Süddeutsche Zeitung

Pariser Autosalon:Diese Marke soll die Zukunft von VW sichern

  • Beim Pariser Autosalon hat VW eine neue, 13. Marke angekündigt. Sie soll keine Automarke sein, sondern das Geschäft mit Mobilitätsdienstleistungen bündeln.
  • Unter die neue Marke könnten Dienstleistungen wie Car-Sharing oder urbane VW-Taxiflotten fallen. In zwei Monaten soll sie offiziell vorgestellt werden.

Von Thomas Fromm, Paris

Nicht die Motoren und PS sind hier die Botschaft, sondern der Ort, und für seine Abendveranstaltung am Vorabend des Pariser Autosalons hat sich VW deshalb keine dieser großen Messehallen ausgesucht, sondern einen futuristischen Designbau am Stadtrand, die überaus bunte Fondation Louis Vuitton. Et voilà - ein Privatmuseum von Bernard Arnault, dem Chef des Luxusartikelkonzerns LVMH.

Normalerweise werden hier Werke des 20. Jahrhunderts gezeigt, und weil VW sich irgendwie dann doch dazuzählt zu dieser Moderne, ist man heute hier. Der VW-Designer hält einen langen Vortrag über Design und die dekonstruktivistische Architektur von Frank Gehry, der sich zu einer Art Ästhetik-Vorlesung entwickelt. Und das ist neu in diesem Konzern, bei dem jahrelang die Topmanager auf der Bühne standen, die Motoren ihrer neuesten Modelle aufheulen ließen und dazu laute Beats aus dem Lautsprecher kamen: eine Ästhetik-Vorlesung.

Autos? Gibt es auch noch. Im Hinterzimmer, schön in ein nebliges Licht gebadet, aber nicht pompös inszeniert. Ebensowenig wie das eigentlich Außergewöhnlichste, das VW für seine Zukunft plant: Eine 13. Marke unter dem Dach des Konzerns, eine Marke, unter der nicht Autos gebaut werden sollen, sondern Mobilitätsdienstleistungen wie Car-Sharing und selbstfahrende Autos angeboten werden sollen.

Audi-Chef Stadler hat eine üble Woche hinter sich

Volkswagen-Chef Matthias Müller, seit mehr als einem Jahr der oberste Dieselaffären- und Krisenmanager der internationalen Automobilindustrie, steht jetzt hier und sagt: "Für mich lautet die Frage nicht: Schafft Volkswagen das, sondern vielmehr: Wie schafft Volkswagen das?" Ist klar, wie er das meint: Mehr Frank Gehry, weniger Dieselqualm. Als ob das so einfach wäre. Aber versuchen kann man es.

Zum Beispiel Audi-Chef Rupert Stadler. Er hat eine üble Woche hinter sich. Sein Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch machte nach nur acht Monaten wegen der Dieselaffäre den Abgang. Und dann kursierten auch noch Berichte, Stadler selbst sei bei internen Ermittlungen von Zeugen schwer belastet worden. Eine VW-Party am Vorabend des Pariser Autosalons wäre also eine ziemlich gute Gelegenheit, so eine Woche noch mal Revue passieren zu lassen. Aber Stadler spricht lieber darüber, wie Audi jetzt Luxusautos in Luxus-Wohnanlagen in Hongkong vermietet. "Sie sehen mich total entspannt", sagt er.

Das VW der Zukunft feiern

Stadler ist deshalb typisch für diesen Abend. Im Grunde gibt es nämlich gerade zwei VWs. Das eine muss die Dieselaffäre aufarbeiten, noch ein paar Millionen Autos mit Schummel-Software im Dieselmotor reparieren, mit dem US-Justizministeriums über strafrechtliche Ermittlungen verhandeln, Sammelklagen in aller Welt abwehren und frustrierte Kunden beruhigen, einen 15-Milliarden-Dollar-Vergleich in den USA stemmen. Für Autos mit kleineren Dieselmotoren hat sich VW auf einen Milliardenvergleich geeinigt, aber es gibt noch die Fahrzeuge mit größeren Dieselmotoren und VW-Chef Müller sagt, dass eine Einigung mit den US-Behörden näher komme. Es werde "in absehbarer Zeit ein Statement" geben, sagt er.

Es ist also ein äußerst kompliziertes VW, das da gerade noch mit dem Skandal beschäftigt ist. Besser ist da das andere VW, das "Es-muss-ja-jetzt irgendwie-weitergehen"-VW. Wenn man sich schon das eine VW, das in der größten Krise seiner Geschichte steckt, nicht aussuchen kann in diesen Tagen, dann muss man wenigstens das andere VW feiern, das VW der Zukunft.

Auch der frühere BMW-Mann und VW-Markenchef Herbert Diess würde gerne einen Haken an den alten Dieselbauer machen und sich nur noch mit ganz anderen Dingen beschäftigen. Er kam nach Wolfsburg, kurz bevor es im September 2015 los ging mit der Affäre. Seitdem hat er die Dieselaffäre und die Ermittler am Bein und streitet mit dem Betriebsrat über die richtigen Sparprogramme. Eine Menge unangenehmer Themen also, und Diess, heute krawattenlos, kommt im hellblauen Anzug herein und verkündet strahlend: "Paris ist der Wendepunkt."

Wendepunkt - das ist hier schon ein Statement, zumal für einen Automanager. Strenggenommen wird hier natürlich nicht langsam gewendet, sondern zügig und im fünften Gang die nächste Ausfahrt genommen. Diess hat ein Elektroauto mit 600 Kilometern Reichweite mitgebracht, das 2020 auf den Markt kommen soll. In der Branche heißen solche Autos "Konzeptfahrzeuge". Dieses hier trägt den Namen "ID" und soll so etwas werden wie der Käfer oder Golf der neuen Elektromobilität.

Weil die Zukunft besser sein soll als die jüngste Vergangenheit und weil sie eh kommt, plant VW-Chef Müller etwas sehr Außergewöhnliches: Der Konzern, der bisher aus zwölf Marken besteht (darunter VW, Porsche, Audi oder Skoda), will eine 13. Marke gründen. Es gab Zeiten, da träumten VW-Strategen noch von der Fiat-Tochter Alfa Romeo als nächster neuer Marke. Tempi passati.

Wolfgang Porsche wird selbst wohl kein Carsharing-Kunde

Die 13. Marke soll gar keine richtige Automarke sein, sondern das Geschäft mit Mobilitätsdienstleistungen bündeln. Car-Sharing, Fahrdienst-Vermittlungen, eigene urbane VW-Taxiflotten mit selbstfahrenden Autos, Shuttle-Angebote - in zwei Monaten will VW die 13. Marke präsentieren und ihr einen Namen geben. Wenn es so ist, dass Menschen irgendwann keine Autos mehr kaufen, sondern nur noch nutzen, dann könnte diese 13. Marke irgendwann die wichtigste im Konzern werden.

Das weiß auch einer im Konzern, der nicht unbedingt für die neue Mobilität steht. Wolfgang Porsche ist jetzt auch schon 73; der Enkel des VW-Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche, Porsche-Aufsichtsratschef und VW-Miteigentümer ist nicht mehr ganz die Generation "Autonomes E-Auto-Fahren". Also, Herr Porsche, wie sieht es bei Ihnen mit Car-Sharing aus? "Ich muss gestehen, dass ich das nicht mache", sagt Porsche. Man muss wissen, dass der Konzernerbe eine gut gefüllte Garage mit diversen Oldtimern und Sportwagen hat, von denen einige so heißen wie er.

Autos teilen ist im Hause Porsche also nicht unbedingt erforderlich. "Aber", sagt Porsche dann noch, "es ist eine tolle Sache". Und wie ist es mit dem Fahrdienst Uber? Den wiederum kennt Porsche gut. "In fünf Minuten waren die da, und es waren sehr freundliche Menschen." Und wie finden Sie es, dass wir uns bald alle von vollautomatischen Autos fahren lassen? "Ich bin ein schlechter Beifahrer", sagt der Salzburger. "Aber es muss ja weitergehen." Soll heißen: Ich brauch das nicht, aber wenn es die Leute wollen, bittschön.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3184192
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/mahu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.