Opel und GM:Das verkorkste Schauspiel

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Ohrfeige für Kanzlerin Merkel und ihren Vize Steinmeier: Der in einer Blitzkur gesundete Autoriese General Motors möchte seine deutsche Tochter Opel wohl doch lieber behalten. Die Deutschen sehen mit ihrem Werben für einen Verkauf an Magna wie dumme Schulkinder aus.

Melanie Ahlemeier

Kühle Sachlichkeit prägt das Verhältnis zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama. "Abkumpeln" wie mit Amtsvorgänger George W. Bush ist mit ihm nicht zu machen.

Erstklassig blamiert: Kanzlerin Angela Merkel und die Causa Opel. GM, mehrheitlich von der US-Regierung um Präsident Barack Obama kontrolliert, hält jetzt doch an der europäischen Tochter fest. (Foto: Foto: dpa; AP/Montage: sde, C.Büch)

Für Obama heißt es: Prioritäten setzen - und durchziehen. Das gilt auch für den Verwaltungsrat von General Motors (GM), den Staatskonzern im weitesten Sinne, der mit vielen Milliarden US-Dollar der Regierung aus der Insolvenz gerettet werden musste. Es gilt das Prinzip knallharte Interessenspolitik, und das ist PS-stärker als das transatlantische Verhältnis.

Es hat nur 40 Tage gedauert, bis der größte US-Autohersteller das Insolvenzverfahren schon wieder verlassen hat. Nach der Gesundschrumpfung fühlen sich die Manager in Detroit und ihre Finanziers in Washington wieder stark - und haben sich ganz einfach umentschieden: Nun wollen sie die Rüsselsheimer Tochter Opel offenbar nicht mehr los werden, sondern lieber behalten. We shall overcome!

Aus US-Perspektive ist die Kehrtwende - wenn auch noch nicht beschlossen und verkündet, aber durchaus gut vorstellbar - verständlich. GM braucht seine europäische Tochter, um mit dem Know-How des Entwicklungszentrums Rüsselsheim endlich die verfehlte Modellpolitik der vergangenen Jahre vergessen zu machen. Was GM nicht benötigt, ist ein quasi selbst gepäppelter starker Konkurrent auf dem wichtiger werdenden russischen Automarkt - der über ein Konglomerat mit dem Autozuliefer Magna, der russischen Autofabrik Gaz und der Sberbank in Moskau zweifelsohne entstehen könnte. Das ist genau die Wunschkonstellation der Bundesregierung, der betroffenen Ministerpräsidenten und der Opel-Belegschaft.

Was aber geht das alles den Eigentümer in Detroit an, der im Übrigen immer Eigentümer von Opel geblieben ist? Aus deutscher Sicht ist die GM-Kehrtwende vor allem eine schallende Ohrfeige für die Spitzenkräfte der Bundesregierung, die im Wahlkampf lustlos miteinander streiten: die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Vize Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Viele erinnern sich noch, wie ein breit grinsender Steinmeier nach durchtagter Nacht den Reportern vor dem Bundeskanzleramt erklärte, dass Opel dank Magna gerettet sei. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) stand daneben und gab zu Protokoll, anderer Meinung zu sein. Er hatte früh das hässliche Wort von einer "geordneten Insolvenz" ins Spiel gebracht, doch ein solches Negativszenario schickt sich einfach nicht im Wahlkampf. Es war nicht die Stunde für einen selbsternannten neuen Ludwig Erhard.

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Die Einmischung in Unternehmenspolitik und die frühe Festlegung der Kanzlerin, Opel um jeden Preis zu retten, war ein Irrtum. Der Fehler ist gemacht. Die Festlegung auf Magna, von Steinmeier und seinen Sozialdemokraten energisch betrieben, war ein zweiter. Hier irrte der Staat. Hier ließen sich die Politiker im Kampf um Jobs und Wählerstimmen zu vermeintlich Populärem hinreißen. Hier schwächte das Virus Industriepolitik die Vernunft.

Plakativer Appell: Opel-Mitarbeiter in Rüsselsheim. (Foto: Foto: ddp)

Die Bundesregierung war bereit, trotz klammer Staatskasse 4,5 Milliarden Euro in Opel zu stecken - in ein Unternehmen, das seit Jahren nicht mehr profitabel wirtschaftet. Ein Dreivierteljahr dauert das Schauspiel rund um Rüsselsheim nun schon, mit etlichen nächtlichen Marathonsitzungen, die angeblich jedes Mal den Verhandlungsdurchbruch bringen sollten, mit immer neuen Parolen, mit dem Fiat-Chef im Pullover und einer Private-Equity-Gesellschaft, die zum Schluss auch noch heuschreckengleich auftauchte.

Welche Rolle aber spielte die deutschen Regierung? Es blieb ihr wenig mehr als der Part des Narren am eigenen Hof.

Getrieben vom Wahlkampf haben Merkel, Steinmeier, Franz Müntefering, Roland Koch - und wie sie alle heißen - stur die Polit-Scheuklappen aufgesetzt und jeden wirtschaftlichen Verstand einfach ausgeschaltet. Schlaue Politik sieht anders aus.

Dabei hätte eine geordnete Opel-Insolvenz - begleitet vom Staat - eine Chance sein können, eine Chance für einen echten Opel-Neubeginn. Wie es geht, ein Unternehmen gesund zu schrumpfen und mit den Fehlern und den Fehlentscheidungen der Vergangenheit aufzuräumen, hat Obama mit Chrysler und GM in den USA gerade eindrucksvoll gezeigt. Die Deutschen jedoch gaben sich der Illusion hin, etwas sanieren zu können, was ihnen gar nicht gehört.

Die Bundesregierung hat sich erpressbar machen lassen - und wird vielleicht weiter draufzahlen, weit über die Schmerzgrenze hinaus. Mit rund drei Milliarden Euro kalkuliert GM, um Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall wieder auf Trab zu bringen.

Wird mit dem Geld deutscher Steuerzahler ein lahmes Unternehmen angeschoben, weil aus Sicht der Bundesregierung eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland um jeden Preis verhindert werden muss? Oder zahlen Obamas Regierung und andere europäische Länder? Angela Merkel und ihr Gegenkandidat Steinmeier sind erneut in der Bredouille, viele Staatsmilliarden zu zahlen, um einen deutschen Standort zu retten. Arbeitsplätze wird eine Sanierung am Ende dennoch kosten, anderes lassen die horrenden Opel-Verluste nicht zu.

Vielleicht sollte Merkel in diesem traurigen Schauspiel verkorkster Wirtschaftspolitik einfach noch einmal in Ruhe mit US-Präsident Obama reden - auch wenn das nicht so einfach ist wie damals mit George W. Bush, der die Deutsche im Ford-Geländewagen auf seine Ranch mitnahm. Fürs Lernen ist es nie zu spät.

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