Opposition fordert Nachtragsetat:Rettungsschirm bringt Haushalt in Not

Der ständige Rettungsschirm ESM soll früher als geplant in Kraft treten, die Folge: Milliarden-Lücken im Bundeshaushalt. Das Parlament hat den Haushalt für das kommende Jahr bereits beschlossen. Ausgaben für den ESM waren darin aber nicht eingeplant.

Guido Bohsem

Die europäischen Beschlüsse im Kampf gegen die Schuldenkrise in Europa werden voraussichtlich neue Löcher in den Bundeshaushalt reißen. Der schnellere Aufbau des ständigen europäischen Rettungsschirms ESM könnte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sogar dazu zwingen, einen Nachtragshaushalt für den eben erst beschlossenen Etat 2012 vorzulegen.

Opposition fordert Nachtragsetat: Das Vorziehen des Rettungsschrims ESM würde Lücken in den Bundeshaushalt reißen: Ein Etatnachtrag ist möglich.

Das Vorziehen des Rettungsschrims ESM würde Lücken in den Bundeshaushalt reißen: Ein Etatnachtrag ist möglich.

4,3 Milliarden Euro fehlen in der Planung, falls der ESM seine Arbeit früher als geplant beginnt. Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider rechnet damit, dass noch höhere Zahlungen fällig werden, um den Schirm funktionsfähig zu machen. "Wenn er vorgezogen werden soll, dann muss auch sein gesamtes Volumen von Anfang an zur Verfügung stehen", sagte Schneider.

Der deutsche Beitrag für den Schirm beträgt insgesamt 21,5 Milliarden Euro. Er sollte nach den ursprünglichen Plänen von 2013 an in fünf Tranchen von jeweils 4,3 Milliarden Euro eingezahlt werden. Das Parlament hatte den Haushalt für das Jahr 2012 erst am vergangenen Freitag beschlossen. Er sieht Ausgaben von 306 Milliarden Euro vor, 26 Milliarden Euro davon sollen durch neue Schulden finanziert werden. Ausgaben für den permanenten Rettungsschirm sind nicht eingeplant.

Startet der Schirm früher, hält die Opposition deshalb eine vom Bundestag beschlossene Nachbesserung des Etats für unumgänglich. "Die zusätzlichen Belastungen für den Bundeshaushalt, die durch ein vorzeitiges Inkrafttreten des ESM entstehen, machen 2012 einen Nachtragshaushalt erforderlich", urteilt SPD-Experte Schneider. Damit werde der Anstieg der Neuverschuldung im kommenden Jahr noch deutlicher ausfallen, obwohl der Staat derzeit Steuereinnahmen auf Rekordniveau verbuche. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Rechnungshof mit Blick auf die Einzahlungen in den Rettungsschirm.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs beraten auf dem Gipfel am Donnerstag über den ESM. Es ist wahrscheinlich, dass sie den Rettungsschirm früher als geplant in Kraft setzen werden. Deutschland und Frankreich haben sich bereits für ein Vorziehen ausgesprochen. In vielen anderen Euro-Staaten gibt es Zustimmung dafür.

Einnahmen von zwei Milliarden Euro brechen weg

Doch auch die Planungen für 2013 sind gefährdet. Erstmals räumte Schäubles Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer ein, dass sich die geplante Steuer auf Finanzgeschäfte weiter verzögert. Damit brechen Einnahmen von zwei Milliarden Euro weg. Gatzer zeigte sich in einem Schreiben an die Minister der Regierung zuversichtlich, den Ausfall der Finanztransaktionssteuer und auch die am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Steuersenkung ausgleichen zu können.

Weitere Ausgabensteigerungen seien aber nicht drin. So will Gatzer beispielsweise das von der Koalition beschlossene Betreuungsgeld durch Einsparungen in den Ressorts finanzieren. Die im Finanzplan beschriebenen Ausgaben stellten keine Besitzstände dar, schreibt er. "Weitere Belastungen, insbesondere auf der Ausgabenseite, würden zu einer Erhöhung der Neuverschuldung führen." Dies gelte auch für geringere Einnahmen oder höhere Ausgaben, die eine Eintrübung der Konjunktur mit sich bringen könnten. Bis Ende Februar werde er einen Entwurf für eine neue Finanzplanung präsentieren und dabei die negativen Umstände berücksichtigen.

Der Haushalt im kommenden Jahr

Wie dramatisch schlecht sich der Haushalt in den kommenden Jahren entwickelt, zeigt vor allem der Blick auf das laufende Jahr. 48 Milliarden Euro neue Schulden wollte der Bund zunächst machen. Tatsächlich herauskommen dürfte nach Angaben aus FDP und Union ein Wert, der unter 20 Milliarden Euro liegt. Dies hat seine Ursache allerdings ausschließlich in der guten Konjunktur und der deshalb niedrigen Arbeitslosigkeit.

Beide Faktoren spülen enorm viel Geld in die Kassen des Staates, während die Sozialausgaben vor allem für das Arbeitslosengeld deutlich sinken. Wenn sich die Konjunktur in den nächsten Jahren schlechter entwickelt, wird sich der Trend umkehren: Es dürfte dann zu großen Lücken im Haushalt der Bundesregierung kommen.

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