Kurz vor Ablauf des Übernahmeangebots für den Lichtkonzern Osram wird das Ganze zu einem Nervenkrieg. Bis Mitternacht muss das österreichische Sensorik- und Chipunternehmen AMS 55 Prozent der Aktien des viel größeren Münchner Unternehmens von den Aktionären bekommen. Nur dann ist die Übernahme perfekt. Scheitert sie, bliebe Osram zwar erst einmal unabhängig - aber der Aktienkurs würde vermutlich dramatisch einbrechen.
Es ist auf den letzten Metern ein Glücksspiel, und ausgerechnet bei jenen Aktionären, die die Übernahme zu Fall bringen könnten, machen sich inzwischen Angst und Nervosität breit: bei jenen Hedgefonds, die sich verstärkt bei Osram eingekauft hatten. Ein amerikanischer Hedgefonds-Manager, der namentlich nicht genannt werden will, sagte der SZ: Die Gefahr, in den kommenden Stunden viel Geld zu verlieren, sei inzwischen größer als die Aussicht, mit der Übernahme noch viel zu verdienen. Man habe daher beschlossen, einen großen Teil der Osram-Aktien an AMS zu verkaufen, damit die Übernahme nicht scheitere. Allerdings könne man nur für sich sprechen - man wisse nicht, was die anderen Fonds unternähmen.
Hedgefonds hatten sich in den vergangenen Tagen und Wochen mit bis zu 45 Prozent der Osram-Aktien eingedeckt und sind im anhaltenden Übernahmekampf über Nacht zum Spielmacher geworden. Die häufig recht aggressiv vorgehenden Hedgefonds stecken in einem Dilemma, in das sie sich selbst hineinmanövriert haben: Sie spekulierten ursprünglich darauf, dass AMS mindestens 55 Prozent der Osram-Aktien bekommt und die Übernahme zustande kommt. Sie selbst wollten ihre Aktien vorerst behalten, um sie nach einer Übernahme mit einem saftigen Preisaufschlag an AMS zu verkaufen und zu vergolden. Es ist das Geschäftsmodell solcher Fonds: Mit möglichst wenig eigenem Kapital auf fallende oder steigende Kurse wetten, reingehen - und anschließend schnell wieder weiterziehen. Und die Manager der Hedgefonds wussten: Um die volle Kontrolle über Osram ausüben zu können, bräuchte AMS nicht nur 55, sondern 75 Prozent - und wäre später wohl auch bereit, einen hohen Preis für fehlende Aktien zu zahlen.
Soweit die Spekulation. Wenn nun aber sämtliche Fonds an ihren Aktien festhalten, um sie später mit hohem Aufpreis zu verkaufen, riskieren sie das Scheitern des Angebots. Der Aktienkurs würde fallen - und damit auch die Aktien der Hedgefonds stark an Wert verlieren. "Es macht mir Angst, dass da immer noch Leute sind, die auf den großen Preisaufschlag spekulieren", so der Hedgefonds-Manager zur SZ. Wer das Spiel jetzt bis zum Ende spiele, gehe "voll ins Risiko".
Gefährliche Blockadesituation
Offenbar haben sich viele Fonds selbst massiv verspekuliert und den Münchner Übernahmepoker unterschätzt. Es seien weitaus mehr von ihnen bei Osram eingestiegen als normalerweise in solchen Fällen üblich, heißt es in der Szene. Dadurch sei eine gefährliche Blockadesituation entstanden. Was die Sache zusätzlich erschweren könnte: Es soll nur wenige große Spieler geben, die größere Anteile von einem bis fünf Prozent halten. Die meisten hätten kleine Aktienbestände von Osram. "Es ist ein Spiel mit dem Feuer", sagt der Hedgefonds-Manager. Das gilt umso mehr, als dass nach einem Treffen mit AMS-Chef Alexander Everke Anfang der Woche in New York klar geworden sei, dass es nach dem aktuellen zweiten Übernahmeversuch wohl kein drittes Angebot mehr geben werde.
Der aktuell letzte Stand ist von Mittwochabend: Etwa 16 Prozent der Osram-Aktionäre hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Papiere abgegeben, 20 Prozent hatte AMS zuvor schon am Markt gekauft. Da viele, vor allem größere Investoren in der Regel bis zum letzten Moment warten, um ihre Aktien zu verkaufen, hängt nach Monaten des Taktierens und des Feilschens nun alles von den kommenden Stunden ab. Und von zwei Dutzend Hedgefonds.