Pannenhilfe des ADAC:Die "Gelben Engel" fühlen sich ausgebeutet

Mehr als vier Millionen ADAC-Einsätze 2016

Das Pannenhilfenetz des ADAC ist das größte in Deutschland, die Arbeit erledigen selbständige Unternehmen.

(Foto: dpa)
  • Der ADAC will die Bedingungen neu regeln, unter denen private Abschleppfirmen im Namen des Autoclubs arbeiten.
  • Ein Vertragsentwurf sieht höhere Fixkosten und mehr Kontrolle vor - und verbietet den Firmen jegliche Kritik am ADAC.
  • Die "Gelben Engel" sprechen von einem Knebelvertrag. Viele von ihnen fürchten um ihre Existenz.

Von Uwe Ritzer

Am Anfang des Gespräches habe ihnen der Mann vom ADAC noch geschmeichelt, erzählt die Seniorchefin. Gerade die kleinen Partner seien dem Automobilklub ganz besonders wichtig, und so. Dann aber sei die Stimmung schnell gekippt. Nämlich, als er gehört habe, dass die Schuberts mit ihrem kleinen Abschleppdienst in der tiefsten Provinz künftig nicht mehr jeden Tag rund um die Uhr für den ADAC Fahrzeuge bergen und abschleppen können, sondern nur noch tagsüber. Entweder ganz oder gar nicht, habe der Gebietsvertreter des ADAC sie vor die Wahl gestellt, sagt die Seniorchefin. Kurz darauf waren die Schuberts nach 35 Jahren keine "Gelben Engel" mehr.

So nennt der ADAC seine Pannenhelfer in den knallgelben Fahrzeugen, die 3,9 Millionen Mal pro Jahr ausrücken. Gut 40 Prozent der Einsätze fahren etwa 700 sogenannte SDI-Partner, allesamt Privatunternehmer wie die Schuberts. Ohne sie würde das größte Pannenhilfesystem Deutschlands zusammenbrechen.

"Gelbe Engel" hießen aber auch die Preise für Automarken, deretwegen der ADAC vor drei Jahren in Verruf geriet. Ein leitender Mitarbeiter hatte eine Preiskategorie jahrelang manipuliert. In der Folge kam noch mehr Fragwürdiges ans Licht und der ADAC beschloss, sich zu reformieren. Seit 1. Januar 2017 sind die Vereinsarbeit für Mitglieder und das schnöde Geschäft organisatorisch getrennt. Eines aber scheint noch größer zu sein als vor der Krise: der Ärger vieler Abschleppfirmen.

Bis zu 5000 Euro Strafe für eine öffentliche Beschwerde über den ADAC

Sie fühlen sich vom ADAC mehr denn je geknebelt, ausgebeutet und unfair behandelt. Schon 2014 schrieben sie deswegen einen neunseitigen Brief an die ADAC-Granden; er sei wirkungslos verpufft, sagen Abschleppunternehmer. Nun ist es ein Vertragsentwurf, der Protest provoziert. Er regelt die Bedingungen neu, unter denen die Unternehmer im Namen des ADAC Autofahrern helfen.

Der bis Ende 2016 als ADAC-Geschäftsführer zuständige Mahbod Asgari sagt, es gehe nur um "einheitliche Standards und Regeln für alle", weil manche Partner alte, andere neuere Verträge hätten. Kritiker sehen die Sache jedoch wie ein langjähriger ADAC-Abschlepper aus Süddeutschland: "Wenn der Vertrag so umgesetzt wird, fahren viele unserer Betriebe mit Vollgas an die Wand. Denn was da drin steht, ist für uns wirtschaftlich existenzgefährdend."

Der Unternehmer will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen; auch die Schuberts heißen in Wirklichkeit anders. Es herrscht Angst vor dem langen Arm des ADAC, der in der deutschen Pannenhilfe noch immer die größte Macht hat. Der Vertragsentwurf, an dem sich die Gemüter entzünden, ist als "vertraulich - nur für den persönlichen Gebrauch" deklariert. In Paragraf 19 will der ADAC, der eigentlich mehr Transparenz versprochen hat, künftig den Abschleppunternehmern Kritik verbieten. Wer sich öffentlich über den ADAC beschwert, dem drohen dann bis zu 5000 Euro Strafe.

Viele Pflichten und fast nichts zu melden

Wenn man das neue, inklusive Zusatzvereinbarungen und Anlagen etwa 300 Seiten starke Regelwerk überhaupt auf einen einfachen Nenner bringen kann, dann auf diesen: Der ADAC hat vor allem Rechte und diktiert die Regeln. Die Abschleppfirmen haben fast nur Pflichten und wenig zu melden. Es sind beispielsweise 13 Gründe aufgeführt, die eine außerordentliche Vertragskündigung erlauben. Kündigen darf aber streng genommen nur der ADAC. Andere Vorgaben gehen aus Sicht vieler Firmen ans Eingemachte.

So sollen sie an sieben Wochentagen rund um die Uhr einsatzbereit sein, im Gegenzug aber haben sie keinen exklusiven Anspruch mehr auf Aufträge in ihrem Zuständigkeitsgebiet. Bereitschaftszeit wird ohnehin nicht bezahlt. Die Pauschale pro Einsatz liegt zwischen 63 und knapp 89 Euro. Zu wenig, sagen Unternehmer. Genug, meint der ADAC. Dabei decken die Sätze nur gerade mal so die Selbstkosten der Firmen, wie der ADAC weiß. Nämlich aus einer Untersuchung der Business School Iserlohn, die er 2014 in Auftrag gegeben und mit internen Daten unterstützt hat.

Neue Pflicht-Software bringt offenbar lückenlose Überwachung

Vor allem kleine und mittlere Abschlepper beklagen, dass sie die Zusammenarbeit mit dem ADAC künftig mehr kostet. IT-Gebühren und Versicherungen sollen teurer werden, derweil sich der Autoklub etwa für die Bezahlung der Einsätze länger Zeit nehmen kann. Den Vorwurf, der ADAC mit seinen Milliardenrücklagen lange bei den SDI-Partnern kräftig hin, weist Manager Asgari zurück. "Wir verdienen mit der Pannen- und Unfallhilfe durch SDI-Partner kein Geld, es sind reine Kosten", sagt er. Werde der Vertrag umgesetzt, koste dies sogar gut eine Million Euro pro Jahr mehr. Außerdem, sagen andere ADAC-Vertreter, würden viele Firmen durch Folge-Reparaturaufträge der abgeschleppten Autofahrer gut verdienen.

Den Abschleppunternehmern geht es aber nicht nur um Geld. Sie werfen dem ADAC vor, ihre Betriebe kontrollieren und dort durchregieren zu wollen. So gehe mit der neuen, verbindlich vorgeschriebenen ADAC-Software die lückenlose Überwachung jedes Abschleppfahrers einher. "Damit überwacht der ADAC die Mitarbeiter von Fremdfirmen", kritisiert ein SDI-Partner und zweifelt, "ob das datenschutzrechtlich zulässig ist". Asgari weist böse Absicht von sich: "Wir haben überhaupt kein Interesse, einzelne Fahrer zu kontrollieren." Es gehe um Prozessoptimierung und Qualitätssicherung. Was man da plane, sei "in der Branche längst etabliert und Standard".

Dennoch herrscht Gesprächsbedarf. Eigentlich sollte der neue Vertrag von 1. April an gelten, doch daraus wird wohl nichts. Viele Abschleppfirmen, die künftig "Mobilitätspartner" heißen, verweigern ihre Unterschriften. Asgari beklagt "emotionale Reaktionen", die man so nicht erwartet habe. Schließlich habe der ADAC monatelang "ausführlich und transparent informiert." Viele Firmen seien "mit dem ADAC gewachsen". Künftig seien sie eben "nicht mehr nur als Abschlepper, sondern auch als Unternehmer gefragt."

Doch die Stimmung unter den "Gelben Engeln" ist miserabel. Von einem Knebelvertrag ist die Rede, der den Markt weiter bereinigen solle. Seit 2013 ist die Zahl der SDI-Partner von 1000 auf 700 gesunken. Künftig wolle der ADAC weniger und dafür größere Partner, für die sich die Arbeit dann auch lohne. Reihum geben kleine Firmen auf. Bisweilen spielen dabei auch Stilfragen eine Rolle. Auch bei den Schuberts. Statt eine Lösung zu suchen, habe ihr der ADAC-Vertreter sofort die Kündigung diktiert, sagt die Seniorchefin. Die habe sie dann brav abgetippt und losgeschickt.

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