Süddeutsche Zeitung

Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann und Nexter:Krisen sind ihr Geschäft

Ein großer deutscher Rüstungskonzern lässt sich nicht schmieden. Deshalb soll es mit Nexter und Krauss-Maffei Wegmann nun einen deutsch-französischen geben. Beide Unternehmen stehen vor großen Problemen - nicht nur wegen Wirtschaftsminister Gabriel.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo und Klaus Ott

Wenn Frank Haun, der Geschäftsführer des Münchner Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann (KMW), aus seinem Berliner Büro blickt, schaut er auf den Reichstag, und auch zum Bundeswirtschaftsministerium ist es nicht weit. Oft hängt Hauns Geschäft von der politischen Wetterlage ab. Ob der Panzerbauer in Spannungsgebiete exportieren darf oder nicht, bestimmt die jeweilige Bundesregierung.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der knapp sieben Monate im Amt ist, will nicht nur auf dem Papier eine neue, eine andere Rüstungspolitik. Exportanträge sollen künftig viel restriktiver gehandhabt werden. Das kündigte er Haun an. Das sagte er auch den Vorstandsleuten anderer Rüstungskonzerne.

Das Kabinett Merkel III unterscheidet sich in diesem Punkt von den beiden Merkel-Vorgängerregierungen. "Sie sind doch sonst so pragmatisch", soll die Kanzlerin neulich zu Gabriel gesagt haben. "Bei diesen Geschäften nicht", soll der Sozialdemokrat geantwortet haben. Selbst über das Vorwort Gabriels für den jüngsten Exportbericht gab es Ärger mit dem Kanzleramt.

Sigmar Gabriel sträubt sich bei Exporten, nicht aber bei dieser Fusion

Als Haun aber neulich dem Wirtschaftsministerium berichtete, sein Unternehmen plane für 2015 eine Fusion mit dem staatlichen französischen Konkurrenten Nexter, stieß er auf Zustimmung. Die Spitze des Ministeriums hatte keine Einwände. Dann sprach Gabriel mit seinem französischen Amtskollegen Arnaud Montebourg über das Projekt. Bei Ausfuhrkontrollen werde es auch nach einer Fusion keine Erleichterung geben, erklärte Gabriel dem Franzosen, der Mitglied der Sozialistischen Partei Frankreichs (PS) ist. Egal ob in einer Holding oder in einer internationalen Kooperation: Die deutschen Exportrichtlinien bleiben in Kraft - das ist die Linie des Gabriel- Ministeriums.

Diese Vorgeschichte ist notwendig, um die allgemeinen Erklärungen, die am Mittwoch in Berlin zur geplanten Fusion verbreitet wurden, besser einordnen zu können. Von "europäischer Kooperation" war die Rede, von einem "sinnvollen Projekt", aber das Adjektiv "grundsätzlich" waberte verdächtig oft durch die Verlautbarungen.

Grundsätzlich ist die Zustimmung eher verhalten. Und ganz grundsätzlich ist der Markt, den Haun betreut, ein schwieriger Markt geblieben - Krisen sind sein Geschäft, und sein Geschäft ist in der Krise. Der "Verdrängungswettbewerb wird spürbar härter" sagte Haun schon vor Monate. Und daran würde auch eine Fusion nichts ändern: Umsätze fallen, Gewinne schrumpfen, Märkte brechen weg. Bei KMW ist seit 2008 der Umsatz von 1,4 Milliarden Euro auf rund 800 Millionen Euro zusammengeschnurrt. Die Bundeswehr spart, die Rüstungsbudgets anderer Nato-Staaten sind kleiner geworden, einst wichtige Abnehmer wie Griechenland oder Spanien haben kaum noch Geld.

Der Nahe Osten könnte ein blühender Markt sein, weil die Scheichs deutsche Qualität über alles schätzen und genug Geld haben, aber politisch sind solche Exporte sehr heikel. Das zeigt das Beispiel Saudi-Arabien: Riad bekam auch in den Zeiten der rot-grünen Koalition Maschinengewehre, Munition, Granaten und Raketenteile, aber den Leopard 2, den die Saudis unbedingt wollten, bekamen sie nicht. Rot-grün war gewissermaßen in der Tradition von Helmut Kohl, der sich zwar schon mal im Panzer fotografieren ließ, aber nie eine Genehmigung für eine Lieferung des Leopard an die Saudis gab. Lediglich bei Spürpanzern machte er mal eine Ausnahme. Damals gab es noch nicht den Leopard 2A7+ den die Saudis jetzt wollen.

Für diesen Panzertyp gibt es auch "Upgrades" wie ein Räumschild, mit dem man Demonstranten wegschieben kann. Auch Sicht der Saudis ist der Leopard weit besser als der Leclerc-Panzer von Nexter oder Fahrzeuge der amerikanischen Konkurrenz. Für den deutschen Panzerbauer KMW war es schon ein Riesenerfolg, dass die schwarz-gelbe Koalition 2011 auf Voranfrage eine Exportgenehmigung für 270 Leopard-Panzer in Aussicht stellte. Aber das Milliarden-Geschäft wird wohl nicht zustande kommen. Wichtige Berliner Politiker machen da nicht mit. Auch außerhalb des politischen Betriebs hagelte es Proteste. Die Saudis sollen über die Deutschen verärgert sein, heißt es. Jetzt kaufen sie sich wohl woanders Panzer.

Das Geschäft mit Waffen ist ein ewiges Auf und Ab. Die neunziger Jahre waren geprägt von Firmenschließungen und Fusionen. Ende des Jahrzehnts entstand KMW aus der Fusion der Wehrtechniksparte von Krauss-Maffei und dem in Kassel ansässigen Unternehmen Wegmann. Schon vorher hatte Rheinmetall den Kanonenhersteller Mauser sowie die Panzerschmieden MaK und Henschel gekauft. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde eine neue Rüstungsspirale in Gang gesetzt. Davon profitierten deutsche Unternehmen sehr stark. Aber auch in den besten Jahren der Branche wurde immer wieder über Zusammenschlüsse diskutiert.

Eigentlich wären Rheinmetall und KMW die natürlichen Partner. Sie arbeiten schon lange bei vielen Aufträgen zusammen, kooperieren etwa beim Leopard oder dem gepanzerten Transportfahrzeug "Boxer". KMW ist der Spezialist für Panzertechnologie, der Schwerpunkt von Rheinmetall liegt eher bei der Bewaffnung.

Aber eine deutsch-deutsche Fusion wurde immer ausgeschlossen - von KMW. Bei einer solchen Fusion wären die Panzerbauer aus München der kleine Partner. Der Rheinmetall-Konzern, der mit allen seinen Sparten rund 4,5 Milliarden Euro Umsatz erzielt, hätte wohl das Sagen. Und das lehnte die Familienholding Wegmann in Kassel, unter deren Dach KMW angesiedelt ist, strikt ab. Auch Haun ist dagegen. "Die jetzt angepeilte Fusion mit Nexter ist für KMW der falsche Weg" . An "einer Konsolidierung von KMW mit Rheinmetall führt kein Weg vorbei", sagte am Mittwoch Burkhart von Braunbehrens.

Der 73-Jährige war mal einer der Gesellschafter von KMW und hat sich den geballten Familienzorn durch Äußerungen über das Geschäft mit Leopard-Panzern für die Saudis zugezogen. Die Lieferung wäre unverantwortlich und "eine schlimme Antwort auf die arabische Rebellion", hatte er gemeint.

Krauss-Maffei leidet unter Familienzoff - und Korruptionsermittlungen

Braunbehrens wurde 2012 aus dem Gesellschafterrat geworfen und musste auch den Aufsichtsrat verlassen. Nachdem ein Schiedsgericht eingeschaltet worden war, übernahm die Familienholding Wegmann im Frühjahr dieses Jahres seine Anteile. Frieden gibt er nicht. Ober er aus Prinzip den anderen widerspricht oder ob er am Ende mit seiner Kritik an der geplanten Fusion recht behält, wird sich zeigen. Das Unternehmen Kraus-Maffei Wegmann, das durch Familienzoff und auch, wie berichtet, durch Ermittlungen deutscher und griechischer Staatsanwaltschaften wegen Korruptions-und Steuerdelikten erschüttert wird, musste irgendwie handeln und befindet sich doch weiterhin in einer schwierigen Lage.

Der französische Wunsch-Partner Nexter hat selbst mit vielen Problemen zu kämpfen. Auch in Frankreich steckt die Rüstungsindustrie in Problemen. Es wird interessant sein, was die Prüfung der Geschäftsbücher ergeben wird. Nexter ist etwa gleich groß wie der mögliche Partner aus Deutschland. Die Produktpaletten beider Unternehmen weisen nicht nur bei den Panzern Überschneidungen auf, sondern auch in anderen Bereichen. Und da ist noch der deutsche Minister Gabriel, den die Franzosen kaum kennen - und der so skeptisch ist bei Rüstungsexporten. In Frankreich dagegen war die Förderung der heimischen Rüstungswirtschaft auch immer eine Angelegenheit des Staates, während Gabriel die Branche nun seit Monaten dazu drängt, sich in zivilen Geschäftsfeldern breit zu machen.

Auf Sicht möchte der deutsche Vizekanzler die gesamte Exportpraxis verändern. Waffenexport soll nicht mehr unter Wirtschaftsförderung fallen, sondern Außen-und Sicherheitspolitik sein. Zuständig wäre dann das Auswärtige Amt. Auch die Franzosen werden sich, wenn es zur Fusion kommen sollte, also möglicherweise mit neuen Regeln der deutschen Politik auseinandersetzen müssen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2027649
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.07.2014/jasch
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.