Süddeutsche Zeitung

Panama Papers:Agenten und Sozialisten

Panamas Regierung wollte die Missstände im Land durch eine Kommission aufarbeiten lassen. Diese brach im Streit auseinander. Soll überhaupt noch etwas aufgearbeitet werden?

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Eigentlich sollte die internationale Expertenkommission den Ruf des Finanzplatzes Panama retten, nach den für das Land verheerenden Enthüllungen der Panama Papers: Hochkarätig besetzt sollte das siebenköpfige Gremium Vorschläge ausarbeiten, um zu verhindern, dass der Finanzplatz Panama für Geldwäsche und illegale Geschäfte missbraucht wird. Panamas Präsident Juan Carlos Varela hatte die Einsetzung einer solchen Kommission schon drei Tage nach den ersten Panama- Papers-Veröffentlichungen angekündigt, und im Mai mit viel Tamtam eingesetzt.

Nun aber haben ausgerechnet die zwei wohl renommiertesten Mitglieder der Gruppe - der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz sowie der Schweizer Strafrechtsprofessor und Antikorruptionsexperte Mark Pieth - ihre Arbeit niedergelegt. Sie werfen der panamaischen Regierung Zensur vor. Laut Stiglitz und Pieth sei ihnen kürzlich erklärt worden, dass am Ende, anders als ursprünglich vereinbart, einzig und alleine die panamaische Regierung entscheide, ob Ergebnisse der Arbeitsgruppe veröffentlicht würden, und welche. Damit war für die beiden internationalen Experten klar, dass sie das Gremium verlassen würden.

"Herr Stiglitz und ich sind beide übereinstimmend der Ansicht, dass wir keine Geheimberichte schreiben", sagte Mark Pieth dem Schweizer Tages-Anzeiger. "Wenn man einen sauberen Finanzplatz will, ist Transparenz das oberste Gebot." Sein Kollege, der Star-Ökonom Stiglitz, erklärte der Süddeutschen Zeitung: "Panama wollte uns womöglich nur als Feigenblatt, da mache ich aber nicht mit." Die beiden Experten empfahlen in einer gemeinsamen Erklärung die Auflösung der Kommission.

Panamas Regierung ließ am Wochenende verlautbaren, die Entscheidung von Pieth und Stiglitz zu bedauern. Gleichzeitig wurde ein neunseitiger "Interims-Report" verbreitet, der von der Expertenkommission stammen soll. Darin wird vorgeschlagen, dass Panama Gesetze verabschiede, wonach Offshore-Firmen künftig Jahresberichte vorlegen sollen. Diese sollten jedoch nur veröffentlicht werden, wenn es Verdacht auf illegale Geldflüsse gebe. Außerdem sollten Offshore-Provider wie Mossack Fonseca Informationen über letztgültige Eigentümer von Briefkastenfirmen vorhalten: Informationen also über jene Personen, die sich hinter Scheindirektoren, Scheinanteilseignern und anonymen Inhaberaktien verstecken. Dies wäre zwar ein erster Schritt, erklärte Joseph Stiglitz der SZ, aber nicht genug, solange diese Information nicht im Zuge eines automatischen Informationsaustausches mit den Behörden anderer Länder geteilt werde.

Gleichzeitig betonte Stiglitz, dass es sich bei diesem sogenannten Interimsbericht ohnehin nicht um einen offiziellen Bericht der Expertenrunde handle. "Ich habe diesem Report nicht zugestimmt", sagte Stiglitz, "und ich war immerhin der Vorsitzende der Kommission."

Die neue Linie der panamaischen Regierung wirft nun eine ganze Reihe von Fragen auf. Zum einen scheint es wieder unsicherer denn je, ob das Land tatsächlich - wie angekündigt - einen neuen Weg einschlagen will. Zum anderen wird die Welt mit kritischeren Blicken auf die panamaischen Ermittlungen gegen die Firma im Zentrum der Panama Papers schauen, die Kanzlei Mossack Fonseca, deren interne Dokumente der Süddeutsche Zeitung vor mehr als einem Jahr aus anonymer Quelle zugespielt worden waren. Gut zehn Tage nach den ersten Veröffentlichungen hatten Mitarbeiter der neu gegründeten Staatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität das Mossack Fonseca Hauptquartier in Panama Stadt durchsucht - und zwar 28 Stunden lang. Ziel der Razzia sei es, eine mögliche Nutzung der Firma für illegale Aktivitäten zu prüfen, hieß es damals. Wenn die Fahnder gute Arbeit gemacht haben, sollten sie fündig geworden sein: Das internationale Reporter-Team, das unter Führung der SZ und des Internationalen Konsortium für Investigativen Journalisten (ICIJ) die Daten journalistisch ausgewertet hatte, war auf ungezählte illegale Aktionen gestoßen, etwa Sanktionsbrüche, Steuerbetrug, Geldwäsche oder Drogenhandel.

In Panama, vor allem in Oppositionskreisen, war aber schon damals spekuliert worden, ob bei der Razzia nicht eher belastendes Material vernichtet werden solle. Immerhin war Ramòn Fonseca, einer der beiden Inhaber von Mossack Fonseca, erst kurz zuvor von seinen Ämtern als Berater des noch immer amtierenden panamaischen Präsidenten Varela und als stellvertretender Vorsitzender der Regierungspartei zurückgetreten. Die Eliten sind in Panama traditionell äußerst eng miteinander verbunden, jeder kennt jeden, und politische Freundschaften sind äußerst wertvoll.

Wenig überraschend freute sich Ramòn Fonseca über die Wende des panamaischen Präsidenten, seines Parteifreundes Varela. Kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung von Stiglitz und Pieth verbreitete Fonseca über Twitter, Panama brauche auch "keine Beratung durch Sozialisten!". Im Übrigen, so Fonseca, seien die Mitglieder der Journalistenvereinigung ICIJ, mit der die Süddeutsche Zeitung die internen Mossack-Fonseca-Daten geteilt hat, "getarnte linke Aktivisten".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3111090
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.08.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.