Finale der Overwatch League:Koreaner holen den Gamer-Pokal nach Europa

Overwatch-Finale 2018 in New York

Ein Fan von "London Spitfire" jubelt über den Sieg seines Favoriten. Das Team ist der erste Sieger der "Overwatch League" und gewinnt eine Million US-Dollar.

(Foto: AP)
  • In New York wurde am Wochenende das Finale der Overwatch League (OWL) ausgetragen.
  • Gewonnen hat das Team "London Spitfire".
  • Alle Teams der OWL werden jeweils einer Stadt zugeordnet. Dadurch mehr Fans für ein Team zu gewinnen, klappt noch nicht ganz.

Von Caspar von Au

Es kommt selten vor, dass einem millionenschwere Hiphop-Stars wie DJ Khaled leidtun. Samstagabend war es dennoch so weit: Khaled performte seinen Hit "I'm The One". Er ruderte vor rund 19 000 Zuschauern rhythmisch mit den Armen, er rief "Let's go New York" und schickte noch ein "Sing it" hinterher. Als er dann jedoch sein Mikro dem Publikum entgegenstreckte, folgte für den Bruchteil einer Sekunde unangenehme Stille, bis die Zuschauer doch noch einstimmten.

Die Zuschauer waren schlicht nicht wegen ihm in das Barclays Center im New Yorker Stadtteil Brooklyn gekommen, sondern weil sie ihre Stars des Computerspiels "Overwatch" sehen wollten.

Overwatch League verbindet E-Sport-Teams mit einer Stadt

In der Nacht von Freitag auf Samstag und am Samstagabend hatten die Teams "London Spitfire" und "Philadelphia Fusion" den ersten Titel der Overwatch League ausgefochten. Es ging sozusagen um den Champions League Pokal des Helden-Shooters Overwatch - und um das Preisgeld von einer Million US-Dollar. Gewonnen hat recht deutlich London Spitfire, das einzige europäische Team der Liga. Es ging aber auch um die Frage: Kann ein Spieleentwickler (in dem Fall Blizzard) ein neues Spiel im E-Sport etablieren, indem er bestehende Ligastrukturen anderer Sportarten (American Football, Basketball) nahezu kopiert?

Was ist "Overwatch"?

"Overwatch" ist ein Ego-Shooter, in dem jeder Spieler einen Helden mit einzigartigen Fähigkeiten und Waffen steuert. Grob lässt sich zwischen drei Arten von Helden unterscheiden: DPS (kurz für damage per second, "Schaden pro Sekunde"), Tank und Support.

Ein beliebter DPS-Held ist zum Beispiel Hanzo, der mit seinem Bogen magische Pfeile verschießt. Der Gorilla Winston kann besonders viel einstecken und ein Schutzschild erzeugen. Er ist deshalb als Tank besonders gut geeignet. Die Heldin Merci kann fliegen und ihre Teamkameraden heilen oder ihre Waffen verstärken.

Zwei Teams mit je sechs Spielern treten auf unterschiedlichen Karten gegeneinander an. Je nach Karte unterscheidet sich das Spielziel: Im Modus "Kontrolle" geht es darum, eine Zone einzunehmen und für einen bestimmten Zeitraum zu verteidigen. In "Eskorte" muss ein Team eine Fracht von A nach B begleiten, während das andere Team dies zu verhindern versucht.

Die Overwatch League (OWL) startete am 10. Januar. Zwölf Teams, vornehmlich aus den USA, zwei aus Asien und eines aus London, sind in wöchentlichen Spieltagen in einer gedrittelten Saison gegeneinander angetreten. Die reguläre Saison mündete in Playoffs und schließlich in das Finale, das im Gegensatz zu den Spieltagen in New York und nicht in Los Angeles ausgetragen wurde. Eine Besonderheit der OWL ist, dass E-Sport-Teams mit einer Heimatstadt verortet werden.

In Deutschland investieren Sportklubs vorsichtiger

Wer mit einem Team in der Liga teilnehmen wollte, musste 20 Millionen US-Dollar für die Lizenz zahlen und konnte eine Stadt benennen. Die Teams gehören zum großen Teil Unternehmen oder Investoren, die mit ähnlichen Modellen Erfahrung haben. Die Firma Comcast Spectator besitzt beispielsweise neben OWL-Team Philadelphia Fusion auch die bekannte Eishockey-Mannschaft Philadelphia Flyers.

In Europa und Deutschland investieren die traditionellen Sportklubs deutlich vorsichtiger in den E-Sport. FC Schalke 04 betreibt seit 2016 eine eigene Abteilung mit Profis in den Fußballsimulationen "Fifa" und "Pro Evolution Soccer" sowie in "League of Legends". VfL Wolfsburg, VfB Stuttgart und einige andere Bundesligaklubs belassen es dagegen bei Spielen, in denen es um Fußball geht. Uli Hoeneß stoppte jüngst die Pläne seines FC Bayern München, rund fünf Millionen Euro in E-Sport zu investieren. Die Bayern betreiben aber weiterhin die "Bayern Ballers Gaming" im Basketballspiel "NBA2k".

Londoner Team mit Sitz in Los Angeles und koreanischem Kader

Ganz geht die Idee der OWL auch noch nicht auf, E-Sport-Teams eine Adresse zu geben. Ein gutes Beispiel dafür stellt der frisch gekürte Meister London Spitfire dar. Der Kader des nominell Londoner Teams setzt sich aus sieben Koreanern zusammen. Zwar ist es auch in anderen Sportarten nicht ungewöhnlich, Spieler aus anderen Ländern dazuzukaufen. Ungewöhnlich ist aber, dass alle aus einem Land kommen. Hinter dem Team steckt das E-Sport-Unternehmen Cloud9 mit Sitz in Los Angeles. Dort wohnen, trainieren und tragen die Spieler ihre Wettkämpfe während der regulären Saison aus. Erst ab der dritten Saison 2020 soll es Spielorte auf der ganzen Welt geben. Ob sich für einen Overwatch-Fan aus Südlondon da innige Verbundenheit einstellt, darf bezweifelt werden.

Immerhin funktioniert es umgekehrt für London Spitfire: Als sie die Final-Bühne in New York das erste Mal betreten, schallen den Spielern Buhrufe entgegen. Die Mehrheit des vollbesetzten Saals hofft auf einen Erfolg des kilometermäßig nähergelegenen Philadelphia. Das kennen die Spieler bereits. An den Spieltagen in Los Angeles feuern die Fans lieber eines der beiden Stadtteams "Los Angeles Gladiators" oder "Los Angeles Valiant" an. Egal, dass die Spieler alle aus Korea kommen.

Wie vernünftig ist eine Sportart mit Besitzer?

Das Barclays Center in New York war schon lange vor dem Finale restlos ausverkauft. Wer trotzdem noch wenige Tage vorher Karten kaufen wollte, musste mindestens 152 US-Dollar zahlen. Damit waren die Karten teurer als für Elton John, Bruno Mars oder Wrestling. Online haben die Zuschauerzahlen mit der fortschreitenden Saison dagegen nachgelassen, berichtet The Esports Observer: Im letzten Saisondrittel sei das Interesse an den Livestreams um rund 20 Prozent gesunken.

Trotzdem soll die OWL nicht nur weitergehen, sondern auch erweitert werden. Sechs neue Teams sollen 2019 in der zweiten Saison um den Titel mitkämpfen. Womöglich bekommt Berlin seine eigene Overwatch-Mannschaft, die ihre Spiele vorerst ebenfalls in Los Angeles austragen würde. Das kündigte Liga-Chef Pete Vlastelica Ende Mai in einem Interview mit dem Handelsblatt an. Nach ESPN-Informationen soll der Preis für einen Startplatz bis zu 60 Millionen US-Dollar betragen. Auch andere E-Sport-Titel, zum Beispiel League of Legends, gehen einen ähnlichen Weg wie Blizzard mit Overwatch. In Nordamerika und in China mussten sich Teams bereits einen Startplatz erkaufen, wenn sie Teil der wichtigsten "League of Legends"-Ligen der Regionen sein wollten.

Es scheint so, als hätte Blizzard genauso schnell und erfolgreich ein Ökosystem für Overwatch-Wettkämpfe etabliert, wie das Spiel selbst sich bei Millionen von Gamern wahnsinnig schnell etabliert hat. Doch eine Frage bleibt am Ende offen: Wie vernünftig ist es, dass ein Unternehmen nicht nur sämtliche Rechte an Turnieren, Regeln und Spielern besitzt, sondern auch an der Sportart selbst? Wer Einfluss nehmen will, muss ein paar Millionen auf den Tisch legen.

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