Insolvenzverfahren:P&R-Anleger können Ansprüche geltend machen

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In einem Gutachten wird deutlich: Von 1,6 Millionen Containern der Firmengruppe P&R sind nur noch 618 000 da. Im Bild: Containerterminal in Qianwan/China. (Foto: dpa)
  • Der Fall P&R könnte sich am Ende als größter Anlagebetrug in der Geschichte des grauen Kapitalmarkts in Deutschland erweisen.
  • Von nun an können die betroffenen Anleger ihre Forderungen gegen die fünf insolventen Gesellschaften der Unternehmensgruppe anmelden.

Von Jan Willmroth und Markus Zydra, Frankfurt

Verena Böttcher hatte keinen Grund zu zweifeln, als sie Anfang 2016 zum letzten Mal Schiffscontainer kaufte. Ihr Vater war lange Zeit Kunde bei der Grünwalder Investmentfirma P&R, hatte regelmäßig seine Rendite bekommen, sicher und unkompliziert.

Überzeugt fing auch sie irgendwann an, fünfstellige Summen bei P&R anzulegen. Die Kaufverträge passten damals noch auf eine Seite, die Klauseln waren verständlich gehalten: "lm Falle des Totalverlustes eines Containers ist P&R verpflichtet, dem Investor einen gleichwertigen Container gleichen Typs und Baujahres zu übertragen", heißt es zum Beispiel. Das schuf Vertrauen.

Jetzt kann Böttcher nur hoffen, überhaupt noch Geld wiederzubekommen. Die Container, die sie kaufte, hat es womöglich nie gegeben, und Böttcher, die eigentlich anders heißt und anonym bleiben möchte, ist nun Geschädigte im mutmaßlich größten Anlagebetrug in der unrühmlichen Geschichte des grauen Kapitalmarkts in Deutschland. Eine von etwa 54 000.

Am Dienstag hat das Amtsgericht München die Insolvenzverfahren im Fall P&R eröffnet. Von nun an können die betroffenen Anleger ihre Forderungen gegen die fünf insolventen Gesellschaften der Unternehmensgruppe anmelden.

Die Frist dazu läuft bis zum 14. September, die Insolvenzverwalter um den Münchner Rechtsanwalt Michael Jaffé versprechen in einer Mitteilung, die Anleger separat anzuschreiben und ihnen von August an vorausgefüllte Formulare zukommen zu lassen.

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Es könnte der größte Anlagebetrug der deutschen Geschichte werden: Die insolvente Firma P&R hatte Anlegern Container verkauft - die es zum großen Teil gar nicht gab. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Für die ersten Gläubigerversammlungen am 17. und 18. Oktober haben sie die Münchner Olympiahalle reserviert. Man rechnet also mit vielen Tausend Teilnehmern.

P&R hatte jahrzehntelang stets pünktlich ausbezahlt. Warum sollte sich das ändern?

P&R, ansässig in einem unscheinbaren Geschäftsgebäude am Stadtrand von Grünwald bei München, hat 43 Jahre lang Frachtcontainer an Anleger verkauft und sich darum gekümmert, die Boxen an Spediteure weltweit zu vermieten.

Nach Abzug der Verwaltungskosten erhielten die Investoren in der Regel alle drei Monate ihre Mieteinnahmen, die Verträge liefen zumeist drei bis fünf Jahre, am Ende kaufte P&R die Container zu einem großzügigen Preis zurück. Renditeversprechen von drei bis fünf Prozent ließen das Ganze unverdächtig wirken, Geschäftsführer und Vertriebspartner nutzten die lange Historie als Argument: P&R hatte alle Erträge jahrzehntelang stets pünktlich ausbezahlt. Warum sollte sich das plötzlich ändern?

Es änderte sich in diesem Frühjahr. Erst kursierten Meldungen und Gerüchte über eine mögliche Schieflage, erste Zahlungen an Anleger blieben aus, im März stellte die erste Gesellschaft einen Insolvenzantrag. Kurz darauf zeigten Recherchen, dass P&R erstens vieles in seiner verschachtelten Firmenstruktur versteckt und zweitens womöglich ein Schneeballsystem aufgebaut hatte. Handelsregisterauszüge und Anlageprospekte ließen den Schluss zu, dass P&R Container verkaufte, die nicht existierten.

Von 2007 an wuchs die Differenz zwischen den verkauften und vorhandenen Containern stetig an

In einem bei Gericht vorgelegten Gutachten macht Jaffé zur traurigen Gewissheit, was bisher eine Schätzung war: von 1,6 Millionen Containern sind nur noch 618 000 da. "Dass heute so viele Container fehlen, bedeutet nicht, dass diese früher vorhanden waren und dann verloren gingen", teilte er am Dienstag mit.

Die deutschen Gesellschaften hätten über viele Jahre hinweg Verträge mit Anlegern über Container geschlossen, "die es de facto nie gegeben hat und die auch nicht angeschafft wurden". Neu eingeworbene Gelder seien benutzt worden, um Altanleger zu bezahlen. Von 2007 an war die Differenz zwischen den verkauften und vorhandenen Containern stetig angewachsen. Währenddie Kunden in ihren Verträgen lasen, wie viele Container ihnen gehörten, wurde in Grünwald einfach nur Geld verschoben.

"Die Tatsache, dass Altanleger mit dem Geld neuer Investoren ausbezahlt wurden, betätigt praktisch, dass es sich hier um ein Schneeballsystem handelt", sagt der unabhängige Finanzexperte Stefan Loipfinger. "Allerdings fehlen noch wichtige Informationen, etwa die Höhe der aktuellen Mieteinnahmen, oder wie alt und groß die Container sind" Außerdem erwarte er, dass Jaffés Gutachten veröffentlicht wird - wonach es gerade aber nicht aussieht.

Es gab viele Geldanlageskandale, viele haben spektakuläre Bilder gieriger Betrüger geliefert wie zuletzt die Frankfurter Immobilienfirma S&K. Aber nie ging es dabei um eine solche Summe wie im Fall P&R: bis zu 3,5 Milliarden Euro. Über Generationen hatten ganze Familien ihr Vermögen immer wieder bei P&R angelegt.

Die Hälfte der Anleger ist heute älter als 60 Jahre, mehr als ein Drittel über 70, mancher älter als 90. Zum 40-jährigen Bestehen vor zweieinhalb Jahren hatte P&R noch per Brief damit geworben, "die Sicherheit der Kundengelder immer über die Gewinnmaximierung des Unternehmens" zu stellen.

Jetzt wissen die Adressaten von damals, dass sie mutmaßlich betrogen wurden. Ihr Geld floss nicht in den Kauf von Containern, es versickerte im Kreislauf von P&R, den Jaffé seit Monaten mithilfe der Beratungsfirma PwC und der Staatsanwaltschaft München I zu durchschauen versucht.

Derzeit, so teilte Jaffé am Dienstag mit, gebe es noch keine Anhaltspunkte dafür, dass Gelder abgezweigt wurden. Wo ihr ganzes Geld dann abgeblieben ist, werden die Anleger erst nach und nach erfahren. Einziger Trost: Die vorhandenen Container sollen alle weiter vermietet werden.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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