ungleichheit:Heiraten zementiert soziale Spaltung

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Wenn ähnlich reiche, gebildete Menschen einander heiraten, bedeute das auch, dass die soziale Ungleichheit zunimmt - sagen Forscher. (Foto: online.sdeauto)

Früher war das so: Die Hälfte der deutschen Männer heiratete in eine untere Einkommens- und Bildungsschicht. Heute hingegen haben immer mehr Menschen einen Partner mit ähnlichem Job und ähnlich viel Geld. Das verschärft soziale Ungleichheit.

Von Alexander Hagelüken

Es ist ein Klischee, in Büchern, Filmen und dem Leben tausendmal reproduziert: Erfolgreicher, gut verdienender Kerl erwählt Frau mit eher einfacher Qualifikation und überschaubarem Lohn. Und die lässt alles stehen, um hinfort hinter seiner Karriere zu verschwinden.

Früher heirateten 50 Prozent der deutschen Männer in eine untere Einkommens- oder Bildungsschicht. Hört sich so eindimensional an, dass es bei vielen heutigen Frauen (und Männern) verpönt ist. Ihnen klingt sympathischer, dass sich in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen in den Industrieländern einen Partner mit ähnlichen Beruf und Bildungsstandard suchen.

Nun kommen ein paar Wissenschaftler aus den Vereinigten Staaten und sagen: Das verschärft die Ungleichheit, die westliche Gesellschaften ohnehin mehr in Arm und Reich spaltet als noch vor Jahrzehnten. Das klingt so, als ob alles Gute auch sein Schlechtes hätte.

80 Prozent der deutschen Paare haben inzwischen ähnliche Berufe und ein ähnliches Bildungsniveau, stellt der Soziologe Hans-Peter Blossfeld von der Universität Bamberg fest. Die Veränderungen bei der Partnerwahl sind in den Vereinigten Staaten ebenso zu beobachten, schreiben Jeremy Greenwood und drei Kollegen in ihrem Papier "Marry your like": Amerikaner heiraten stärker in ihrer Schicht als in den Sechziger Jahren. Und das habe direkte Folgen dafür, wie sehr die Gesellschaft beim Geld auseinanderklafft.

Noch 1960 hätte es die Gleichheit kaum verändert, wenn damals Männer und Frauen rein zufällig geheiratet hätten, also unabhängig von ihrem Einkommen. Denn damals heirateten eben viele Männer mit viel Geld viele Frauen mit wenig, die Schichten mischten sich stark, was für Gleichheit sorgte. Mehr Gleichheit ließ sich durch zufälliges Heiraten also kaum herstellen.

Warum heiraten Menschen heute andere Partner?

Ganz anders heute: Wenn die Menschen heute zufällig Partner auswählten, statt bevorzugt jemanden mit vergleichbarer Profession und Ausbildung, würden sich die Schichten stärker durchmischen. Und die Ungleichheit nähme ab. Das berechneten die Forscher anhand des Gini-Koeffizienten, der die Einkommensunterschiede in einer Gesellschaft misst. Null bedeutet völlig gleich, eins bedeutet sehr ungleich. Skandinavische Länder gehören mit Werten um 0,25 zu den gleichsten Industriestaaten. Die USA dagegen sind mit einem Gini-Koeffizienten von 0,43 eher ungleich.

Und jetzt kommt es: Wenn die Menschen wieder zufällig heiraten würden, also viel häufiger Partner aus anderen Schichten als heute, fiele die Ungleichheit in Amerika auf 0,34. Den Gini-Wert, den das Land in den Sechziger Jahren tatsächlich aufwies, als Vorstandschefs noch nicht 300 mal so viel verdienten wie ihre Arbeiter unten in der Fabrik.

Aber warum heiraten Menschen überhaupt andere Partner als früher? Dafür scheint es eine Reihe von Gründen zu geben. Je mehr Frauen die Uni absolvieren und in den Beruf streben, statt sich automatisch auf Kinder und Haushalt zu verlegen, desto mehr Heiratskandidatinnen in der Akademiker-Schicht gibt es natürlich auch. Und es scheint weniger Männer zu geben, denen Dominanz in der Beziehung wichtig ist - also die Selbstbestätigung dadurch, dass sie mehr verdienen oder einen gesellschaftlich höher beachteten Beruf haben als ihre Partnerin.

Der Münchner Paartherapeut und Bestsellerautor Wolfgang Schmidbauer erkennt noch ein paar andere Gründe. Heute suche man viel länger nach seinem Partner als früher. Das Phänomen des Singles, der lange prüfe, mit wem er sich bindet, breite sich immer mehr aus.

Früher in einem kleinen Krankenhaus auf dem Land, ohne Internet mit Partnerbörsen, war die Auswahl womöglich nicht so schwindelerregend groß wie heute. Dann habe der Arzt eben häufiger eine Krankenschwester geheiratet. "Heute scannt der Arzt im Turbodating drei Ärztinnen und eine Krankenschwester und nimmt dann eine Ärztin". Drei Millionen Menschen seien heute täglich mit der Partnersuche im Internet beschäftigt. Und Partner-Websites zielten darauf ab, einem Suchenden einen Partner mit ähnlicher Qualifikation zu vermitteln.

Und warum entscheiden sich Menschen im Zweifel für einen Partner mit vergleichbarem Hintergrund? Es gibt ja ebenso viele Empfehlungen, sich einen ähnlichen Partner zu suchen, wie es solche gibt, das Gegenteil zu tun - Gegensätze sollen sich ja nach Meinung vieler anziehen. Auch für die gezielte Wahl von ähnlichen Partnern hat Schmidbauer eine These. "Wir leben in unsicheren Zeiten", sagt er. Die klassische Erwerbsbiografie mit dem Job bei der selben Firma, den man mit 30 Jahren ebenso hat wie mit 65, sie wird zurückgedrängt. Daraus ziehen die Menschen Konsequenzen, glaubt Schmidbauer: "Da sucht man nach einem Partner, der einem ähnlich ist. Das bietet mehr Geborgenheit".

So bleiben die Abteilungsleiter(innen) genauso unter sich wie die Altenpfleger(innen). Und am Ende des Monats gibt es große Unterschiede, was sich ein Paar leisten kann. Und was das andere.

© SZ vom 30.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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