Panama Papers:Es war einmal ein guter Freund

Die Skandalkanzlei Mossack Fonseca konnte sich lange auf die guten Beziehungen zum Staatschef des Landes verlassen. Jetzt wurden die beiden Gründer festgenommen.

Von Boris Herrmann und Frederik Obermaier

Die Fahnder kamen am Donnerstag zur Mittagszeit und erwischten die Mitarbeiter von Mossack Fonseca offenbar völlig unvorbereitet. Sie hatten die Räume der Offshore-Kanzlei in Panama-Stadt bereits im April durchsucht, wenige Tage, nachdem die Panama Papers publik geworden waren. Viele sprachen damals von einer großen Show, von großem Theater, aufgeführt allein mit dem Ziel, die Weltöffentlichkeit zu beruhigen. Auch danach kamen die Ermittlungen - so zumindest wirkte es - in dem mittelamerikanischen Land, das im Mittelpunkt dieses Skandals um Briefkastenfirmen steht, nicht so recht voran.

Bis zu diesem Donnerstag, der womöglich eine Wende in dem Fall einläutete. Wenige Stunden, nachdem die Ermittler die Kanzlei betreten hatten, stellte sich die zuständige Generalstaatsanwältin Kenia Porcell der Presse: Die Kanzlei Mossack Fonseca sei offenbar eine "kriminelle Organisation", sagte sie. Die Firma habe mitgeholfen, dubioses Geld zu verstecken, Beweismittel seien vernichtet worden. Vier Personen seien angezeigt worden. Vor allem aber: Die beiden Gründer - der Deutsche Jürgen Mossack und sein panamaischer Kompagnon Ramón Fonseca - und ein weiterer Mitarbeiter wurden festgenommen.

Ausgerechnet Mossack und Fonseca also, die sich früher gern ihrer enger Beziehungen zur Regierung rühmten, zum Präsidenten in Panama. Ramón Fonseca hatte über viele Jahre hinweg eine tragende Rolle in der Partei des amtierenden Präsidenten Juan Carlos Varela, er war sein vielleicht wichtigster Berater und zugleich stellvertretender Parteichef. Fonseca und Varela galten als Freunde.

Und nun: Festgenommen. Fallen gelassen von der Politik.

Panama Papers: Jürgen Mossack und sein panamaischer Kompagnon Ramón Fonseca. Illustration: Peter M. Hoffmann

Jürgen Mossack und sein panamaischer Kompagnon Ramón Fonseca. Illustration: Peter M. Hoffmann

Zum Verhängnis wurde den beiden Anwälten eine internationale Kooperation von Staatsanwälten. Ausgangspunkt war Brasilien, wo seit fast drei Jahren unter dem Titel Operation Lava-Jato ("Autowäsche") ermittelt wird. In einer Art kriminalistischem Tausend-Teile-Puzzle kommt dabei nach und nach der größte Korruptionsskandal in der Geschichte des südamerikanischen Landes ans Licht. Es geht um systematische Schmiergeldzahlungen in Milliardenhöhe und um ein komplexes Netzwerk aus Betrug, Bestechung und Geldwäsche. Mehr als einhundert brasilianische Politiker und Wirtschaftsgrößen wurden im Zuge von Lava-Jato verhört, verhaftet, angeklagt oder verurteilt. Inzwischen hat sich der Skandal in ganz Lateinamerika ausgebreitet.

Im Zuge der Ermittlungen wurden bereits mehrere Mitarbeiter der brasilianischen Dependance von Mossack Fonseca festgenommen. Inzwischen wollen die brasilianischen Staatsanwälte ein ganzes System an Briefkastenfirmen entdeckt haben, die von dem Offshore-Anbieter aus Panama registriert wurden oder anderweitig mit ihm in Verbindung stehen sollen. Der zuständige Richter Sergio Moro, der in Brasilien als Anführer der Anti-Korruptionsbekämpfung gilt, sagte, es gebe Beweise, dass Mossack Fonseca in ein "kriminelles Schema" verwickelt sei, "um Betrug und Geldwäsche zu betreiben." Diese Beweise liegen nun offenbar auch Panamas Generalstaatsanwältin Kenia Porcell vor. Die Kanzlei habe "anonyme Gesellschaften in Brasilien gegründet, die im Zusammenhang mit Lava Jato stehen", sagt sie.

Auch die Panama Papers spielten bei dem jüngsten Showdown eine Rolle: jener Berg von internen Dokumenten aus der Kanzlei Mossack Fonseca, die eine anonyme Quelle der Süddeutschen Zeitung zugespielt hat und der im April 2016 weltweit für Schlagzeilen sorgte. In einem Tweet bezog sich die Generalstaatsanwaltschaft aus Panama auch auf dieses Datenleck. Die Panama Papers zeigen, dass die Kanzlei nicht nur Premierministern und Diktatoren geholfen hat, Geld zu verstecken, sondern auch Drogenkartellen, Mafia-Clans, Betrügern, Waffenschiebern und Regimen wie Nordkorea oder Syrien.

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Die Kanzlei Mossack Fonseca galt in Panama lange als nahezu unantastbar, sie wusste ihre engen Beziehungen zur Regierung zu nutzen. Die Eliten sind in Panama traditionell äußerst eng miteinander verbunden, jeder kennt jeden, und politische Freundschaften wie jene zwischen Fonseca und Politiker Varela sind äußerst wertvoll.

Auch die Panama Papers spielen beim Showdown eine Rolle

Tempi passati.

Von einer Freundschaft kann spätestens seit dem vergangenen Donnerstag wohl keine Rede mehr sein. Nach der Durchsuchung seiner Firma und noch auf dem Weg zu seiner Vernehmung nämlich hatte Fonseca zu einem Frontalangriff ausgeholt: "Ich bin der gekauften Justiz überdrüssig", sagte der Rechtsanwalt Journalisten: "Ich habe monatelang geschwiegen, aber das hier ist der Gipfel, jetzt bin ich gezwungen zu reden."

Was er sagte, hatte es in sich. Präsident Varela habe ihm gegenüber eingeräumt, "Spenden von Odebrecht" entgegengenommen zu haben. Weitere Details nannte Fonseca nicht.

Odebrecht: Diese Firma mit Sitz in Brasilien ist der größte Baukonzern Lateinamerikas. Der einstige Familienbetrieb wurde im Jahr 1944 von einem Nachfahren deutscher Einwanderer gegründet. Heute beschäftigt er 250 000 Angestellte und ist auf bestem Weg, zum Symbol eines kranken Systems zu werden. Der einstige Konzernchef Marcelo Odebrecht wurde in Brasilien bereits zu 19 Jahren Haft verurteilt. Derzeit wartet das Land mit großer Anspannung auf die Veröffentlichung seiner Kronzeugenaussage. In brasilianischen Medien ist bereits von der "Aussage vom Weltuntergang" die Rede.

Auch weitere 76 ehemalige Manager von Odebrecht sind offenbar bereit, mit den Ermittlern zu kooperieren, um ihr Strafmaß zu mindern. Bereits bekannt ist, dass der Konzern über Jahre hinweg eine eigene Geheimabteilung für schwarze Kassen unterhielt, um Politiker in ganz Lateinamerika zu bestechen, in Brasilien, Argentinien, Ecuador, Guatemala, Kolumbien, Mexiko, Peru, Venezuela und: Panama.

Bereits im vergangenen Dezember hatte sich Odebrecht mit Ermittlungsbehörden in Brasilien, der USA und der Schweiz auf eine Strafzahlung von 3,5 Milliarden Dollar geeinigt. Das ist die höchste Summe, die jemals von einem Konzern zur Beilegung eines internationalen Korruptionsverfahrens bezahlt wurde. Auf Lateinamerika wartet nun eine spektakuläre Prozesslawine.

Perus ehemaliger Präsident Alejandro Toledo wird wegen Korruptionsvorwürfen im Odebrecht-Skandal seit Donnerstag mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Die Spur führt inzwischen auch zum amtierenden kolumbianischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos. Er steht im Verdacht, illegale Spenden von Odebrecht für seinen Wahlkampf entgegengenommen zu haben. Dasselbe gilt für Brasiliens Präsidenten Michel Temer. Beide bestreiten die Vorwürfe.

Auch Panamas Präsident Varela wies die Vorwürfe Fonsecas zurück. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters bestritt er, Spenden von Odebrecht erhalten zu haben. Varela kündigte an, seine Wahlkampfspender öffentlich zu machen. Damit steht nun das Wort des Präsidenten gegen das seines ehemaligen Beraters. Die Zeiten der friedlichen Koexistenz zwischen Politik und Offshore-Wirtschaft sind in Panama also offenbar vorbei.

Bereits im Oktober hatte sich ein möglicher Kurswechsel der Regierung angedeutet. Bei einem Deutschland-Besuch hatte Varela im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung gesagt: "In der Vergangenheit mögen dubiose Geschäfte Wirklichkeit gewesen sein, damit ist aber Schluss." Er wünsche sich, dass Panama bis 2020 ein Vorbild in Lateinamerika sei "als demokratisches Modell, als Modell von Ehrlichkeit und Transparenz". Über seinen ehemaligen Berater Fonseca sagte Varela damals einen bemerkenswerten Satz: "Er wird sich seiner Verantwortung stellen müssen - und am Ende auch dem Richter." Das Unternehmen Fonsecas jedenfalls sei schon jetzt "am Ende".

Dass sich Varela von der Kanzlei seines Freundes distanziert, kam unerwartet. Beobachter glauben: Schon damals kam es zum Bruch zwischen dem Präsidenten und Fonseca.

Für die Kanzlei Mossack Fonseca rückt damit das Ende näher. Vor dem Hauptsitz in Panama-Stadt sind bereits vor einigen Monaten die Firmenschilder abmontiert worden. Zuvor waren Filialen in Peru und El Salvador durchsucht und in Venezuela die örtliche Repräsentantin von Mossack Fonseca festgenommen worden. Auf den Britischen Jungferninseln, wo die Offshore-Kanzlei so viele Briefkastenfirmen gegründet hat wie in keiner anderen Steueroase, verhängten die Behörden eine Rekordstrafe von 440 000 Dollar. Die Kanzlei hat mittlerweile mehrere Filialen im Ausland geschlossen.

Ramón Fonseca

"Ich bin der gekauften Justiz überdrüssig. Ich habe monatelang geschwiegen, aber das hier ist der Gipfel, jetzt bin ich gezwungen zu reden."

Weitere Informationen zu den Panama Papers unter www.panamapapers.de sowie eine Chronologie der Ereignisse unter www.sz.de/mossfon

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