Panama Papers:"Wir rollen Steuerkriminellen den roten Teppich aus"

Frankfurt

Skyline von Frankfurt - viel Schwarzgeld in Deutschland soll in Immobilien fließen

(Foto: dpa)

Ist auch Deutschland eine Steueroase? Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit hält die Bundesrepublik für einen Teil des Problems.

Von Vanessa Wormer

SZ: Gerade reden alle über das mittelamerikanische Land Panama. Sie bezeichnen auch Deutschland als Steueroase. Warum?

Markus Meinzer: Steueroasen ermöglichen Ausländern, Gesetze ihrer Heimatländer zu brechen. Nach dieser Definition ist Deutschland eine Steueroase. Wir rollen Steuerkriminellen den roten Teppich aus, etwa weil Ausländer keine Steuer auf Zinserträge in Deutschland bezahlen müssen und eine Meldung ans Heimatfinanzamt unterbleibt. Außerdem haben deutsche Banker keinerlei Sanktionen zu befürchten, selbst wenn sie wissentlich und vorsätzlich bei der Hinterziehung ausländischer Steuern behilflich sind. Alle verfügbaren Studien zeigen: Wenn Menschen ihr Geld über die Grenze bringen, ist Steuerhinterziehung die Regel und nicht die Ausnahme. Damit ist Deutschland nicht nur Opfer von Steueroasen, sondern Teil des Problems.

Welche Rolle spielen deutsche Banken im internationalen Offshore-System?

Der deutsche Bankensektor hat eine Scharnierfunktion zwischen Ost und West. Deutsche Banken sind das wichtigste Tor zum Euro-Währungsraum, zum Beispiel für Banken aus Osteuropa. Wir wissen, dass einige Despoten und Diktatoren auf deutschen Konten große Vermögen im Euro-Raum gehalten haben, zum Beispiel Hosni Mubarak aus Ägypten, Iraks Saddam Hussein, der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, Ben Ali aus Tunesien. Die deutschen Banken sind in diesen Fällen oft Mithelfer dieser Diktatoren und Kleptokraten, wenn sie das Geld annehmen und die Herkunft nicht ordentlich überprüfen.

Stellen Sie Banken damit nicht unter Generalverdacht?

Die Prüfungen sind offensichtlich sehr nachlässig. Eigentlich sind deutsche Banken verpflichtet, genau hinzuschauen und zu recherchieren, woher das Geld stammen könnte. Doch im Zweifelsfall wird das Geld angenommen, weil man den Kunden nicht an die Konkurrenz verlieren will. Und wenn doch mal ein Diktator auffliegt, werden Gelder hektisch eingefroren, aber die Politik schweigt zur Frage, ob diese Gelder überhaupt hätten angenommen werden dürfen. Weder die Regierung noch die Aufsichtsbehörde Bafin nennen Namen oder Beträge, behördliche Untersuchungen unterbleiben. So gibt es keine Aufklärung darüber, wie die Banken hier arbeiten. Die Bußgelder zahlen die Banken aus der Portokasse. Es ist ein Tabuthema.

Was müsste sich ändern?

Es gibt für Banken keinerlei Anreize, ihr Verhalten zu ändern, solange diese Art von Fehlverhalten in Deutschland weder strafrechtlich verfolgt noch an die Öffentlichkeit gebracht wird. Reputationsschäden durch Veröffentlichung von Details zu den Verstößen und Gefängnisstrafen für Banker sind die einzigen Mittel, die helfen. Leider besteht die Gefahr, dass die Bafin zum Lakaien der Finanzindustrie wird, weil die Aufsichtsbehörde weder über ausreichende Sanktionsmöglichkeiten verfügt, noch gewillt scheint, die bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Das Finanzministerium, eigentlich mit der Aufsicht über die Bafin beauftragt, legt auf Leitungsebene ein Desinteresse an Geldwäsche an den Tag und hält das zuständige Referat personell viel zu kurz.

Geldwäsche wird demnach in Deutschland zu schwach geahndet?

Ja. Es bestehen massive Gesetzeslücken, etwa bei der Verfolgung des organisierten Verbrechens und der Abschöpfung von Mafia-Vermögen, aber auch bei der Definition der Straftaten, die als Geldwäsche gelten. Die häufigsten Korruptionsstraftaten nämlich fehlen in der deutschen Definition für Geldwäsche. Was den Gesetzesvollzug und die Aufsicht durch Behörden angeht sind die Probleme noch gravierender. Im Nicht-Bankensektor etwa - also bei Notaren, Immobilienmaklern oder Luxusguthändlern - sind Geldwäschemeldungen eine Seltenheit. Auch die behördliche Aufsicht ist im Nicht-Bankenbereich hoffnungslos zersplittert, obwohl dort laut jüngsten Studien ein ebenso großes Geldwäscherisiko besteht wie im Finanzsektor.

In welchem Maß werden Briefkastenfirmen für Geldwäsche eingesetzt?

Sie spielen eine zentrale Rolle, weil sie billig und einfach zu gründen sind. Sie werden überall rechtlich anerkannt und erlauben den wahren Eigentümern, unerkannt im Hintergrund zu agieren und im Zweifelsfall sogar straflos auszugehen. Im deutschen Immobilienbereich können wir den Verbreitungsgrad einschlägiger Offshore-Firmen nicht beziffern, weil das Grundbuch anders als in Großbritannien in Deutschland nicht öffentlich einsehbar ist. Das verhindert, dass man eine robuste Aussage darüber treffen kann, wie stark das Problem gewachsen ist, wo es verstärkt auftritt, und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen.

Justizminister Heiko Maas fordert jetzt ein Transparenzregister, das alle Eigentümer von Briefkastenfirmen offenlegen soll. Warum ist das wichtig?

Die fehlende Transparenz ist bisher die Achillesferse bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Es wäre ein entscheidender Schritt, die wirtschaftlich Berechtigten von Firmen, Stiftungen und auch Immobilien ausnahmslos in einem öffentlich zugänglichen Register zu identifizieren. Laut der 4. EU-Geldwäscherichtlinie muss Deutschland wie alle EU-Staaten bis 2017 ein Register einrichten, aus denen dann immerhin der wahre Eigentümer einer Firma hervorgeht. Allerdings bietet dies weiterhin Schlupflöcher für Strohmänner und Stiftungen. Die deutsche Regierung hat durchgesetzt, dass dieses Register nicht zwingend öffentlich sein muss, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen einsehbar sein wird. Die Niederlande und Großbritannien haben im Unterschied zu Deutschland beschlossen, die Register ganz offenzulegen. Der von Maas nun ins Gespräch gebrachte Vorstoß ist eine dreiste Mogelpackung. Das gefeierte neue Register weicht in Wahrheit in keinem Punkt von den Minimalvorgaben aus der EU ab und lässt die Öffentlichkeit weiterhin außen vor. Damit wird genau die entscheidende Transparenz verhindert, welche die Bundesregierung im Zuge der Panama Papers vorgibt zu begrüßen. Hier klafft zwischen Worten und Taten der Regierung eine skandalöse Lücke. Die deutsche Regierung muss ihre Blockaderolle dringend aufgeben - sie ist derzeit wieder Hauptursache dafür, dass die Transparenzvorschläge des EU-Parlaments verwässert werden.

Warum tut sich die Bundesregierung mit der Transparenz so schwer?

In Deutschland ist Geld ein Tabuthema und darüber hinaus spielt der Schutz der Privatsphäre historisch bedingt eine große Rolle. Es gibt eine Skepsis gegenüber staatlich verordneter Transparenz. Meiner Meinung nach handelt es sich hier aber um einen Trugschluss. Eine maßvolle, öffentliche Transparenz ist in diesem Bereich essenziell zum Erhalt der Demokratie. Das Zerrbild eines Überwachungsstaats wird hier reflexartig bemüht und verkennt dabei, dass die größte Gefahr für die Demokratie längst von der mangelnden Rechenschaftspflicht einer kleinen Wirtschafts- und Finanzelite ausgeht, die bestens in die Politik, Justiz und Verwaltung vernetzt ist. Wir erleben eine Refeudalisierung, weil ein kleiner Bevölkerungsteil sein Eigentum unter Ausschluss der Öffentlichkeit horten kann. Die zunehmende Konzentration des Reichtums in den Händen weniger ist nicht verfassungskonform und bereitet den Nährboden für politischen Extremismus.

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