Süddeutsche Zeitung

Paris Hilton und Hotelkette Hilton:Blond als Konzept

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Der Ruf des Partygirls Paris Hilton scheint sich nicht zu vertragen mit dem Image der traditionsreichen Hotelkette. Doch die Firma profitiert von der Aufmerksamkeit.

Angelika Slavik

Irgendwann, etwa bei Nummer 17 oder 18, ist die Boulevardpresse ein bisschen durcheinander gekommen. Der wie vielte Schoßhund ist das denn nun, den sie da spazieren trägt? Und was, zum Teufel, ist mit all seinen Vorgängern passiert?

Paris Hilton, 29, ist seit bald zehn Jahren Lieblingsobjekt nicht nur der amerikanischen Klatschreporter: Weltweit wurde vor ein paar Monaten gerätselt, wieso Hilton auf den fast täglich neu gelieferten Paparazzi-Fotos von ständig wechselnden Vierbeinern begleitet wird. Tierschützer gaben schon mal vorsorglich ihre Empörung zu Protokoll, kalifornische Hundezüchter bekannten sich offiziell zum "Paris-Boykott" und wollten der Berühmten keine Welpen mehr verkaufen, bevor das Schicksal der 16, vielleicht auch 17 verschwundenen Tiere geklärt sei.

Das ist nur eine von unzähligen Geschichten um die gern als Hotelerbin Titulierte, und es ist eine von den harmlosen. Noch bevor das Geheimnis um den Hunde-Verschleiß gelüftet wurde, wurde die Welt mit neuem Paris-Stoff versorgt: Erst protestieren brasilianische Frauenrechtlerinnen gegen einen vermeintlich diskriminierenden Bier-Werbespot, dessen Hauptdarstellerin, natürlich, Paris Hilton war. Wenig später wurde sie mit einer erheblichen Menge Drogen erwischt und verhaftet - 100Punkte auf der nach oben offenen Paris-Skandal-Skala.

Die Geschichte der Paris Hilton aber ist nur auf den ersten Blick die Geschichte des verzogenen reichen Görs, das vor lauter Langeweile eine Menge Unsinn macht und dabei von ein paar bedeutungslosen Trash-Medien beobachtet wird. Denn durch den stetigen Fluss an Skandalen und Skandälchen ist die blonde Paris in den vergangenen zehn Jahren zu einer millionenschweren Marke geworden: eingetragen beim amerikanischen Patentamt wie Johnny Walker oder Coca-Cola.

Die "bestgeführte Marke der Welt" wird Paris Hilton manchmal genannt - und das, obwohl der häufigste Satz über die Hilton wohl der ist, dass niemand wisse, wofür sie eigentlich berühmt sei, außer für ihre Berühmtheit. Doch die wohltemperierte Mischung aus ein paar Staffeln Reality-Show beim Pop-Sender MTV, einem mehr oder weniger unabsichtlich im Internet platzierten Privatvideo und all den Geschichten und Hunden, Drogenexzessen und schlecht eingeparkten Cabrios haben aus Hilton einen der meistfotografierten Menschen der Welt gemacht.

Die "kritische Schwelle an Beachtung", wie Experten das nennen, hat Hilton längst hinter sich gelassen - deshalb ist heute jedes noch so banale Ereignis aus der Hilton'schen Existenz eine Geschichte wert. Und mit jedem Fernsehbeitrag, mit jedem Artikel steigt ihre Bekanntheit weiter, und die lässt sich dann zu Geld machen: Parfum, Kosmetika und eine Modelinie werden heute in ihrem Namen verkauft, zusätzlich macht sie Werbung. Für einen Telefonanbieter etwa, für Bier, für Prosecco aus der Dose, und bei alledem auch immer für sich selbst.

All das ist zwar ein einträgliches Geschäft, aber kein sehr elegantes - und scheint damit so gar nicht zu dem Image zu passen, das sich der Hilton-Konzern für seine Hotels wünscht. Das Unternehmen versucht, vorwiegend mit Tradition und Noblesse assoziiert zu werden, nicht mit Dosensprudel und schlechten Sexfilmchen. Eigentlich. Denn in Wahrheit scheint die Hotelkette vom Rummel um die Urenkelin des Firmengründers sogar zu profitieren.

Man gehe davon aus, dass die meisten Gäste zwischen der Person und dem Unternehmen unterscheiden würden, sagt Olivier Harnische, der bei Hilton die Geschäfte in Deutschland und der Schweiz verantwortet. "Dennoch haben wir feststellen können, dass das Interesse sehr junger Menschen für das Unternehmen Hilton gewachsen ist."

Klaus-Dieter Koch, Markenstratege beim Nürnberger Beratungsunternehmen Brand Trust, geht noch einen Schritt weiter: "Hilton hat das Problem, das viele Marken mit einer langen Geschichte bekommen: Sie wirken verstaubt und langweilig." Das stete Spektakel um die junge, moderne Paris könne der Kette nur gut tun, sagt Koch. Denn das halte den Namen Hilton wenigstens im Gespräch. "Und im Gespräch zu bleiben ist für den Erfolg einer Marke essentiell."

Dass Berufsblondine Paris mit der Hotelkette gar nichts mehr zu tun hat, seit die Familie das Unternehmen vor ein paar Jahren an den Finanzinvestor Blackstone verkauft hat, spiele da nur eine untergeordnete Rolle, meint der Experte. "Es liegt überhaupt nicht im Interesse der Hotelkette, den Konzern Hilton und die Person Paris Hilton in der öffentlichen Wahrnehmung noch stärker zu separieren. Wenn es Effekte auf die Marke gibt, dann ausschließlich positive", sagt Stratege Koch.

Bei den weniger schönen Schlagzeilen, die zum System Paris Hilton nun mal auch gehören, wurde das früher familieneigene Unternehmen jedenfalls immer brav außen vor gelassen: Ob Alkohol-Exzesse oder Drogen im Designer-Handtäschchen - nie hat man Presseliebling Paris bei solchen Umtrieben in einem Hilton-Hotel erwischt.

Lediglich mit einem der verdächtig vielen Schoßhunde will man sie dort mal gesehen haben. Welcher es war, ist leider nicht zweifelsfrei überliefert. Macht aber auch nichts: Ein paar Wochen nach den Gerüchten um den Verbleib der Tiere tauchten ein paar unscharfe Fotos auf: Paris Hilton am Pool ihrer Villa, umringt von ihren vollständig versammelten 17 Haustieren. Sind übrigens ganz zufällig entstanden, diese Fotos. Aber das versteht sich ja von selbst.

Süddeutsche Zeitung TV zeigt an diesem Samstag eine ausführliche Dokumentation zur Geschichte des Werbefilms: Die großen Verführer, Vox, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2010
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