Süddeutsche Zeitung

Osram:Endlich erwachsen

Es ist das lang erwartete Aus einer engen Beziehung: Siemens verkauft seine Rest-Beteiligung an Osram. Beide Konzerne werden künftig sehr unterschiedliche Wege gehen.

Von Thomas Fromm

Es war ein jahrelanger Abschied auf Raten, und am Ende war es für Siemens-Chef Joe Kaeser ein sehr gutes Geschäft. Es begann schon 2013, als Siemens seine Lichttochter Osram abspaltete und zum großen Teil an die Börse brachte. Jetzt hat sich der Mutterkonzern auch von seinen restlichen 17,5 Prozent an Osram getrennt. "Das ist der richtige Zeitpunkt dafür. Osram steht jetzt auf eigenen Füßen", sagte ein Siemens-Sprecher.

Das klingt in etwa so: Unsere Tochter ist zwar schon vor Jahren bei uns ausgezogen. Aber jetzt ist sie erwachsen; gerade eben hat sie ihren letzten Kram aus der Wohnung abgeholt.

Die Tochter brauchte die Mutter nicht mehr, und umgekehrt gehörte das Lichtgeschäft schon lange nicht mehr zum strategischen Kern von Siemens, wo man sich auf die Digitalisierung von Fabriken, auf Medizintechnik und Energieinfrastrukturen konzentrierte. Auch deshalb hatte der Technologiekonzern Osram schon 2013 an die Börse gebracht, indem er den größten Teil der Osram-Aktien den eigenen Aktionären ins Depot buchte. Siemens trennte sich von der Lichtsparte Osram, so wie man sich zuvor schon von der Chiptochter Infineon oder vom Mobilfunkgeschäft getrennt hatte.

1,2 Milliarden Euro für 18 Millionen Aktien - ein gutes Geschäft

Technisch gesehen lief die endgültige Abnabelung der Tochter jetzt so ab: Die Münchner verkauften am Mittwoch innerhalb weniger Stunden an die 18 Millionen Osram-Aktien an große Investoren und kassierten für das Paket 1,2 Milliarden Euro. Insider hatten berichtet, dass auch der chinesische Halbleiterkonzern San'an Optoelectronics Interesse an dem Aktienpaket hatte. Eine solche Lösung war aber auf heftige Kritik bei den Arbeitnehmervertretern von Osram gestoßen. Nur einige Osram-Papiere muss Siemens noch behalten, um eine Optionsanleihe bedienen zu können, die erst 2019 ausläuft.

Weniger technisch gesehen ist es so: Siemens hat sich am Mittwoch dieser Woche endgültig von einem seiner ältesten Traditionsgeschäfte getrennt, und beide gehen ab sofort sehr unterschiedliche Wege.

Seit den 70er Jahren war Osram eine reine Siemens-Tochter gewesen. Zwei Münchner Traditionskonzerne, der eine über 150 Jahre alt, der andere, kleinere, über 100 Jahre. "Siemensianer" nannten sich die einen, "Osramiten" die anderen, und noch heute hängt am Münchner Stachus-Rondell der alte Schriftzug aus den Nachkriegsjahren: "Osram, hell wie der lichte Tag."

Wie es ist, wenn man zwar schon längst ausgezogen ist von Hause, aber eben doch noch irgendwie mit seinen Eltern verbandelt ist, zeigte sich im Februar vergangenen Jahres. Da nutzte Siemens die Osram-Hauptversammlung für einen Showdown auf offener Bühne, doch der Versuch, Osram-Chef Olaf Berlien die Entlastung zu verweigern, scheiterte an den anderen Aktionäre. Der Aufsichtsrat unter seinem Vorsitzenden Peter Bauer stand hinter dem Management, Siemens blieb isoliert.

Siemens vs. Osram, Kaeser gegen Berlien - bei dem Streit ging es vordergründig um die vom Osram-Chef veranlasste Abspaltung des traditionellen Lampen- und Leuchtröhrengeschäfts. Stattdessen zielte der erste Mann bei Osram lieber auf die Fertigung von LEDs für den Massenmarkt; kurz vor der Aktionärsversammlung hatte er noch im November 2015 überraschend angekündigt, eine Milliarde Euro in eine LED-Fabrik in Malaysia zu investieren.

Eine Art der Emanzipation: Am Ende hatte sich der Osram-Chef gegen Siemens durchgesetzt

Die Aktie brach ein, der Hauptaktionär in München verlor in wenigen Stunden sehr viel Geld, und war sauer. Für die Siemens-Strategen war das, was der Osram-Boss hier durchzog, schlicht zu riskant. Hinter dem Streit um die von Berlien angezettelte Strategie-Revolution stand aber auch, für Beobachter kaum zu übersehen, die große Machtfrage: Siemens oder Osram, Kaeser oder Berlien?

Eine Frage, die nun, da sich Siemens von seinen restlichen Osram-Aktien getrennt hat, nicht mehr gestellt werden wird - auch nicht, wenn dann wie geplant im November die neue Produktionsstätte in Asien eröffnet wird. Nachdem Siemens am Mittwochabend den Verkauf bekannt gab, meldete sich auch Osram zu Wort. Seit dem Börsengang vor vier Jahren habe sich der Kurs der Osram-Aktie von damals 24 Euro fast verdreifacht. "Wir danken Siemens für die Begleitung und die Rolle als Ankeraktionär in der Zeit seit dem Börsengang und während unserer Transformation zum Hightech-Unternehmen."

Danke für alles, wir sind jetzt groß genug und schaffen es auch ganz gut alleine.

Von Siemens hat man übrigens schon lange keine Kritik mehr an der Ex-Tochter gehört. Zum einen ist man mit sich selbst beschäftigt; zuletzt wurde die Fusion des Zuggeschäfts mit dem französischen Rivalen Alstom beschlossen. Und, wichtig: Siemens hat das Kapitel Osram ziemlich lukrativ beendet.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2017
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