Süddeutsche Zeitung

Paradise Papers:Paradise Papers: USA sanktionieren Diamanten-Milliardär

Der israelische Geschäftsmann und Diamantenhändler Dan Gertler pflegte gute Beziehungen zu korrupten Machthabern in Afrika, speziell im Kongo.

Von Frederik Obermaier und Tobias Zick

Als der israelische Diamantenhändler Dan Gertler Ende der 1990er-Jahre in der Demokratischen Republik Kongo ankam, war gerade das jahrzehntelange Plünderungsregime des Diktators Joseph Mobutu zusammengebrochen. Viele Menschen in dem verarmten Land schöpften Hoffnung, dass sie nun endlich von dem Reichtum ihrer Böden, von den gigantischen Vorkommen an Gold, Diamanten, Kupfer und Uran profitieren würden. Doch die Hoffnung verwelkte so schnell, wie sie aufgeblüht war.

Der neue Präsident, Laurent-Désiré Kabila, erwies sich als seinem Vorgänger durchaus ebenbürtig, was autokratische Tendenzen angeht. Als eine Rebellenarmee, unterstützt von Nachbarländern, ihn stürzen wollte, klammerte er sich mit Hilfe eigener Milizen und anderer afrikanischer Regierungen an die Macht; der Krieg um Kabilas Machterhalt sollte später als "Afrikas Weltkrieg" in die Geschichte eingehen, laut Schätzungen starben darin mehr als drei Millionen Menschen. Kabila brauchte viel Geld, um seine Truppen zu finanzieren. Recherchen der Vereinten Nationen zufolge gab er dem jungen Geschäftsmann Gertler ein Monopol auf alle Diamanten im Land, im Gegenzug sollte dieser "schnelles und frisches Geld" für Waffenkäufe beschaffen. Es war der Beginn einer perfekten Symbiose zwischen Gertler, über den die SZ im Rahmen der Paradise Papers ausführlich berichtete, und der kongolesischen Machtelite.

Allein dem Kongo sind durch Gertlers Geschäfte Milliarden entgangen

Diese Beziehung hat Gertler nun ins Visier der US-Behörden gebracht: Am Donnerstag setzte das amerikanische Finanzministerium ihn auf eine Sanktionsliste, zusammen mit einem Verbündeten sowie mehreren Firmen, die mit ihm in Verbindung stehen und die teilweise in den Paradise Papers und Panama Papers auftauchen. Gertler habe Milliarden mit "korrupten Minen- und Öl-Deals im Kongo" gemacht, schreibt das Ministerium; er habe "seine enge Freundschaft mit dem kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila genutzt" (dem Sohn und Amtsnachfolger des 2001 getöteten Laurent Kabila), um sich "als Mittelsmann für den Verkauf von Minengeschäften zu positionieren."

Um mit dem Kongo Geschäfte zu machen, hätten demnach einige multinationale Unternehmen mit Gertler verhandeln müssen. Allein zwischen 2010 und 2012 seien dem Kongo, einem der ärmsten Länder der Welt, aufgrund von Gertlers Geschäften mehr als 1,36 Milliarden Dollar entgangen. 2013 habe er etwa der kongolesischen Regierung die Rechte an einem Ölabbaugebiet für 150 Millionen Dollar verkauft, die er selbst für nur 500 000 Dollar gekauft hat - und zwar vom kongolesischen Staat.

Unter den Sanktionen dürfen US-Bürger nur noch mit Sondergenehmigung Geschäfte mit Gertler machen. Etwaiges Vermögen in den USA wird sofort eingefroren.

Glencore hatte Gertler Hunderte Millionen Dollar geliehen

Im Rahmen der Paradise-Papers-Enthüllungen hatte die Süddeutsche Zeitung zusammen mit anderen internationalen Medien aufgezeigt, wie der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore in den Jahren 2008 und 2009 Dan Gertler beauftragt hatte, mit der Demokratischen Republik Kongo über Minenlizenzen für große Kupfer- und Kobalt-Vorkommen zu verhandeln. Nach Gertlers Intervention bekam die Glencore-Tochterfirma Katanga Mining ihre Lizenz etwa viermal billiger als die Konkurrenz; der Kongo verzichtete auf etwa 445 Millionen Dollar, mehr als den Gegenwert des kongolesischen Jahresbudgets für Bildung im Jahr 2009.

Glencore hat seinem damaligen Geschäftspartner Gertler seit 2007 Darlehen im Wert von mehreren Hundert Millionen Dollar gewährt. Im Februar 2017 kaufte der Schweizer Konzern ihm seine Anteile an den bis dato gemeinsamen Minen im Kongo ab - Gertler behielt jedoch Ansprüche auf weitere Lizenzgebühren auf die geförderten Rohstoffe. Diese Zahlungen sind laut SZ-Informationen nun zumindest vorerst gestoppt. Glencore erklärte dazu lediglich, das Unternehmen "hält sich an geltende Sanktionen."

Dan Gertler, der im Vorfeld der Paradise-Papers-Veröffentlichungen vehement jegliches Fehlverhalten bestritten hatte und bekräftigte, sich bei all seinen Geschäften weltweit an Recht und Gesetz zu halten, wollte jetzt auf SZ-Anfrage die US-Sanktionen nicht kommentieren.

Glencore hatte nach den Paradise-Papers-Enthüllungen drei Aufsichtsräte von Katanga Mining ausgetauscht und musste einräumen, dass die kanadische Börsenaufsicht Ermittlungen gegen Katanga aufgenommen hat. Anfang dieser Woche hat die Nichtregierungsorganisation Public Eye Glencore bei der Schweizer Bundesanwaltschaft angezeigt. Es gebe "genügend Indizien, um eine Untersuchung zu eröffnen", erklärte die Organisation auch mit Verweis auch die Paradise Papers. Sollte die Bundesanwaltschaft tatsächlich Ermittlungen aufnehmen, dürfte darin auch Gertler eine gewichtige Rolle spielen.

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Quelle:
SZ vom 23.12.2017/mahu
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