"Auf der abstrakten Ebene kann jeder den Klimaschutz unterschreiben", sagt Anders Levermann, Klimaforscher beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Aber auf der konkreten Ebene wird es schwierig."
Nichts spiegelt das besser als der Umgang mit der Kohle, Deutschlands größtem Klimaproblem. Ehe Union, FDP und Grüne ihre Bemühungen um eine Koalition schließlich aufgaben, hatten sie erbittert um die Abschaltung von Kohlekraftwerken gestritten. Union und FDP wollten möglichst wenige abschalten, die Grünen möglichst viele. Weil vor allem in den Kesseln der Braunkohlekraftwerke viel Kohlendioxid entsteht, wird um ihre Stilllegung kaum ein Weg herumführen. "Wer einen Kohleausstieg nicht will, der will auch keinen ernsthaften Klimaschutz", sagt Forscher Levermann.
So wächst überall das Chaos. Physikalisch, weil eine wärmer werdende Erde ganz offensichtlich stärker zu extremem Wetter neigt. Und politisch, weil sich neben die Paris-Unterzeichner nun viele große und kleine Trumps mischen. Neben dem "realDonald Trump" (so sein Twitter-Name) auch eine klimaskeptische Regierung in Polen oder eine AfD in Deutschland. Letztere sieht sogar Vorzüge in wachsenden Kohlendioxid-Emissionen.
"Günstigere erneuerbare Energien führen dazu, dass der Ölpreis verfällt."
"Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus", heißt es im Grundsatzprogramm der Partei. Damit flammen Diskussionen neu auf, die viele Klimaforscher längst überwunden glaubten.
Doch es entsteht eine Gegenbewegung. Versicherer ziehen sich aus der Finanzierung von Kohle zurück, Staaten bekennen sich zum Ausstieg. In mehreren Ländern wollen sich Regierungen vom Verbrennungsmotor verabschieden. "Es gibt eine enorme Dynamik für mehr globalen Klimaschutz", sagt Christoph Bals, Geschäftsführer der Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Wir treten in eine neue Phase. Allerdings wächst auch die Einsicht, dass diese Phase nicht allein vom guten Willen einiger Staaten und Unternehmen leben kann - sondern flankiert werden muss von einem Preis auf Kohlendioxid. Er würde es teurer machen, Kohle, Öl und Gas zu verfeuern, zugunsten der sauberen Alternativen. In Deutschland forderte das zuletzt der Sachverständigenrat, in Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron, weltweit ein Bündnis von Dutzenden Konzernen, die sich zuletzt an die G-20-Staaten gewandt hatten, schließlich auch Umweltverbände.
"Der Ausbau immer günstigerer erneuerbarer Energien wird dazu führen, dass der Ölpreis weiter verfällt", sagt Germanwatch-Mann Bals. "Wir sehen schon jetzt neben dem Boom für Elektromobilität auch einen Boom bei SUVs." Auch auf die Kohledebatte in Deutschland könnte ein ausreichend hoher CO₂-Preis die Antwort sein - die schmutzigsten Kraftwerke würden damit als Erstes unwirtschaftlich.
Wozu die Staaten bereit sind, wird sich aber schon im nächsten Jahr zeigen. Dann sollen sie das Regelwerk zum Pariser Klimaabkommen aushandeln. Von ihm hängt ab, ob es neben den vielen schönen Versprechungen einzelner Staaten auch wirksame Kontrollen gibt. Das seltsame Jahr 2017, in dem die USA gleichzeitig zum Bösewicht in Sachen Klimawandel und zu einem seiner größten Leidtragenden wurden, könnte sich dafür auszahlen. "2017 hat neue Unruhe gebracht, und es hat die Klimapolitik wieder in die Schlagzeilen rücken lassen", sagt Klimaforscher Levermann. "2017 war ein Aufrütteljahr."