Süddeutsche Zeitung

Panama Papers:Jagd auf den dritten Mann

Der Schweizer Christoph Zollinger war einer der Chefs bei der Panama-Papers-Firma Mossack Fonseca. Er stieg vor dem großen Skandal aus. Nun holt ihn seine Vergangenheit ein.

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Als 2016 die Panama Papers veröffentlicht wurden, standen zwei Männer als enttarnte Strippenzieher im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit: Jürgen Mossack und Ramón Fonseca, die Namensgeber der Skandalkanzlei Mossack Fonseca. Die Rolle der beiden Männer wurde in Hunderten Artikeln beschrieben, in etlichen Büchern und TV-Beiträgen beleuchtet und inzwischen sogar in einem Hollywood-Film von Steven Soderbergh verewigt. Seit Herbst 2020 gibt es gegen die beiden in Panama ansässigen Männer auch einen in Deutschland ausgestellten internationalen Haftbefehl.

Für den zeitweiligen dritten Miteigentümer der Kanzlei sprang nicht einmal eine Nebenrolle heraus. Der Schweizer Christoph Zollinger war ein paar Jahre vor den Panama-Papers-Veröffentlichungen aus der Kanzlei ausgestiegen - und hatte die Verantwortung für die Vorgänge auch stets von sich gewiesen. Aus den der Süddeutschen Zeitung zugespielten Panama Papers ging aber immer klar hervor: Zollinger war der dritte Mann bei Mossack Fonseca. Einstige Kollegen bezeichnen ihn gar als die treibende Kraft.

Nun erfuhren SZ, NDR und WDR, dass seine Rolle zumindest auf eine Weise doch noch gewürdigt wird: Auch Christoph Zollinger wird inzwischen international gesucht - wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der 52-Jährige lebt längst wieder in der Schweiz, er ist vom deutschen Gerichtssystem nicht annähernd so weit entfernt wie seine ehemaligen Miteigentümer bei Mossack Fonseca, die sich weiterhin in Panama aufhalten sollen, wo sie vor einiger Zeit auch angeklagt wurden.

Damit könnte sich jetzt auch die Nummer drei, der Mann im Schatten, plötzlich im Scheinwerferlicht finden: Sobald er die Schweiz verlässt - ob zum Einkaufen nach Österreich oder zum Strandurlaub nach Italien -, muss er mit seiner Festnahme und einer Auslieferung nach Deutschland rechnen. Damit nicht genug dürften sich auch amerikanische Fahnder für ihn interessieren. Schließlich war er es, der seinerzeit darauf bestand, einen sanktionierten Finanzier des Assad-Regimes in Syrien - und damit des syrischen Bürgerkriegs - als Endkunden von Mossack Fonseca zu behalten. Zu seiner Rolle damals erklärte Zollinger 2016, seine Reaktion sei "rückblickend gesehen (. . .) falsch" gewesen.

Seine Arbeit bei Mossack Fonseca hat Zollinger längst aus seinem Lebenslauf gelöscht

Die neuen Entwicklungen um den Haftbefehl dürften Christoph Zollinger maximal ungelegen kommen. Er hatte seine Vergangenheit bei Mossack Fonseca in den vergangenen fünf Jahren aus seinem Lebenslauf gelöscht und sich mit anderen Dingen beschäftigt: Mit der Renovierung alter Engadiner Bauernhäuser etwa oder mit der Rolle, die künstliche Intelligenz in unseren Leben haben wird. Er hatte sogar einen Thriller geschrieben, wohlweislich nicht mit seinem Nachnamen Zollinger auf dem Buchcover, sondern als Christoph Martin - so lauten seine beiden Vornamen.

Der Thriller spielt teilweise in Panama, wo für Zollinger vor fast 25 Jahren alles fast romanhaft begonnen hatte: Der junge Jurist war damals in den Neunzigerjahren bei einer Reise im schönen Panama hängen geblieben, wo er angeblich einen der ersten Internetprovider des Landes mitaufbaute.

1997 heuert er in Panama City bei Mossack Fonseca an, 2004 wird er offiziell Partner jener Kanzlei, die zu den ganz Großen im Offshore-Geschäft zählte. Sie beschäftigt zeitweise rund 500 Mitarbeiter und unterhält mehr als 40 Niederlassungen in 30 Ländern. Der junge Schweizer steckt damit mittendrin im Geschäft mit den Briefkastenfirmen und Trusts, Stiftungen und Geheimunternehmen, dem Tarnen und Täuschen. Auch seine eigenen Finanzen liefen teilweise über panamaische Stiftungen und verschiedene Bankkonten, gelernt ist gelernt.

Und wer bei Mossack Fonseca etwas wird, der gilt etwas im Land: Zollinger bekommt die panamaische Staatsbürgerschaft, heiratet eine Panamaerin und wird später sogar "Spezialbotschafter des Außenministeriums". Quasi nebenbei baut er ein panamaisches Bobteam auf, ein professioneller Weitspringer wird Bremser, Zollinger selbst Pilot, der Sponsor ist Mossack Fonseca und den Anschieber sucht er via TV-Castingshow. "Cool Runnings" lässt grüßen.

Diktatoren und Drogenschmugglern stets zu Diensten

2015 allerdings bekommt sein Image erste Risse. Informationen zu schmutzigen Geschäften gelangen an die Öffentlichkeit. Auch von den Briefkastenfirmen eines Finanziers des Assad-Regimes ist die Rede. Doch Zollinger winkt ab: Alles sei lang her, er sei auch nie Miteigentümer von Mossack Fonseca gewesen, mit dem Assad-Helfer habe er nie direkten Kontakt gehabt und außerdem habe er dem Geschäft mit den Briefkastenfirmen den Rücken gekehrt.

Im April 2016 platzt dann die Bombe: Die Panama Papers werden veröffentlicht. Von einem Tag auf den nächsten hat die Weltöffentlichkeit Einblick in das Innere der Firma Mossack Fonseca - einer Firma, die Waffenschiebern, Drogendealern und Diktatoren zu Diensten war.

In mehreren Artikeln wurde seither auch die Rolle Zollingers beschrieben: Wie er beispielsweise 2011 in einer internen E-Mail schrieb, "von meiner Seite" könne der sanktionierte Assad-Freund als Kunde behalten werden. Heute bezeichnet Zollinger diese Nachricht als Fehler.

In den Wochen nach den Panama-Papers-Veröffentlichungen werden etliche Büros von Mossack Fonseca durchsucht, es kommt zu Massendemonstrationen, etliche Politiker, die Kunden der Kanzlei waren, müssen zurücktreten oder werden gar angeklagt. Bis heute wurden weltweit Tausende Ermittlungsverfahren gegen die Kunden von Zollinger und Co. eingeleitet. Umgerechnet wurden bislang weit mehr als eine Milliarde Euro weltweit eingetrieben.

Allein in Deutschland sollen mehr als Hundert Millionen Euro an Strafen aufgrund der Panama Papers gezahlt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Köln und die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung haben nach eigenen Angaben mehr als 400 Verfahren beendet. Das Verfahren gegen einen früheren Kollegen Zollingers aus Deutschland wurde erst gegen Geldauflage eingestellt, ein anderer akzeptierte eine Freiheits- sowie Geldstrafe. Ein weiterer wurde in den USA in Abwesenheit angeklagt.

Auf Anfrage erklärte Zollinger, "keine Kenntnis" von einer Ermittlung in Deutschland zu haben. Sein Wohnort sei den deutschen Behörden bekannt. Zudem stehe er mit den Ermittlern in Kontakt und sei bereit, Auskunft zu geben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Klar scheint: Irgendwann hat Zollinger die Reißleine gezogen, jedenfalls ein wenig. Jedenfalls möchte Christoph Zollinger, der dritte Mann, heute nicht mehr in Verbindung gebracht werden mit dem, was Mossack Fonseca über Jahrzehnte hinweg angerichtet hatte. Einmal erklärte er, er sei bei der Kanzlei ausgestiegen, weil er "nicht für mögliche Vergehen Dritter unverschuldet Verantwortung übernehmen" wollte, nachdem Briefkastenfirmen von Mossack Fonseca ja von deren Besitzern missbraucht werden könnten. Es kann gut sein, dass es für diese Form der Einsicht inzwischen zu spät ist.

Mitarbeit: Christian Brönnimann, Jörg Schmitt

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