Süddeutsche Zeitung

Opel und Peugeot:Die mögliche Opel-Übernahme grenzt an ein Wunder

Die Vorstellung von einem europäischen Großkonzern ist verlockend, gerade in Zeiten amerikanischer Abschottung. Doch das Projekt wird wohl zu gewaltig sein.

Kommentar von Marc Beise

Peugeot Citroën kauft Opel - welch eine Idee! Lasst uns träumen: von einem europäischen Champion, einem der dann größten Autokonzerne der Welt. Wenn der französische Konzern unter starkem Staatseinfluss dem amerikanischen Autobauer General Motors (GM) die ungeliebte deutsche Tochter Opel abkaufen würde, dann gäbe es eine neue Allianz der Nachbarn diesseits und jenseits des Rheins, mit einer Konzernzentrale für Franzosen und Deutsche in Paris. Wie Mut machend wäre das doch angesichts des provinziellen Tuns in Wolfsburg, wo der sehr deutsche VW-Konzern derzeit mit den Folgen des Dieselbetrugs kämpft und sich in Intrigen zermürbt.

Ein neuer europäischer Fixstern in dieser wirren Zeit, in der der amerikanische Präsident Donald Trump in Freund-Feind-Kategorien denkt, Grenzen betont, "America first" ruft und das Ausland auf die hinteren Plätze verweisen will - ein solcher Konzern könnte die Kraft haben, ein Gegengewicht zu Amerika zu bilden und die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern, die eines Tages autonom fahrende und sogar fliegende Autos den Volkswirtschaften bescheren werden; schneller übrigens, als viele bisher glauben.

Kann ein solcher Zusammenschluss überhaupt gelingen?

Vor vielen Jahren machte ein Buch des französischen Journalisten und Politikers Jean-Jacques Servant-Schreiber Furore mit dem Titel: "Le Défi Americain"; ein Bestseller, übersetzt in 15 Sprachen, von dem allein in Frankreich 600 000 Exemplare verkauft wurden. Die "amerikanische Herausforderung" bestand für den früheren Kampfpiloten Servant-Schreiber in der industriellen und technologischen Überlegenheit der westlichen Führungsmacht, die Europa womöglich unterwerfen würde, durch eine Invasion seiner Firmen. "Die dritte industrielle Weltmacht nach den USA und der UdSSR könnte in 15 Jahren sehr wohl nicht Europa, sondern die amerikanische Industrie in Europa sein", schrieb der Autor im Jahr 1968, und er beschwor die Europäer, sich zusammenzutun.

Das Vorwort der deutschen Ausgabe übrigens steuerte ein Politiker namens Franz Josef Strauß bei, zu dieser Zeit Bundesfinanz- und vormals Verteidigungsminister. Jener Strauß, der zwei Jahre später, 1970, maßgeblich an der Gründung des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus beteiligt war. Das Unternehmen fand mit Milliardensubventionen seinen Platz in der Weltwirtschaft, ist aber heute immerhin der einzige große Konkurrent des amerikanischen Giganten Boeing. Kann so etwas nun wieder mit Autos gelingen? Und soll es das?

Peugeot und Opel ergänzen sich nicht - sie haben die gleichen Probleme

Gerade in einer wegen Trump vielfach erwarteten neuen Weltordnung wäre das eine reizvolle Vorstellung. Der Brexit hat die Europäische Union in ihren Grundfesten erschüttert, die Gemeinsamkeiten verlieren sich im Brüsseler Kleinklein. Manche reden schon von einem Ende des Euro, vom Niedergang eines integrierten Europas. In dieser Phase die deutsch-französische Zusammenarbeit zu festigen durch einen Großkonzern mit Werken in beiden Ländern, und das ausgerechnet in der Autoindustrie, die von der Zahl der Arbeitsplätze bis zu Emotionalität des Produkts eine herausragende Bedeutung hat - das wäre ein großes, ein gewaltiges Projekt. Leider wird es wohl zu gewaltig sein.

Es beginnt schon damit, dass eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Zusammenschlüsse nicht gegeben ist: dass man sich in der Produktpalette oder in den Weltregionen, in denen man jeweils aktiv ist, ergänzt. Aber Peugeot Citroën und Opel buhlen im selben Kundensegment um Käufer. Beide sind in Europa Konkurrenten und auf dem wichtigen amerikanischen Markt praktisch nicht präsent. Peugeot hat auch schon ohne Opel Probleme genug. Und Opel kommt partout nicht aus den roten Zahlen. Aus zwei Lahmen wird kein Gesunder, sagte am Dienstag ein Analyst; nicht jedes Bild, das schief ist, ist falsch.

Es ist kein Zufall, dass die Amerikaner ihre deutsche Tochter, die sie 1929 gekauft haben, jetzt offenkundig loswerden wollen. Schlagen die Franzosen ein, dann investieren sie in einem Hochlohnland. In Frankreich wie in Deutschland müssten nach der betriebswirtschaftlichen Logik viele Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, und das gegen den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften. Es würde ein schmutziger Kampf.

Wenn aber all das zu bewältigen wäre, wenn hier also wirklich gerade etwas großes Neues entsteht, das seine Wirkung womöglich über die Wirtschaft hinaus auch politisch und gesellschaftlich entfalten sollte, dann wäre das ein Wunder. Ein europäisches Wunder. Davon zu träumen, ist so schön.

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SZ vom 15.02.2017/vit
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