Paradise Papers:Menschenrechts-Organisation zeigt Rohstoffkonzern Glencore an

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Unterirdischer Reichtum: eine Glencore-Mine im Kongo. Einige der Kupfer- und Kobaltlizenzen erhielt der Konzern ungewöhnlich günstig. (Foto: S. Dawson/Bloomberg)

Im Kongo hatte sich der Konzern laut den Enthüllungen der Paradise Papers Schürfrechte für auffällig wenig Geld gesichert. Jetzt steht Glencore unter dem Verdacht, Korruption ausgenutzt zu haben.

Von Frederik Obermaier, Tobias Zick und Oliver Zihlmann, München

Mit 445 Millionen Dollar könnte man viel ausrichten in der Demokratischen Republik Kongo, dem Land im Herzen Afrikas, das zu den ärmsten der Welt gehört - obwohl seine Böden geradezu strotzen vor Rohstoffen wie Diamanten, Gold, Zinn, Kupfer und Kobalt. Letzteres, ein seltenes Metall, ist im Preis auf dem Weltmarkt in den vergangenen zwei Jahren um das Dreifache gestiegen. Kobalt ist heiß begehrte Zutat von Akkus für Smartphones und Elektroautos. Und mehr als die Hälfte der globalen Nachschubs an Kobalt kommt zurzeit aus dem Kongo.

Doch der ist nicht nur eines der rohstoffreichsten, sondern auch eines der korruptesten Länder der Welt. Bei der Mehrheit der Kongolesen kommt von dem Reichtum fast nichts an. Nicht einmal jeder Zweite hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, jedes siebte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag.

Die Geschäfte seien ein "Albtraum" für den Kongo

445 Millionen Dollar, das entsprach 2009 in etwa dem gesamten kongolesischen Jahresbudget für Bildung. Und es ist eine Summe, auf die damals das Land in einem einzigen, höchst zweifelhaften Rohstoff-Deal verzichtete. Die Süddeutsche Zeitung und andere internationale Medien hatten Anfang November im Rahmen der Paradise Papers-Enthüllungen ausführlich über diesen Deal berichtet: Demnach rang die Bergbaufirma Katanga Mining, die heute mehrheitlich dem Schweizer Konzern Glencore gehört, in den Jahren 2008 und 2009 mit dem staatlichen kongolesischen Bergbauunternehmen um die Höhe der Gebühren für den Zugriff auf große Kupfer- und Kobaltvorkommen im Süden des Landes.

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Die Verhandlungsführer auf kongolesischer Seite forderten für die Lizenzen zwischenzeitlich 585 Millionen Dollar - das war den Katanga-Aufsichtsräten zu teuer. Sie schalteten den israelischen Geschäftsmann Dan Gertler ein, der schon seit Jahren dem Präsidenten des Landes persönlich nahestand. Die Vereinten Nationen nannten Gertlers Geschäfte bereits 2001 einen "Albtraum" für den Kongo. Die Katanga-Aufsichtsräte, einschließlich des Vertreters des Anteilseigners Glencore, beauftragten Gertler, mit den Behörden zu verhandeln.

Am Ende waren die Lizenzen fast um den Faktor vier billiger, auch im Vergleich zu dem, was die meisten Konkurrenten damals in ähnlichen Deals bezahlen mussten: Die kongolesische Bergbaugesellschaft unterschrieb den Vertrag, nach dem sie anstelle der von ihr erst geforderten 585 Millionen nur 140 Millionen Dollar bekäme. Gertler bestreitet, gegen Gesetze verstoßen zu haben; Glencore versicherte, der Betrag entspreche dem, was in einem früheren Stadium ausgehandelt wurde.

Ermittlungen gegen Glencore könnten sich schwierig gestalten

Im November verkündete der Konzern, dass die kanadische Börsenaufsicht gegen die Tochterfirma Katanga ermittelt, weil diese womöglich Korruptionsrisiken im Kongo nicht offengelegt habe. Jetzt gerät Glencore auch in der Schweiz unter Druck: Die Nichtregierungsorganisation Public Eye hat am Dienstag bei der Bundesanwaltschaft in Bern Strafanzeige gestellt. Es gebe "genügend Indizien, um eine Untersuchung zu eröffnen", erklärte die Organisation und verwies auch auf die Paradise Papers. Die Bundesanwaltschaft müsse "die Frage klären, ob Glencore seiner Pflicht zur Verhinderung illegaler Verhaltensweisen nachgekommen ist". Die Behörde bestätigte den Eingang der Anzeige, Glencore wollte sich am Dienstag nicht äußern.

Ob die Bundesanwaltschaft tatsächlich Ermittlungen aufnimmt, ist noch offen. David Zollinger, Ex-Staatsanwalt und Experte für Wirtschaftskriminalität, sagt: "Selbst wenn man einen Gerichtsstand in der Schweiz hat, wird ein Bundesanwalt nur gegen eine verdächtige Firma vorgehen, wenn es einen genügenden Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung gibt." Zur Beschaffung der Beweismittel brauche es "auch Rechtshilfe aus dem Land, in dem angeblich bestochen wurde. Das ist meistens viel einfacher, wenn eine neue Regierung an der Macht ist."

Doch ein Regierungswechsel im Kongo ist nicht in Sicht - auch wenn er laut Verfassung längst überfällig wäre: Die Amtszeit von Präsident Joseph Kabila endete vor einem Jahr; Neuwahlen, bei denen er nicht erneut antreten dürfte, verschieben die Behörden mit immer neuen fadenscheinigen Begründungen, Proteste werden gewaltsam niedergeschlagen. Kabila hat auch wirtschaftlich viel zu verlieren: Er und seine Familie sind laut Berichten inzwischen an mehr als 80 Unternehmen beteiligt - Farmen, Banken, Hotels, Minen. Sollten sich Schweizer Behörden verstärkt für Deals unter Kabilas Führung interessieren, könnte ihm das zusätzlich Grund geben, sich an die Macht zu klammern.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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