Süddeutsche Zeitung

OpenLux:Eine Steueroase? Ach wo!

Die luxemburgische Regierung kritisiert die OpenLux-Enthüllungen und lobt die Transparenz im Großherzogtum. Steuerexperten und Politiker aus dem EU-Parlament sehen das hingegen anders.

Von Ralf Wiegand , Mauritius Much und Frederik Obermaier, München

Die Regierung von Luxemburg reagierte schnell: Die Zeitungen mit den OpenLux-Recherchen über die Steueroase waren am Montag noch nicht einmal vollständig ausgeliefert, da veröffentlichte das Großherzogtum bereits eine ausführliche Stellungnahme: Die Kritik sei unbegründet, "Luxemburg bietet kein günstiges Steuersystem für multinationale Unternehmen und auch nicht für digitale Unternehmen". Zudem sei sich das Land seiner Verantwortung als internationales Finanzzentrum auch in der Bekämpfung von Geldwäsche voll bewusst.

Die Steueroasen überall auf der Welt sind mittlerweile geübt im Umgang mit Enthüllungen. Swiss-Leaks, Football-Leaks, Panama Papers, Paradise Papers und nun OpenLux - es vergeht kein Jahr ohne eine neue Recherche, die verdeutlicht, wie schädlich die Finanzpolitik von Ländern wie Panama, den Britischen Jungferninseln oder Malta ist. Der Schaden durch Steuerhinterziehung und Steuerminimierung für andere Nationen wird auf mehrere Hundert Milliarden Euro jährlich geschätzt - ganz davon abgesehen, dass die dort angebotenen intransparenten Firmenkonstrukte auch Verbrechern dienen können, illegal erzielte Profite zu waschen.

Noch am Montagmorgen, so berichtete die Zeitung Luxemburger Wort, informierten Finanzminister Pierre Gramegna und Justizministerin Sam Tanson das luxemburgische Parlament über die Enthüllungen - und wiegelten ab. Gilles Baum, der Fraktionschef der regierenden DP, vermutete gar eine Art Verschwörung hinter den Enthüllungen: "Nach dem Brexit wird der Kuchen neu verteilt und die Bankplätze gegeneinander ausgespielt."

Das Finanzgeheimnis mache Steuermissbrauch möglich, Drogenkartelle bankfähig und Menschenhandel profitabel

Steuerexperten aus dem Ausland beurteilten die OpenLux-Ergebnisse von Süddeutscher Zeitung, Le Monde und weiteren Partnern anders: Die Recherche zeige, dass die Europäische Union mehr gegen Steuerminimierung und Steuerhinterziehung unternehmen müsse, erklärte die Independent Commission for the Reform of International Corporate Taxation (ICRICT), der unter anderem der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz angehört. "Halbherzige Ansätze helfen nicht weiter, deswegen muss das Thema Steuervermeidung, Steueroasen und internationale Geldwäsche endlich mit Elan angegangen werden", fordert auch die Bürgerbewegung Finanzwende. Und die Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network erklärte: "Das Finanzgeheimnis bleibt eine zentrale Säule der luxemburgischen Wirtschaft." Dies mache "Steuermissbrauch möglich, Drogenkartelle bankfähig und Menschenhandel profitabel".

Die luxemburgische Regierung - aber auch Teile der Opposition - weisen Kritik indes zurück. Das Großherzogtum sei "eines der ersten Länder Europas, das ein öffentliches Register der wirtschaftlich Berechtigten eingerichtet hat", heißt es auf einer eigens zu den OpenLux-Enthüllungen eingerichteten Internetseite. Im Parlament fand am Dienstagnachmittag eine Debatte darüber statt.

Es stimmt, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darauf verständigt haben, Transparenzregister einzuführen. Luxemburg war eines der ersten Länder, das die Datenbank für die Öffentlichkeit zugänglich machte - allerdings ist es nur nach Firmennamen durchsuchbar. Die OpenLux-Rechercheure haben die Daten so aufbereitet, dass sie auch nach Personen durchsucht werden können.

Die Auswertung ergab, dass bei etwa der Hälfte aller luxemburgischen Firmen der wahre Eigentümer gar nicht genannt wird - stattdessen tauchen Geschäftsführer, Verwalter oder niemand auf. Die Aussage der luxemburgischen Regierung, das Register sei "zu 90 Prozent vollständig", ist daher irreführend.

Besonders auffällig sind die Lücken im Register im Bereich der Investmentfonds, die ein Vermögen von mehreren Billionen Euro verwalten. Viele von ihnen nennen ihre Eigentümer nicht, obwohl sie dazu verpflichtet wären, wie eine Analyse von Transparency International und des Anti Corruption Data Collective zeigt. Datenexperten der beiden Organisationen stellten fest, dass etliche Fonds zwar gegenüber US-Behörden offenlegten, dass sie zwischen einem und drei Eigentümer haben und wer diese sind - im luxemburgischen Register diese allerdings nicht genannt sind.

Die EU-Kommission will die Enthüllungen nun weiter analysieren

Auf SZ-Anfrage erklärte die zuständige Finanzbehörde CSSF, dass man die US-amerikanischen und luxemburgischen Datenbanken "nicht pauschal" miteinander vergleichen könne. Ob die fraglichen Fonds nun zumindest überprüft wurden, ließ die CSSF zunächst offen.

Die EU-Kommission erklärte, dass die detaillierten Enthüllungen interessante Informationen enthielten, die noch weiter analysiert werden müssten. Sie zeigten, welche Fehler es im System gebe. Das EU-Parlament hatte das Großherzogtum - ebenso wie andere europäische Steueroasen - wiederholt kritisiert. Markus Ferber, der für die CSU im Europaparlament sitzt, erklärte: "Luxemburg betreibt eine innereuropäische Steueroase, und die Europäische Kommission schaut weitgehend tatenlos zu." Sie dürfe im Zweifel auch vor einem Vertragsverletzungsverfahren gegen das Großherzogtum nicht zurückschrecken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5201160
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.