Süddeutsche Zeitung

Parteien:SPD entdeckt Ungleichheit als Wahlkampfthema

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Von Cerstin Gammelin, Berlin

30 plus x. So selbstbewusst wie ehrgeizig hat Fraktionschef Thomas Oppermann das Ziel der SPD für die Bundestagswahl im September formuliert. Ende dieser Woche geht die Bundestagsfraktion in Klausur, um Wege zu ergründen, die wenigstens in die Nähe dieses angesichts der Umfragewerte wenig realistisch erscheinenden Ziels führen.

Aus diversen vorbereiteten Beschlusspapieren geht hervor, dass die SPD einige wirtschaftspolitische Altlasten entsorgen - und sich mit neuen Vorschlägen von ihren jetzigen Koalitionspartnern und künftigen politischen Gegnern CDU und CSU absetzen will. Sie will Maßnahmen und Gesetze beschließen, die, falls sie umgesetzt werden, tatsächlich geeignet sind, der wachsenden Ungleichheit in Deutschland entgegen zu wirken. Die Sozialdemokraten konzentrieren sich auf Bereiche, in denen die Ungleichheit deutlich zu besichtigen ist: Mietpreise, Steuern, Boni-Zahlungen.

Ganz oben auf der Agenda der "Initiative 2017 für Steuergerechtigkeit" steht die Forderung, die steuerliche Ungleichbehandlung von Einkommen aus Arbeit und Kapital zu beenden. "Noch in dieser Legislaturperiode" sollten Einkommen aus Kapital und Arbeit steuerlich gleich gestellt und die Abgeltungsteuer abgeschafft werden, heißt es in der Beschlussvorlage. Da am 1. Januar 2017 der automatische Austausch über Kapitaleinkünfte ausländischer Kontoinhaber begonnen habe, sei der "wesentliche Grund" für die Abgeltungssteuer entfallen, sagt SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider.

"Der Bundesfinanzminister sollte dazu jetzt zügig einen Gesetzentwurf vorlegen und wir sollten das Gesetz noch in diesem Bundestag beschließen und die Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2018 abschaffen". Der enge Zeitplan sei kein Problem. "Meine Sorge ist, dass es ansonsten auf die lange Bank geschoben wird". In der Union habe sich nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dafür ausgesprochen, die Abgeltungssteuer abzuschaffen. Die Union habe das bisher abgelehnt "und den Minister desavouiert".

Deutschland habe auch seine kleinen Steueroasen, etwa Bayern

Mit der Abgeltungsteuer wäre die SPD eine Altlast des früheren Finanzministers und erfolglosen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück los. "Lieber 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix", so hatte dieser einst begründet, dass der Fiskus lediglich eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Dividenden, Zinseinkünfte und Veräußerungsgewinne erhob, Arbeit dagegen mit bis 42 Prozent Spitzensatz besteuerte.

Das war in der Zeit, als das Bankgeheimnis noch galt und der automatische Informationsaustausch von Bankdaten ähnlich utopisch anmutete wie das jetzige Wahlziel der Sozialdemokraten.

Punkten will die SPD auch mit Steuergerechtigkeit im föderalen System der Bundesländer. Deutschland sei scheinheilig, sagt Schneider. Es kritisiere Luxemburg und andere Länder, dass sie zu geringe Steuersätze hätten und noch dazu Absprachen träfen. Allerdings sei der Steuervollzug in Deutschland auch Angelegenheit der Länder "und sehr uneinheitlich geregelt. "Das absolute Schlusslicht bei der gerechten Einziehung von Steuern ist Bayern", verweist der Fraktionsvize auf Erkenntnisse des Bayerischen Rechnungshofes.

Es sei im Freistaat unwahrscheinlich, dass Unternehmen steuerlich geprüft würden, "alle 20 bis 30 Jahre einmal". Von daher habe man "defacto Steuersätze auf dem Papier, die aber in der Realität nicht gezahlt werden, weil sich die Unternehmen selbst schätzen und diese Schätzung nicht geprüft werden". Die zentrale Steuerverwaltung in Deutschland habe das Problem, "dass wir auch kleine Luxemburgs haben und die liegen im Süden".

Wie viel mehr darf ein Chef im Vergleich zu den Mitarbeitern verdienen?

Daher will die SPD-Fraktion das Gesetzespaket zur Neuordnung des Bund-Länder-Länder-Finanzausgleichs zugunsten der zentralen Steuerverwaltung des Bundes ändern. "Mein Ziel ist es, dass wir das Gesetz so verschärfen, dass der Bund mehr kontrollieren und steuern kann", sagt Schneider. "Ein einheitlicherer Steuervollzug ist Grundvoraussetzung für ein gerechtes Steuersystem". Das Gesetzespaket ist im Februar im Bundestag.

Profilieren will sich die SPD auch im Kampf für faire und bezahlbare Mieten. In dem Beschlusspapier "Rechte der Mieter stärken" kündigt die Fraktion an, die bereits weitgehend wirkungslose Mietpreisbremse nachzubessern. Vermieter sollen gesetzlich verpflichtet werden, die Vormiete offenzulegen. Der Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete soll ab Vertragsunterzeichnung gelten. Da Vermieter bisher nicht gezwungen waren, frühere Mieten anzugeben, konnten neue Mieter kaum feststellen, ob sie mit überhöhten Mietsteigerungen konfrontiert waren.

Schließlich will die SPD Bonuszahlungen und Pensionen für Manager weiter regulieren. In dem Papier "Maß und Mitte bei Managergehältern und Boni wieder herstellen" schlägt die SPD vor, noch in dieser Legislatur mehrere Gesetze zu verschärfen. Sie will die steuerliche Absetzbarkeit von Boni auf 500 000 Euro jährlich begrenzen. Höhere Boni muss das Unternehmen aus seinem Gewinn nach Steuern zahlen.

Versorgungszusagen sollen über die gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge hinaus nicht länger steuerlich abzugsfähig sein. Bei "Schlechtleistung oder sogar regelwidrigem Verhalten" sollen Boni einbehalten oder zurückgefordert werden dürfen. Außerdem plädiert die SPD für ein "festgeschriebenes Maximalverhältnis zwischen der Vergütung von Vorständen und dem durchschnittlichen Gehalt ihrer Arbeitnehmer".

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SZ vom 11.01.2017
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