Panama Papers:Nein, nein, nein, nein, nein - oder doch

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Islands Präsident beteuert, seine Frau habe nichts mit Offshore-Geschäften zu tun. Doch nun wird publik: Die First Lady hatte Verbindungen zu mehreren Briefkastenfirmen.

Von Silke Bigalke, Stockholm, und Bastian Obermayer, München, Stockholm/München

Am Ende schob Sigmundur Gunnlaugsson alles auf seine Frau. Die Briefkastenfirma Wintris gehöre seiner Frau, nicht ihm, argumentierte der Ministerpräsident von Island. Doch es half alles nichts: Er musste zurücktreten.

Auch Ólafur Grímsson, der Präsident von Island, hat nun ein Problem mit Offshore-Geschäften. Und er lässt ebenfalls ausrichten: Das seien die finanziellen Angelegenheiten seiner Frau, er und die First Lady lebten "unabhängige Leben".

Aber werden die Isländer ihm das glauben? Werden sie hinnehmen, dass seine Frau gleich bei mehreren Briefkastenfirmen als Begünstigte auftaucht, nicht bloß bei einer wie im Fall des zurückgetretenen Ministerpräsidenten?

Die Verbindung der First Lady zu zwei Offshore-Firmen und fünf Offshore-Konten geht aus den sogenannten Swiss-Leaks hervor, einem Datensatz, den die Süddeutsche Zeitung und der Guardian schon vor gut einem Jahr erstmals ausgewertet haben; und den sie sich nun, nach den Enthüllungen der Panama Papers über Islands politische Elite, nochmals angeschaut haben.

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In diesen geleakten Dokumenten, die aus der Schweizer Niederlassung der Bank HSBC stammen, taucht der Name von Dorritt Moussaieff, der Frau des Präsidenten, gleich mehrmals auf.

Kandidatur angekündigt

Erst vor zwei Wochen hatte Grímsson angekündigt, nach 20 Jahren im Amt nochmals als Präsident zu kandidieren. Er wolle dem Land nach den Panama Papers Stabilität verleihen. Kurz nach dieser Ankündigung lud CNN den 72-jährigen Politiker zum Interview, Star-Moderatorin Christiane Amanpour fragte ihn: "Haben Sie irgendwelche Offshore-Konten?" Und: "Hat Ihre Frau irgendwelche Offshore-Konten? Gibt es da irgendwas, was über Sie und Ihre Familie ans Licht kommen könnte?" Der Präsident antwortete: "Nein, nein, nein, nein, nein. Das wird nicht der Fall sein."

"Hat Ihre Frau irgendwelche Offshore-Konten?", fragt CNN-Moderatorin Christiane Amanpour: "Nein, nein, nein, nein, nein", versichert Islands Präsident. (Foto: CNN)

Fünfmal Nein. Und doch scheint die Familie von Grímssons Frau mit mehr Offshore-Konten verbunden gewesen oder noch immer zu sein, als er "Neins" in seine Antwort gepackt hat. Die Dokumente aus den Swiss-Leaks ergeben zusammen mit den Panama Papers ein klares Bild: Die Familie der First Lady - und auch sie selbst - nutzte demnach in größerem Ausmaß Offshore-Konstrukte. Dorritt Moussaieff ist die Tochter eines sehr wohlhabenden israelischen Diamantenhändlers. Allein sie war mit mindestens fünf Schweizer HSBC-Konten und zwei Offshore-Firmen verbunden. Ihre Familie, die Eltern und zwei Schwestern, hatten zumindest um 2006 und 2007 offenbar bis zu 80 Millionen Dollar bei der HSBC.

Sowohl der Besitz von Offshore-Firmen als auch der von Konten in der Schweiz ist grundsätzlich legal. Die Frage ist eher, wie Islands Bevölkerung auf die neuerlichen Enthüllungen reagieren wird. Das Land ist seit den Panama Papers in Aufruhr; sechs Rücktritte gab es bereits, neben dem Premier musste etwa auch der Geschäftsführer der Fortschrittspartei gehen.

Ólafur Ragnar Grímsson war in diesen Wochen einer der entscheidenden Männer. Der Präsident residiert etwas außerhalb von Reykjavik, in einem weiß gestrichenen Herrenhaus am Meer, malerisch gelegen. In der Chaoswoche nach Bekanntwerden der Panama Papers sind die Journalisten immer wieder dort hinaus gefahren. Es ging damals nicht um den Präsidenten, sondern um den Ministerpräsidenten, den Finanzminister, die Innenministerin. Sie waren wegen Briefkastenfirmen in Bedrängnis geraten, die Regierung steckte in der Krise. Der Präsident steht in Island über der Regierung. Es ist unüblich, dass er sich in die Tagespolitik einmischt. Grímsson hat sich darum selten geschert. Er hat es immer verstanden, sich in den Vordergrund zu drängen.

In jener Krisenwoche fing das schon montags an, am Tag nach der Enthüllungssendung über die Offshore-Firma des Premiers: Da sprach man im Regierungsviertel vor allem darüber, dass Grímsson seine USA-Reise abrechen und nach Hause eilen würde. Am Dienstag verweigerte Grímsson dem Premier die Erlaubnis, das Parlament aufzulösen, was diesen letztlich dazu zwang, sein Amt abzugeben. Am Mittwoch wurde über ein neues Kabinett verhandelt, dem Grímsson am Donnerstag zustimmte. Nachmittags lud er noch die drei jungen Isländer ein, die die täglichen Massenproteste vor dem Parlament organisierten. Er machte Schlagzeilen, jeden Tag. Und sagte dann im CNN-Interview über die Massenproteste: "Ein Grund, warum die Leute auf die Straße gegangen sind, war die moralische Empörung." Und nun also seine Frau.

Doritt Moussaieff heiratete erst 2003 den Präsidenten. Es ist seine zweite Ehe. Grímssons erste Frau starb im Jahr 1998 an Leukämie. Schon vergangene Woche hatten die SZ und isländische Medien aufgedeckt, dass die Eltern der First Lady eine Offshore-Firma bei der Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama gehalten hatte - über ihre Diamantenhandlung in London.

Nun allerdings ist Doritt Moussaieff selbst betroffen, und zwar mit Offshore-Verbindungen aus einer Zeit, in der sie schon mit Grímsson verheiratet und First Lady war. So wurde Moussaieff in den HSBC-Daten zusammen mit ihrer Schwestern als Begünstigte einer Offshore-Firma namens Jaywick Properties und des Moussaieff Sharon Trust geführt. Sie hatte außerdem eine Verbindung zu einer Stiftung namens Mrs S Levontin Trust, die um 2006 und 2007 bis zu zwei Millionen Dollar auf sechs Konten besaß - benannt offenbar nach ihrer Schwester Sharon Levontin.

Er habe keine Informationen über die finanziellen Angelegenheiten seiner Frau, sagt der Präsident

Außerdem wurde die First Lady ausweislich der Swiss-Leaks-Dokumente auch noch als sekundäre Begünstigte der Firmen Easton Investments Inc. und Elyakeen Limited geführt. Letztere war, ebenso wie die Briefkastenfirma ihrer Eltern, bei der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca registriert. Deren interne Dokumente, die Panama Papers, zeigen, dass die Firma neben dem HSBC-Konto auch über Konten bei der Deutschen Bank, der Royal Bank of Scotland und der Mercury Bank Zürich verfügte. In einem weiteren Dokument ist die Rede von einem Darlehen von rund 13 Millionen Britischen Pfund, das aus Steuergründen aufgenommen werden sollte.

Der Präsident erklärte dazu: "Präsident Grímsson hat nicht und hatte zu keiner Zeit irgendwelche Informationen über die finanziellen Angelegenheiten seiner Frau oder anderer Mitglieder der Moussaieff- Familie." Auch die First Lady ließ über einen Anwalt ebenfalls mitteilen, dass die beiden "ihre finanziellen Dinge separat regeln" und keiner von ihnen entsprechende Kenntnisse über den anderen habe. Moussaieff halte sich bei ihren privaten Finanzgeschäften an alle relevanten Steuer- und Rechtsvorschriften.

Was aber wird Grímsson tun, sollte die moralische Empörung seiner Landsleute diesmal ihn treffen? Er gilt als unberechenbar und kündigte in den vergangenen Jahren schon zweimal seinen Rücktritt an. Das erste Mal 2012 in seiner Neujahrsansprache. Er blieb dann aber doch, weil viele Isländer ihn wegen der großen "Unsicherheit" nach der Finanzkrise darum gebeten hätten. Auch 2016 sagte Grímsson in seiner Neujahrsansprache, er werde nicht mehr antreten. Und dann, vor zwei Wochen, die neuerliche Kehrtwende: Er werde doch kandidieren, um dem Land zu helfen.

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Der Professor für Politikwissenschaften ist früh in die Politik gegangen. Er begann in der liberal-konservativen Fortschrittspartei, die vor allem die Interessen der Bauern und Fischer vertritt. Grímsson saß im Vorstand, wechselte dann zur linken Splitterpartei "Union der Liberalen und Linken", mit der er es ins Parlament schaffen wollte. Dies gelang ihm erst später in der Volksallianz, einer Partei mit kommunistischen Wurzeln. Neun Jahre war Grímsson Abgeordneter, drei Jahre Finanzminister.

Birgitta Jonsdottir, die Parteichefin der Piratenpartei, meint über den Präsidenten, der sich immer wieder bitten lässt, er leide "an schwerer Hybris". Und Thorvaldur Gylfason, der als Chef des Verfassungsrats eine neue Verfassung erarbeiten sollte, die Grímsson dann nicht unterstützte, sagte nach dessen erneuter Kandidatur: "Der Präsident ist Teil einer politischen Klasse, die Island eine Menge Schaden eingebracht hat. Es wäre gut für Island, einen neuen Präsidenten zu haben."

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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