Süddeutsche Zeitung

Oppenheim-Prozess:Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafen für Ex-Bankchefs

  • Im Oppenheim-Prozess fordert die Staatsanwaltschaft für alle vier angeklagten Ex-Bankchefs Gefängnisstrafen.
  • Die vier Angeklagten hätten sich der "gemeinschaftlich begangenen Untreue in besonders schwerem Fall" schuldig gemacht.
  • Verhandelt wird der Niedergang des traditionsreichen Bankhauses Sal. Oppenheim. Die Bank war durch Fehlentscheidungen in eine existenzielle Abhängigkeit vom Karstadt-Mutterkonzern Arcandor und dessen Großaktionärin Madeleine Schickedanz geraten.
  • Das Urteil soll im Juni fallen.

Von Kirsten Bialdiga

Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich weiß nicht, wie er beginnen soll. Vor ihm liegt ein siebenstündiges Plädoyer, und er hadert mit dem ersten Satz: "Wenn man ein so herausgehobenes Verfahren über zwei Jahre begleitet hat, wie kann man das angemessen einleiten?" Der Ankläger entscheidet sich für einen scherzhaften Ansatz: Am Vorabend des Prozessauftakts sei der Papst zurückgetreten, am Vorabend dieses Donnerstages seien Ermittlungen gegen Fifa-Verantwortliche bekannt geworden - er frage sich nun, was wohl am Vorabend des in Kürze zu erwartenden Urteils im Oppenheim-Prozess geschehe. Der Scherz zum Auftakt sollte an diesem Tag der einzige bleiben.

Für alle vier angeklagten Ex-Bankchefs fordert die Staatsanwaltschaft Gefängnisstrafen. Für Matthias Graf von Krockow, Ex- Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter, plädierte die Anklage auf drei Jahre und drei Monate. Christopher Freiherr von Oppenheim soll zwei Jahre und acht Monate erhalten. Für Dieter Pfundt verlangte die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und zehn Monate, und für Friedrich Carl Janssen drei Jahre und sechs Monate - die höchste Forderung. Die vier Angeklagten hätten sich der "gemeinschaftlich begangenen Untreue in besonders schwerem Fall" schuldig gemacht. Bis zu einer Höhe von zwei Jahren können Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden. Ihr einstiger Geschäftspartner Josef Esch, der nur noch wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz angeklagt ist, soll der Anklage zufolge lediglich eine Geldstrafe "in Höhe von 90 Tagessätzen" zahlen.

Der 122. Verhandlungstag beginnt mit einem Witz

Mit dem Plädoyer der Staatsanwälte geht am 122. Verhandlungstag einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte in die Schlussphase. Verhandelt wird der Niedergang des traditionsreichen Bankhauses Sal. Oppenheim und vor allem, welchen Anteil die angeklagten Banker daran hatten. Die Bank war durch Fehlentscheidungen in eine existenzielle Abhängigkeit vom Karstadt-Mutterkonzern Arcandor und dessen Großaktionärin Madeleine Schickedanz geraten. Als Arcandor 2009 in die Pleite rutschte, stand auch Europas einst größte Privatbank vor dem Ruin, wurde aber in Teilen von der Deutschen Bank aufgefangen.

Das Urteil soll im Juni fallen. Richterin Sabine Grobecker hatte schon in einer vorläufigen Einschätzung deutlich gemacht, dass auch sie die Ex-Bankchefs für schuldig hält, allerdings hatte sie Bewährungsstrafen nicht ausgeschlossen. Doch am Donnerstag ist die Stunde der Ankläger. Schwere Vorwürfe erheben sie gegen die Bank-Manager. Es sei zu gravierenden Pflichtverletzungen gekommen, obwohl die Banker im Detail über ausreichende Informationen verfügt hätten. Präzise zeichnet Elschenbroich die Vorgänge nach, die zu einer immer größeren Abhängigkeit des Bankhauses von Milliardärin Schickedanz und dem Arcandor-Konzern führten.

Nach und nach seien dabei die Kontrollinstanzen ausgeschaltet worden. Die Spitzenbanker hätten sich über kritische Anmerkungen ihrer Mitarbeiter einfach hinweg gesetzt: "Die Partner hatten wesentlich größeres Vertrauen in die Entwicklung von Karstadt-Quelle als die Fachabteilungen." Schließlich hätten die Unternehmensanalysten der Bank den Fall Arcandor nicht mehr prüfen dürfen, sondern nur noch die Kredit-Analysten.

Noch lascher sei das Kredit-Engagement nach dem Tod des Familienpatriarchen Alfred von Oppenheim im Jahr 2005 überwacht worden. "Die Aufsichtsgremien wirkten danach deutlich geschwächt", sagte Elschenbroich und zitiert einen Zeugen, der über dessen Nachfolger ausgesagt hatte: "Hätte Baron v. Ullmann etwas Prägendes gesagt, würde ich mich daran erinnern." Zudem hatte Sal. Oppenheim gerade die BHF-Bank übernommen und damit das eigene Vermögen stark dezimiert.

"Klumpenrisiko Karstadt-Quelle"

Die Situation wurde noch dadurch verschärft, dass der Plan des damaligen Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff, den Konzern von der Börse zu nehmen, nicht aufging. Um Arcandor zu entschulden, mussten die Karstadt-Immobilien verkauft werden - und standen für die Oppenheim-Esch-Fonds nicht mehr zur Verfügung. Eigentlich war damit das Arcandor-Engagement für Oppenheim überflüssig geworden, es machte keinen Sinn mehr: "Übrig blieb nur noch eine vom Bankhaus gepamperte Großaktionärin Schickedanz."

Doch die Bank steckte schon zu tief drin im "Klumpenrisiko Karstadt-Quelle". Die Führungsspitze reichte einen weiteren Kredit aus, das so genannte ADG-Darlehen, und erhöhte ihren Einsatz bei Arcandor auf über 700 Millionen Euro. Allerdings sei dies verdeckt geschehen, über ein Strohmanngeschäft, so der Staatsanwalt.

Als die Bundesbank durch Presseberichte aufmerksam wurde, enthielten die Bankmanager der Aufsichtsbehörde laut Elschenbroich sogar wichtige Informationen vor, um Meldepflichten zu umgehen, auch das eine klare Pflichtverletzung. Nüchtern listet der Staatsanwalt die Vergehen auf, zum Scherzen ist ihm und seinem Kollegen nach sieben Stunden nicht mehr zumute.

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SZ vom 29.05.2015/ratz
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