Süddeutsche Zeitung

Folge der Panama Papers:Plötzlich doch Ermittlungen

  • Wirtschaftskriminelle hatten in der Steueroase Panama lange wenig zu befürchten von den zuständigen Behörden.
  • Die Panama Papers brachten das Ausmaß der Machenschaften ans Licht. Nun gehen die Ermittlungen voran.
  • Ein panamaischer Staatsanwalt arbeitet dafür mit deutschen Behörden zusammen und will 26 Männer und Frauen vor Gericht bringen.

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Ein Staatsbesuch ist es nicht ganz, aber schon sehr nah dran. Die panamaische Generalstaatsanwältin Kenia Porcell ist mit ihrem wichtigsten Staatsanwalt Rómulo Bethancourt und eigener Delegation nach München gereist, wo sie mit den Spitzen der Münchner Staatsanwaltschaft zusammentraf, sowie Vertretern des Bundeskriminalamts. Der Grund dieser Reise: die Panama Papers, jener Datenberg, der vor einigen Jahren der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurde und zeigte, wie Kriminelle, Politiker und Prominente mit Hilfe der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca ihr Geld verstecken. Zumindest die Strafverfolgungsbehörden der beiden Länder zeigen sich fest entschlossen, gemeinsam die Verantwortlichen von Mossack Fonseca und deren Kunden zur Rechenschaft zu ziehen.

Das ist neu. Früher machten sich die Zuständigen in der Steueroase Panama nicht einmal die Mühe, Anfragen deutscher Behörden zu beantworten. Erst recht nicht, wenn es um Wirtschaftskriminalität ging, also beispielsweise um Geldwäsche oder Steuerhinterziehung.

Aber nach den Panama Papers passierte sehr viel Überraschendes gleichzeitig, rund um die Welt: Es gab Massendemonstrationen und Rücktritte von Premierministern, Verhaftungen und Durchsuchungen, Gesetzesänderungen. Und noch etwas passierte, mit dem viele Beobachter noch weniger gerechnet hatten: Die panamaische Staatsanwaltschaft wurde aktiv - und wie.

36 Stunden lang durchsuchten Fahnder die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, schleppten Säcke voller Akten heraus, kopierten Serverdaten und vernahmen Angestellte. Und als man sich einige Monate später noch fragte, ob die Aktion vielleicht doch mehr Show als Strafverfolgung gewesen sein könnte, wurden sogar die Gründer der Kanzlei vorübergehend ins Gefängnis geworfen, die Anklagen gegen die beiden sind geschrieben. Die panamaische Staatsanwaltschaft scheint es ernst zu nehmen.

Dieser Eindruck verfestigt sich nach einem einstündigen Gespräch mit Rómulo Bethancourt, dem Leiter der Abteilung für Geldwäsche und Organisierte Kriminalität. Er ist der Mann, der die Ermittlungen in Sachen Mossack Fonseca in der Hand hält. Bethancourt schwärmt von seinem Team, das mit Ermittlern aus Brasilien im größten lateinamerikanischen Korruptionsskandal - der sogenannten Operation "Lava Jato" - zusammenarbeite. Sie hätten außerdem etliche Millionen Dollar beschlagnahmt, mit dem ecuadorianische Beamte bestochen werden sollten.

Vor allem aber schwärmt Bethancourt von der Zusammenarbeit mit Ermittlern weltweit. Rund 70 Rechtshilfeersuchen seien eingegangen, etwa aus Frankreich, Kolumbien, den USA und den Niederlanden. "Beinahe alle" seien positiv beschieden worden. Seine eigenen Leute wiederum hätten 42 Rechtshilfeersuchen an 30 Länder verschickt. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden, die nach eigenen Angaben seit einigen Monaten im Besitz von internen Mossack-Fonseca-Unterlagen sind, sei "sehr fruchtbar". Was das genau bedeute, lässt Bethancourt im Dunklen, die Zusammenarbeit sei nun mal vertraulich.

Der Kampf gegen den kriminellen Teil des panamaischen Finanzsektors, das ist Bethancourt wichtig, habe schon vor den Medienberichten begonnen. Aber er erwähnt immer wieder den Abend des 3. April 2016 als entscheidenden Wendepunkt, der diesen Kampf wirklich vorangebracht habe. Das war der Zeitpunkt der ersten Panama-Papers-Veröffentlichungen. Die Enthüllungen erschütterten das ganze Land. Die Zeitungen berichteten wochenlang über die neuesten Entwicklungen, Tausende Menschen demonstrierten gegen Korruption - und allmählich wackelte auch die Darstellung der Mossack-Fonseca-Eigentümer, wonach die Enthüllungen ein Angriff, ja gar eine Verschwörung gegen das ganze Land seien.

"Uns geht es einzig und allein um Recht und Gesetz"

Staatsanwalt Bethancourt, ein Mann, der seine Worte genau wählt und zur Sicherheit gleich mit zwei Übersetzern am Tisch sitzt, sagt dazu nur: "Uns geht es bei den Ermittlungen einzig und allein um Recht und Gesetz." Die Ermittlungen schritten voran, auch wenn sie "sehr komplex" seien. Das ist eine nette Umschreibung. Schließlich ist Panama ein Land, das von einer verschworenen Elite aus Wirtschaft und Politik regiert wird, in der auch die Mossack-Fonseca-Eigentümer Jürgen Mossack und Ramón Fonseca sehr einflussreich waren.

Die Betonung liegt auf: waren. Die beiden stehen dem Vernehmen nach nämlich ganz oben auf der Liste jener 26 Männer und Frauen, die Bethancourt vor Gericht sehen will. "Wir erwarten, dass die Gerichtsverhandlungen im nächsten Jahr beginnen", sagt der Staatsanwalt. Auf seiner Liste sind nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auch zwei Deutsche: Axel Gauster und Dirk Brauer. Die beiden arbeiteten bei der Mamsa genannten internen Privatbank von Mossack Fonseca, die laut den Panama Papers allerlei vermögende Kunden bei ihren offensichtlich illegalen Aktivitäten unterstützten.

Für eine Anfrage waren beide nicht zu erreichen. Brauer wurde vor einigen Wochen in Paris festgenommen, derzeit erörtern seine Auslieferung offenbar die französischen und deutschen Behörden mit den Amerikanern, die ihn jüngst in einem separaten Panama-Papers-Verfahren angeklagt haben. Die Spur seines Kompagnons Gauster verlief sich indes zunächst in Lateinamerika. Gerüchten zufolge soll er jedoch jüngst nach Deutschland gereist sein. Auch hier, soviel ist angesichts seiner Aktivitäten bei Mossack Fonseca anzunehmen, dürften sich die Ermittler brennend für ihn interessieren.

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SZ vom 09.01.2019/vwu
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