Süddeutsche Zeitung

AMS-Offerte:Osram verkaufen? Augen zu und durch

  • Der kleinere österreichische Chiphersteller AMS will Osram übernehmen.
  • Der Leuchtenkonzern äußert sich doppeldeutig: Die Aktionäre sollen das Angebot annehmen.
  • Der Chef von Osram möchte seine Aktien aber nicht verkaufen. Denn er sieht Nachteile, wenn die Übernahme kommt.

Von Thomas Fromm

Es war natürlich alles andere als Zufall, dass sich an diesem Montag einer nach dem anderen zu Wort meldete. Osram steckt mittendrin in einem Übernahmekampf, und wenn um einen Konzern gefeilscht wird, geht es um Milliarden von Euro und manchmal auch um Hunderte, sogar Tausende Arbeitsplätze. Und deswegen versucht jeder, hier rechtzeitig die Meinungsführerschaft zu bekommen. Das gilt insbesondere bei einem mehr als 100 Jahre alten Traditionskonzern wie Osram, dessen Glühbirnen früher einmal in jedem Haushalt hingen und für den heute ein Kaufpreis von 38,50 Euro aufgerufen wird. Pro Aktie.

Osram selbst hatte das erste Wort an diesem langen Montag. Um Punkt acht Uhr morgens verschickte die Pressestelle des Leuchtenkonzerns eine Mitteilung, die vor allem eines war: sehr doppeldeutig. Einerseits empfahl man den Aktionären, das Übernahmeangebot des kleineren österreichischen Chipherstellers AMS anzunehmen und die Aktien zum Preis von 38,5 Euro zu verkaufen. "Die finanzielle Attraktivität der Offerte war dabei höher zu gewichten als Kritikpunkte", teilten die Konzernstrategen mit. Man hätte es auch so sagen können: Augen zu und durch.

Denn Kritikpunkte gibt es viele, und so empfahl Osram-Chef Olaf Berlien zwar den anderen, ihre Aktien an AMS abzugeben. Er selbst aber ließ mitteilen, "dass er als Vorstandsvorsitzender sein Interesse an der Fortführung der vom Osram-Vorstand vorangetriebenen, robusten Unternehmensstrategie, die alle Interessengruppen berücksichtigt, höher gewichtet als kurzfristige persönliche Vermögensinteressen als Aktionär". Mit anderen Worten: Herr Berlien möchte seine Aktien nicht verkaufen, zumindest nicht an AMS. Eigentlich hätte sich Berlien lieber das Angebot der beiden US-Finanzinvestoren Bain und Carlyle gewünscht, aber die bieten nur 35 Euro pro Aktie. Und wenn Aktionäre große Pakete verkaufen, sind 3,50 Euro mehr pro Aktie ein schlagendes Argument.

"Wir sind überzeugt, dass die Transaktion kommen wird", sagt der AMS-Chef

Zwei Stunden nach der Osram-Mitteilung dann empfing der Halbleiterhersteller aus der Steiermark in einem hellen Altbaubüro im feinen Münchner Stadtteil Lehel. Die Botschaft: Wir schaffen das. Kurz zuvor hatten die Österreicher die Annahmequote für den 4,3-Milliarden-Euro-Deal von 70 auf 62,5 Prozent heruntergesetzt - damit steigen die Chancen, dass genügend Aktionäre verkaufen. Drei Prozent der Aktien, sagt AMS-Chef Alexander Everke, habe man schon am Markt gekauft, und natürlich werde man noch weiter fleißig zukaufen, um am Ende aus dem Lichtausrüster Osram und dem Sensorenhersteller AMS einen neuen weltweiten Champion für modernste optische Technologien zu bauen. "Wir können Produkte anbieten, die Osram und AMS heute alleine nicht anbieten können", sagt er. Deshalb: "Wir sind überzeugt, dass die Transaktion kommen wird." Alles eine Frage der Zeit. Da aber Osram mehr als vier Milliarden Euro Umsatz macht mit rund 24 000 Mitarbeitern und AMS mit 9000 Mitarbeitern 1,4 Milliarden Euro umsetzt, steht schon lange auch die Frage im Raum: Wer sollte hier eigentlich wen übernehmen?

Bevor er seine Osram-Pläne diskutiert, lädt Everke in einen kleinen Demonstrationsraum, wo er einige High-Tech-Produkte zeigt. Zum Beispiel ein kleines Messgerät. Mit einer App verbunden, lassen sich die einzelnen Bestandteile von Nahrungsmitteln sehr schnell per Knopfdruck nachweisen. "Wenn Sie Allergiker sind, wissen Sie sofort, ob Nüsse drin sind oder nicht." Ähnlich wüssten auch die Arbeitnehmer-Vertreter sehr gerne: Was ist eigentlich drin in diesem AMS-Paket?

Inzwischen ist es Mittag, als sich vier IG-Metaller in einem Sitzungssaal der Gewerkschaft im Münchner Stadtteil Giesing versammeln. Giesing war mal ein Arbeiterviertel und ist nicht so elegant wie das Lehel, aber dafür steht auf dem Plakat an der Wand das Motto "Miteinander für morgen".

"David übernimmt hier Goliath", sagt Osram-Aufsichtsrätin Irene Schulz aus dem Vorstand der IG Metall. Und: "AMS hat keine Erfahrung mit solchen Übernahmen." Tatsächlich gehe es hier nicht um einen "gemeinsamen Konzern, sondern um die Beherrschung von Osram". Und dann?

300 Millionen Euro an Kosten wollen die Österreicher einsparen, indem sie nach der Übernahme unter anderem doppelte Funktionen in der Verwaltung streichen. "Auf der Verwaltungsebene wird ein Abbau stattfinden, das ist richtig", sagt Everke. "Das sind einige Hundert." Allerdings ist AMS bereits hoch verschuldet und muss noch einmal Milliardenkredite aufnehmen, um Osram zu schlucken. Damit steigt der Druck, in kurzer Zeit viel einzusparen. "Die Beschäftigten von Osram haben in den vergangenen Jahren schon viel durchgemacht", sagt Johann Horn von der IG Metall Bayern. Würde es nach einer Übernahme ans große Streichen gehen, würde München wohl "als erster Standort rasiert".

Von den Finanzinvestoren Bain und Carlyle hörte man wenig in letzter Zeit

Wie auch Osram-Chef Berlien ziehen die Arbeitnehmervertreter die Offerte der US-Finanzinvestoren Bain und Carlyle vor, das allein schon ist bemerkenswert. "Wir sind nicht zum Fanclub von Bain und Carlyle geworden", sagt Schulz; beide Bieter hätten Standortsicherungen für drei Jahre gegeben. "Aber AMS startet mit einer Milliardenverschuldung" - und dies seien schlechte Startvoraussetzungen.

Auch deshalb hatten sich die Gewerkschafter schriftlich an den Osram-Großaktionär Allianz gewandt. Man möge doch bitte seine Aktien nicht einem Konzern aus Österreich andienen, "der das Traditionsunternehmen Osram zerschlagen will". Die Allianz-Tochter Global Investors hält gut neun Prozent der Osram-Aktien und hat daher eine gewisse Macht in diesem großen Spiel. Angeblich soll der Vermögensverwalter inzwischen gewillt sein, sein Paket nach Österreich zu verkaufen - das wäre dann ein Punktsieg für AMS. Auch deshalb sehen sich die Österreicher bei Osram schon so gut wie am Ziel. Allerdings: Von den Finanzinvestoren Bain und Carlyle hörte man wenig in letzter Zeit. Bis zum 1. Oktober könnten die Amerikaner ihr Osram-Angebot noch aufstocken.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019
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