Süddeutsche Zeitung

Open Data:Das digitale Gold

Streit um die Nutzung von Open Data: Die Wirtschaft will die Daten, zahlen möchte sie aber nicht. Ein Problem für die Politik, die unter Druck gerät.

Von Leopold Zaak

Wann wird die Ampel grün? Wo ist der nächste Parkplatz frei? Wann kommt der nächste Bus? Wissen über diese Fragen bezeichnen viele als das "Gold des Internetzeitalters". Open Data nennt sich das, worum sich Wirtschaft und Politik seit einiger Zeit streiten. Die Wirtschaft meint, das Gold liege auf der Straße, man müsse es nur aufheben. Das Problem: Der Staat sitzt auf den Datenschätzen, die die Wirtschaft gerne bergen möchte.

"Open Data sind Rohdaten aus der Verwaltung, die entgeltfrei und digital vom Staat zur Verfügung gestellt werden müssen", erklärte Dirk Heckmann, Professor für Internetrecht an der Universität in Passau, auf einer Konferenz der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft zur Notwendigkeit von Open Government Data. Das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung, EGovG, verpflichtet den Staat, die ihm vorliegenden elektronischen Daten zum Abruf zur Verfügung zu stellen - fragt sich nur, wie und welche Daten?

Grundsätzlich sieht das Gesetz den Staat in der Bringschuld. Eine Bringschuld, aus der sich aber nicht zwangsläufig ein bürgerlicher Anspruch auf die Daten der Verwaltung ableitet. "Der Bürger ist heute kein Bittsteller an die Obrigkeit mehr", sagt Heckmann. "Heutzutage soll der Staat Dienstleister sein." Dennoch ist der Bürger abhängig davon, ob der Staat seiner Pflicht nachkommt. Glaubt man der Wirtschaft, tut er das nur unzureichend.

Stefan Bader ist Geschäftsführer bei Parkpocket, einem Start-up, das Open Data nutzt, um Parkplatzprobleme in Innenstädten zu beheben. Um die App zu verbessern, ist Bader auf Daten vieler deutscher Städte angewiesen. Ein Problem für das junge Unternehmen: "Jede Stadt hat eigene Standards, was die Veröffentlichung von Open Data betrifft", so Bader. Unterschiedliche Dateitypen, verschiedene rechtliche Bedingungen: Die Auswertung der Datensätze mehrerer Städte ist mit einem hohen Aufwand verbunden. "Es braucht einen rechtlichen Rahmen, der es Unternehmen leicht macht, diese Daten zu bekommen", sagt Bader.

Die bürokratischen Umstände auf dem Weg zu den Daten sind das eine. Die Kosten für die Nutzung das andere. Johannes Strassmayr ist Chef bei Sobos, einem österreichischen Start-up, das per App Pegeldaten und Warnungen bei Hochwasser zur Verfügung stellt. Hierfür benötigt Sobos Open Data. Daten, für die Strassmayr nicht zahlen möchte. "Die Daten sind da, der Staat hat die Messergebnisse. Wieso sollten wir dafür zahlen?" Eine Kompromisslösung sieht er nicht: "Dann gehen Gründer mit solchen Ideen eben ins Ausland." Es ist eine neue Kultur der Unternehmer, die den Rohstoff für ihr Produkt nicht mehr selbst finanzieren möchten.

Unterstützung findet Strassmayr bei Professor Heckmann. "Die Daten, die der Staat erhebt, sind ja bereits von Steuergeldern finanziert." Die Kostenforderung sei daher nicht gerechtfertigt. Albert Füracker, Staatssekretär im bayerischen Finanz- und Heimatministerium, sieht das anders. "Bei einer kostenfreien Nutzung der Daten ist wirklich jeder berechtigt, darauf zuzugreifen", sagt Füracker und spielt damit auf die Konzerne Facebook, Google und Amazon an. Er befürchtet, dass das neue Gold von der staatlichen Hand über kleine Firmen hinweg an die Konzerne geht.

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, zeichnet ein düsteres Zukunfts-Szenario auf. "In den nächsten zehn Jahren werden 50 bis 60 Prozent der Arbeitsplätze in der Industrie wegfallen." Diesen Wegfall könne man durch die richtige Bereitstellung von Open Data durch den Staat teilweise kompensieren. Sollte das nicht Anreiz genug sein, könnte die EU mit Zahlen nachhelfen: Die Europäische Freihandelsassoziation schätzt das Marktpotenzial öffentlicher Daten für 2016 bis 2020 auf 325 Milliarden Euro. Es könnte ein Anreiz sein, der so etwas wie Goldgräberstimmung bei Open Data erzeugt.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2018
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