Parkflächen:Carsharing-Anbieter fordern eigene Parkplätze

Car2go Launches First Electric Carsharing Program In Washington DC

Ausreichend Parkplätze müssen vorhanden sein, damit die Carsharing-Idee dauerhaft ein Erfolg wird.

(Foto: Chip Somodevilla/AFP)
  • Das Carsharing-Angebot kann den Verkehr in deutschen Innenstädten bisher nicht entlasten.
  • Ein Problem: Es gibt zu wenige Parkplätze. Die Anbieter verlangen deshalb eigens reservierte Parkflächen für Carsharing-Autos.
  • Ein entsprechender Entwurf eines Carsharing-Gesetzes wurde zwar schon vorgelegt - aber längst nicht alle Experten halten das Auto-Teilen für sinnvoll.

Von Max Hägler

Mit flotten Sprüchen sind die kleinen blau-weißen Smarts in die bayerische Landeshauptstadt eingefahren: "Servus München!" und "Mia san hier!" stand auf den Mietautos der Daimler-Tochter Car2go. Es sind Wagen, die sich per Handy anmieten lassen, in Sekundenschnelle. Und dann genauso rasch wieder abstellen lassen irgendwo in der Stadt.

Solche Angebote werden Mobilität bequemer machen und die Stadt entlasten, wurde damals beschworen. Drei Jahre ist das her; mittlerweile fahren in München etwa 1500 Carsharing-Autos verschiedener Anbieter. Klingt üppig, aber angesichts von 800 000 privaten Autos in der Stadt ist das eine homöopathische Dosis. Und insgesamt stagnierte die Zahl der angebotenen Fahrzeuge: Zu Jahresbeginn teilten sich 1,3 Millionen Kunden in Deutschland etwa 16 100 Autos, nur 700 mehr im Vergleich zum Vorjahr.

Die Effekte auf die Städte sind also kaum relevant. Noch nicht, heißt es aus der Carsharing-Branche, die darauf dringt, dass endlich ein wesentlicher Teil ihres Geschäfts klar geregelt wird: das Parken.

Stationäre Anbieter wie Statt-Auto, Cambio oder Flinkster haben bislang meist feste Standorte auf Supermarktparkplätzen oder in Tiefgaragen. Bei den sogenannten Freefloat-Anbietern wie DriveNow (BMW), Multicity (Citroen) oder eben Car2go, ist das anders: Parken müssen diese Wagen meist an öffentlichen Straßen. Das Problem ist wie beim eigenen Fahrzeug auch: Der Platz ist knapp.

Dadurch relativiere sich der Nutzen enorm, klagen die Anbieter - und fordern eine Beschleunigung der Carsharing-Gesetzgebung. Der wichtigste Punkt: Die Möglichkeit, Parkplätze speziell für Carsharing-Autos auszuweisen so wie Standplätze für Taxis. Das ist für Städte und Gemeinden bislang nur symbolisch möglich - Falschparker müssen keine Strafzettel fürchten.

"Wir brauchen schnell, noch in dieser Legislatur, das Gesetz, das den Städten Spielraum gibt", sagt Thomas Beermann, Europachef von Car2go. Die geteilten Autos sollten bevorzugt werden, schließlich ersetzen sie Privatautos, je nach Studie ist die Rede von fünf bis zehn Wagen. "Die Stadt kann künftig nicht mehr voller Privatautos sein - das ist nicht zu ignorieren", sagt auch Aurika Naumann vom Wettbewerber DriveNow. Carsharing könne entscheidend beitragen, den Stadtverkehr zu entzerren. Das geplante Gesetz werde Angebot und Möglichkeiten entscheidend befeuern. Die Diskussionen um die Freigabe von Busspuren oder das Reduzieren von Parkgebühren seien dabei interessant, heißt es bei DriveNow, "aber das mit Abstand effektivste sind dedizierte Carsharing-Parkplätze!"

Ein riesiger Markt für Autohersteller

Die Städte von Privatautos entlasten - das ist eine bemerkenswerte Haltung für Firmen, hinter denen Automobilkonzerne stehen, die ihre Produkte verkaufen wollen. Aber die Diskussion um Lärm, Abgase und eben Platz ist auch in der Autobranche angekommen.

Bevor andere durchstarten mit der Idee, simpel zu buchende Mietwagen anzubieten, machen das BMW, Daimler und andere eben selbst. Zumal es ein potenzieller Milliardenmarkt in Deutschland ist: Würden zehn Prozent des Individualverkehrs ersetzt durch geteilte Autos, entstünde ein Markt im Volumen von 35 Milliarden Euro. Als Nebeneffekt rollen lauter Werbeträger durch die Straßen.

Vor drei Jahren forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, rasch Regelungen vorzulegen, "die eine Vereinfachung und Stärkung der Nutzung von Carsharing zum Ziel haben". Jetzt erst, in diesem Sommer, wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt und dazu auch Anbieter und der Bundesverband Carsharing angehört. Dass die Gesetzgebung so lange dauert, hat auch damit zu tun, dass nicht alle Verkehrsexperten Carsharing für hilfreich halten.

Kritiker sprechen zum Beispiel von "Bequemlichkeitsmobilität"; gerade spontan gemietete Autos würden auf Kurzstrecken Bus und Bahn ersetzen. Die Sache mit der Verlagerung vom öffentlichen Personennahverkehr auf einzelne Fahrzeuge ist offenbar nicht völlig von der Hand zu weisen: Die Verkehrsbetriebe in München (MVG) schätzen etwa, dass sie einige Millionen Euro Einnahmen pro Jahr an Carsharing-Anbieter verlieren. So wie sie übrigens auch Kunden ans Fahrrad verlieren.

Die Erkenntnis in München und anderswo lautet deswegen: Den Menschen alles anbieten, einen Mix quasi. Eigene Mietradstationen bietet die MVG mittlerweile an und informiert auch über die verschiedenen Modelle des Auto-Teilens.

Wobei dabei jede Stadt ihren eigenen Weg finden muss, das hat die Branche gelernt. "Die wichtigsten Faktoren um Carsharing zu nutzen sind die Infrastruktur, die Menschen und ihre Mentalität und natürlich die festen Bestandteile einer Stadt, also die Siedlungsstruktur, die Straßen, das Nahverkehrssystem", sagt Beermann.

In Madrid läuft es super, in Stuttgart überhaupt nicht

In Madrid beispielsweise läuft es für Car2go extrem gut: Die Menschen dort seien Neuem sehr aufgeschlossen und nutzen viel U-Bahn und die dort sehr günstigen Taxis. Sie steigen gern aufs Mietwagenfahren um und die abgasgeplagte spanische Stadt hat die Lizenz erteilt, weil Car2go nur Elektrosmarts in der Flotte hat; pro Tag wird jedes Fahrzeug dort durchschnittlich von 15 Kunden benutzt. In Berlin verhält es sich ähnlich. Nicht einmal die Hälfte der Haushalte besitzt dort einen eigenen Wagen. Die oft eher jungen Bewohner in der Stadtmitte wollen Neues ausprobieren.

Ideale Voraussetzungen für die Anbieter. Das Gegenteil: Stuttgart, die klassische Autostadt. "Jeder hat ein Fahrzeug, das gehört für viele dazu und so ist die Offenheit für andere Verkehrsmittel her geringer", haben sie bei Car2go für ihren Heimatstandort festgestellt. Dazu kommt, dass Stuttgart her zergliedert ist mit vielen eher weit auseinanderliegenden Stadtteilen. Die Leute pendeln morgens zur Arbeit und abends wieder zurück. Überall zuverlässig verfügbar sind die Elektrosmarts so nicht - in gewisser Weise ein Teufelskreis.

Mehr Autos soll es erst einmal nicht geben, es soll die Frequenz der Nutzung erhöht werden. Ein Weg dahin: Reduzierte Minutenpreise bei Feinstaubalarm. Und bald vielleicht ausgewiesene Parkplätze.

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