Pannen bei Flughafen Berlin Brandenburg:Verzögerung bringt Firmen in Not

Sie haben Omnibusse gekauft, Kleidung ins Lager geräumt und Mitarbeiter eingestellt: Die Verzögerung beim Bau des neuen Berliner Flughafens wirbelt die Pläne dutzender Firmen durcheinander. Zwar hat Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit Hilfe versprochen - viele Unternehmen fürchten aber um ihre Existenz.

Von Constanze von Bullion, Caspar Busse, Jens Flottau, Michael Kuntz. Frederik Obermaier und Steffen Uhlmann

Kosten fuer Terminal am Hauptstadtflughafen verdoppeln sich

Noch nicht ganz fertig: Ein Mitarbeiter geht im Januar 2012 über das Rollfeld des neuen Berliner Flughafens. Die Verzögerungen stürzen viele Firmen in die Krise.

(Foto: dapd)

Die einen haben sich eine Busflotte zugelegt, andere Mitarbeiter eingestellt, manche einen festen Job gekündigt, um am Berliner Großflughafen (Kürzel: BER) neu anzufangen. Nun ist die Zukunft erst mal vertagt - auf März 2013. Für einige der rund 150 Firmen, die im Terminal eine Filiale oder ein Restaurant eröffnen wollten, könnte das teuer werden, manche fürchten um ihre Existenz. Flughafen-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit hat in einer Regierungserklärung versprochen: "Wir werden alles unternehmen, um eine Schadensminimierung zu erreichen."

Auch jenseits rechtlicher Ansprüche werde man Gewerbetreibenden mit "Härtefallregelungen" helfen. Gemeint sind da vor allem: kleine Firmen. Bei großen Ketten hingegen dürften die Flughafengesellschaft geneigt sein, sich aufs Juristische zurückzuziehen. 18 Monate lang haben die Firmen keinen Anspruch auf Entschädigung, so steht es in ihren Verträgen. Sie sind verpflichtet, darauf weist die Politik immer lauter hin, ihrerseits die Schäden möglichst gering zu halten. Wer auf Hilfe hoffen kann und wer klagen wird, ist offen.

Auf Verschleiß gefahren

Dienstagvormittag kurz vor elf Uhr. Die Lufthansa-Maschine aus München landet fast eine halbe Stunde verspätet in Berlin-Tegel. Für die kleine Entladungscrew des Bodenverkehrsdienstleisters Globe Ground wird es jetzt stressig. Die Rampe am Bauch des Flugzeugs wird positioniert. Dann hinein in den Laderaum, um die Gepäckstücke in Windeseile herauszuhieven. Viel Handarbeit, ein Knochenjob. Die Reisenden für den Rückflug warten schon. Gott sei Dank haben die meisten von ihnen nur Handgepäck - es ist ein Inlandflug. Bis zu acht Tonnen Gewicht, das sind im Durchschnitt etwa 200 Koffer pro Maschine, bewegen die Globe-Männer pro Schicht. Demnächst wird es noch enger, weil Tegel mehr Flüge abfertigen muss. Abstellplätze fehlen, es gibt zu wenig Kofferbänder, sie sind noch dazu stark reparaturbedürftig. Globe-Ground-Geschäftsführer Bernhard Alvensleben macht daraus auch keinen Hehl. Die Technik sei in den vergangenen Jahren nur noch wenig gewartet worden, sagt er. Wegen der anstehenden Eröffnung des neuen Flughafens sei in Tegel alles auf Verschleiß gefahren worden.

Besser eine Stunde früher

Flugkapitän Thomas Kärger rät allen Reisenden, die über Tegel weg wollen, möglichst frühzeitig zum Flughafen zu kommen: "Am besten eine Stunde früher als sonst." Denn nicht nur die Technik sei alt, es fehle offensichtlich auch an Personal. Zudem habe er den Eindruck, dass viele Mitarbeiter der Bodenabfertigung wenig motiviert seien. Sie fühlten sich oft, so Kärger, "schlecht behandelt und schlecht bezahlt". Die Flughafengesellschaft geht davon aus, dass sie bei Nutzung "aller irgend möglichen Restkapazitäten" den eigentlich für BER vorgesehenen Flugplan in Tegel und Schönefeld (alt) bewältigen kann. Auch der Globe-Ground-Chef glaubt das. "Wir sind zwar von der Terminverschiebung total überrascht worden und müssen nun komplett umplanen", sagt Alvensleben. Aber ein "Chaos" werde es nicht geben.

Verdrängungswettbewerb

Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr will sich auf Wowereits Zusage verlassen, dass seine Airline auch in Tegel die für den neuen Flughafen geplanten Flüge durchführen kann. Die Sache hat allerdings einen Haken: Das klappt nur, wenn andere Fluggesellschaften für ein paar Monate nach Schönefeld ausweichen. "Einfach on top wird das nicht gehen", sagt Spohr. Dafür sei Tegel "einfach zu klein". Konflikte sind vorprogrammiert. Viele wollen nicht umziehen. Air Baltic, Air France und einige andere Airlines haben dem Flughafen bereits klar zu verstehen gegeben, dass sie nicht nach Schönefeld gehen werden. Ein Branchenkenner verweist zudem darauf, dass es nicht einer gewissen Logik entbehren würde, wenn Lufthansa selbst nach Schönefeld ausweichen würde. Immerhin ist dort bereits die Billigflug-Tochter Germanwings aktiv, die Streckennetze sollen sowieso besser harmonisiert werden. Lufthansa lehnt aber so einen Schritt ab und besteht auf Tegel. Air Berlin rechnet gleichzeitig fest mit einem Ersatz der Mehrkosten durch die Verzögerungen. "Wir gehen nach wie vor nicht davon aus, dass es hier finanzielle Nachteile für Air Berlin geben wird und geben kann", sagt Firmenchef Hartmut Mehdorn.

Drei Busse zuviel

Glimpflich ging für das Berliner Busunternehmen Haru nur die Sache mit den Flyern aus. 100 000 Stück hatte Geschäftsführer Karsten Schulze bestellt, sie sollten für den Airport-Shuttle von Steglitz zum neuen Großflughafen werben - und zwar "ab 3. Juni 2012". Den Druck konnte Schulze noch stoppen, "wir hatten aber schon entsprechende Omnibusse gekauft und entsprechende Leute eingestellt", klagt der Unternehmer. Die drei Busse - Stückpreis 250 000 Euro - stehen jetzt auf dem Firmenparkplatz. Pro Monat koste der verzögerte Umzug das Busunternehmen nach eigenen Angaben 22 000 Euro. Wie viel davon der Flughafenbetreiber übernimmt, ist noch unklar. Die Flyer für seinen Flughafen-Shuttle will Schulze erst kurz vor dem neuen Eröffnungstermin drucken lassen. "Das Datum lasse ich diesmal besser weg."

Saisonware Strampler

In zwei Tagen hätte Béatrice Posch loslegen wollen, denn so war es vereinbart: Am 25. Mai wollte sie in ihr neues Geschäft einziehen, pünktlich am 3. Juni hätte "Die kleine Gesellschaft" dann eröffnen sollen. Auf 60 Quadratmetern wollte Posch Spielzeug und Strampler verkaufen, die 40-Jährige hatte extra einen Kredit aufgenommen. Die Verträge von fünf Angestellten waren schon unterschrieben. Auch Ware im Wert von etwa 50 000 Euro hatte sie bereits bestellt. Die Lieferungen zu stornieren, war allerdings nur beim Spielzeug möglich. "Die Kleidung ist Saisonware, da fallen 30 Prozent Stornogebühren an." Insgesamt mache das einen Verlust im vierstelligen Bereich - "und zwar locker".

Eines von 200 Boss-Geschäften

Aus dem schwäbischen Metzingen in die Welt: Die Modefirma Hugo Boss ist quasi auf jedem wichtigen internationalen Flughafen präsent. Hier läuft die Kundschaft rum, warum nicht mal schnell zwischen zwei Flügen ein Hemd oder einen Anzug kaufen, ein Geschenk als Mitbringsel? 200 Airport-Geschäfte von Hugo Boss gibt es weltweit. Der Laden im Shoppingbereich von BER soll mehr als 200 Quadratmeter groß sein - und damit zu den geräumigeren gehören. Jetzt macht die Anzugfirma erst mal in Tegel weiter. Bisher sei das alles "sehr ärgerlich", heißt es bei Boss, aber noch entstehe "kein signifikanter Schaden".

Gratis-Werbung für Sixt

Ich bemitleide die Geschäftsführung des Flughafens Berlin", sagt Autovermieter Erich Sixt. Aus Erfahrung kann er sich nicht an ein eigenes Bauprojekt erinnern, das termingerecht erstellt wurde. "Und dann kommen diese unsäglichen Vorschriften hinzu, die es speziell in Deutschland gibt." Die Bürokraten seien immer gut für Überraschungen. "Ich könnte selbst ganze Romane schreiben, was man mit den Behörden so alles erlebt." Ein Flughafenprojekt enthalte viele solcher Risiken. Vor diesem Hintergrund ist Sixt dann "schon ziemlich entsetzt" über Rücktrittsforderungen an die Adresse der Verantwortlichen der Flughafengesellschaft. "Ich teile diese Schelte nicht." Finanziell habe die Verschiebung der Eröffnung für die Sixt AG keine Folgen, eher im Gegenteil: "Die Bauarbeiter können jetzt Sixt-Werbung besichtigen." Die Fluggastbrücken seien bereits mit Sixt-Sprüchen "angepinselt", auch andere Werbeflächen schon montiert. "Wir zahlen dafür nix", lacht Sixt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: