Nicht die Motoren und PS sind hier die Botschaft, sondern der Ort, und für seine Abendveranstaltung am Vorabend des Pariser Autosalons hat sich VW deshalb keine dieser großen Messehallen ausgesucht, sondern einen futuristischen Designbau am Stadtrand, die überaus bunte Fondation Louis Vuitton. Et voilà - ein Privatmuseum von Bernard Arnault, dem Chef des Luxusartikelkonzerns LVMH.
Normalerweise werden hier Werke des 20. Jahrhunderts gezeigt, und weil VW sich irgendwie dann doch dazuzählt zu dieser Moderne, ist man heute hier. Der VW-Designer hält einen langen Vortrag über Design und die dekonstruktivistische Architektur von Frank Gehry, der sich zu einer Art Ästhetik-Vorlesung entwickelt. Und das ist neu in diesem Konzern, bei dem jahrelang die Topmanager auf der Bühne standen, die Motoren ihrer neuesten Modelle aufheulen ließen und dazu laute Beats aus dem Lautsprecher kamen: eine Ästhetik-Vorlesung.
Autos? Gibt es auch noch. Im Hinterzimmer, schön in ein nebliges Licht gebadet, aber nicht pompös inszeniert. Ebensowenig wie das eigentlich Außergewöhnlichste, das VW für seine Zukunft plant: Eine 13. Marke unter dem Dach des Konzerns, eine Marke, unter der nicht Autos gebaut werden sollen, sondern Mobilitätsdienstleistungen wie Car-Sharing und selbstfahrende Autos angeboten werden sollen.
Audi-Chef Stadler hat eine üble Woche hinter sich
Volkswagen-Chef Matthias Müller, seit mehr als einem Jahr der oberste Dieselaffären- und Krisenmanager der internationalen Automobilindustrie, steht jetzt hier und sagt: "Für mich lautet die Frage nicht: Schafft Volkswagen das, sondern vielmehr: Wie schafft Volkswagen das?" Ist klar, wie er das meint: Mehr Frank Gehry, weniger Dieselqualm. Als ob das so einfach wäre. Aber versuchen kann man es.
Zum Beispiel Audi-Chef Rupert Stadler. Er hat eine üble Woche hinter sich. Sein Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch machte nach nur acht Monaten wegen der Dieselaffäre den Abgang. Und dann kursierten auch noch Berichte, Stadler selbst sei bei internen Ermittlungen von Zeugen schwer belastet worden. Eine VW-Party am Vorabend des Pariser Autosalons wäre also eine ziemlich gute Gelegenheit, so eine Woche noch mal Revue passieren zu lassen. Aber Stadler spricht lieber darüber, wie Audi jetzt Luxusautos in Luxus-Wohnanlagen in Hongkong vermietet. "Sie sehen mich total entspannt", sagt er.
Das VW der Zukunft feiern
Stadler ist deshalb typisch für diesen Abend. Im Grunde gibt es nämlich gerade zwei VWs. Das eine muss die Dieselaffäre aufarbeiten, noch ein paar Millionen Autos mit Schummel-Software im Dieselmotor reparieren, mit dem US-Justizministeriums über strafrechtliche Ermittlungen verhandeln, Sammelklagen in aller Welt abwehren und frustrierte Kunden beruhigen, einen 15-Milliarden-Dollar-Vergleich in den USA stemmen. Für Autos mit kleineren Dieselmotoren hat sich VW auf einen Milliardenvergleich geeinigt, aber es gibt noch die Fahrzeuge mit größeren Dieselmotoren und VW-Chef Müller sagt, dass eine Einigung mit den US-Behörden näher komme. Es werde "in absehbarer Zeit ein Statement" geben, sagt er.
Es ist also ein äußerst kompliziertes VW, das da gerade noch mit dem Skandal beschäftigt ist. Besser ist da das andere VW, das "Es-muss-ja-jetzt irgendwie-weitergehen"-VW. Wenn man sich schon das eine VW, das in der größten Krise seiner Geschichte steckt, nicht aussuchen kann in diesen Tagen, dann muss man wenigstens das andere VW feiern, das VW der Zukunft.