Opel:Opels neue Kapitäne

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Nun trennt sich General Motors doch von Opel. Hinter dem Käufer Magna stehen Investoren aus dem Osten - welche Pläne verfolgt die russische Regierung?

K.-H. Büschemann, N. Piper u. S. Zekri

Der Plan war verwegen. Er wurde im Mai bekannt, und nach zähen Verhandlungen hatten die Partner im August endlich ein Vertragskonvolut von 600 Seiten erarbeitet. Der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna steigt bei Opel ein. Der drittgrößte Autozulieferer der Welt, der mit 74.000 Beschäftigten für praktisch alle großen Autohersteller der Welt Teile liefert oder sogar in kleinen Stückzahlen ganze Autos fertigt, bringt als Partner den maroden russischen Autohersteller Gaz mit sowie die russische Staatsbank Sberbank. Alle drei erwerben zusammen 55 Prozent an dem angeschlagenen Autohersteller Opel, der seit 1928 zu General Motors (GM) gehört. Zehn Prozent gehen an die Belegschaft. GM behält den Rest.

Magna-Manager hatten immer wieder darüber berichtet, wie schwierig es sei, mit GM auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Und in den zurückliegenden Tagen sah es so aus, als sei dieser Plan ganz vom Tisch. Der Krisenkonzern GM, der gerade das Insolvenzverfahren hinter sich hat und inzwischen ein US-Staatskonzern ist, wolle seine europäische Tochtergesellschaft gar nicht mehr loswerden, sondern behalten.

Am Donnerstagnachmittag dann kam das Ende der Spekulationen. Magna bekommt den Zuschlag doch. Die Belegschaft bei Opel zeigt sich, wenn nicht glücklich, dann doch erleichtert. Sie hatte befürchtet, die Werke in Eisenach und Bochum würden geschlossen, sobald der alte Eigentümer wieder das Sagen hätte. Die Bundesregierung ist zufrieden. Kanzlerin Merkel lässt das klar erkennen. Sowohl SPD wie CDU hatten sich früh darauf festgelegt, der Verkauf von Opel an Magna und die russischen Partner sei die beste Lösung. Die Regierung hatte auch einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt, der Opel das einstweilige Überleben sicherte.

Markt mit großem Potential

Die Hoffnung von Opel auf den östlichen Kooperationspartner ist groß. Russland hat 125 Millionen Einwohner und bietet einen großen Absatzmarkt. Die einheimische Autoindustrie aber ist marode. Der Betriebsratsvorsitzende von Opel, Klaus Franz, sagte der SZ, er sei sicher, dass mit dem Einstieg von Magna und den Russen die Schließung von Werken verhindert werden könne. "Wir haben mit Beratern Pläne entwickelt, die keine Werksschließung und betriebsbedingte Kündigungen bringen werden." Wenn Opel von GM abgetrennt werde, könne die Marke relativ bald 210 000 Autos mehr verkaufen. Im letzten Jahr lieferte die europäische GM-Tochter etwa 1,4 Millionen Autos aus.

Doch es gab zeitweilig heftigen Widerstand gegen den Einstieg von Russland und Magna. Der von seinen drückenden Schulden befreite GM-Konzern hatte plötzlich wieder Gefallen gefunden an seiner europäischen Tochtergesellschaft. Die sei für GM nur schwer zu ersetzen, sagten einige im Detroiter Unternehmen. Die deutsche Marke, die 1928 von den Amerikanern gekauft worden war, ist zuletzt nicht viel mehr gewesen als eine Abteilung des großen Konzerns, aber eine wichtige. Opel hat im großen GM-Konzern den Auftrag, für die ganze Welt die Autos in der sogenannten Kompaktklasse und in der Mittelklasse zu entwickeln. Zudem besetzt Opel mit den Schwestermarken Vauxhall und Saab für GM den europäischen Automarkt. Den wollen die Amerikaner nicht einfach preisgeben. Die klare interne Arbeitsteilung besagt: Opel beliefert Europa, darf dafür aber nicht die europäischen Modelle in Amerika verkaufen.

Chevrolet mit guten Noten

Die Bedeutung von Opel für den Gesamtkonzern lässt sich auf Amerikas Straßen beobachten. Zu den Lichtblicken in der oft langweiligen und technisch mangelhaften Autopalette von GM gehört der Chevrolet Malibu. Der Kompaktwagen wird in den Staaten gut verkauft. Er bekommt wegen seiner technischen Qualität gute Noten. In seinem technischen Kern ist der Malibu eine Opel-Entwicklung.

Opel entwickelt in Rüsselsheim mit mehr als 6000 Fachleuten Automobile für den gesamten GM-Konzern. Daher war eine Sorge der Amerikaner, mit Opel könnte GM einen Teil seiner technologischen Kompetenz verlieren. Aber noch größer war bei manchem in der GM-Zentrale die Befürchtung, das gesamte Know-how könnte Russland in die Hände geraten.

Ein Grund für diese Skepsis war offenbar, dass die russische Regierung ein klares nationales Interesse hat, die marode nationale Autoindustrie mit Hilfe von Opel in die Moderne zu führen. Die Rettung der hochverschuldeten Branche, die zu den ineffizientesten der Welt gehört, ist für Russland eine Frage des sozialen Friedens, aber auch des nationalen Prestiges. In der russischen Autoindustrie sind zehntausende Mitarbeiter beschäftigt. Der Import von ausländischer Autotechnologie gilt vielen als einzige Chance für eine Erneuerung, die Russland aus eigener Kraft derzeit nicht schafft.

Nur einer ist skeptisch. German Gref, Chef der staatlichen Sberbank und künftiger Miteigentümer von Opel, gab sich zurückhaltend. Er fügte sich dem Wunsch der politischen Führung - aber ohne innere Überzeugung. Er hat mit seiner Bank, die unter der Wirtschaftskrise zu leiden hat, schon genug Probleme und hat bereits angekündigt, so schnell wie möglich aus dem Engagement bei Opel wieder auszusteigen.

Das russische Interesse an Opel wurde von den Mächtigen in Moskau nie offen zur Schau gestellt. Aber als im Juli der russische Präsident Dmitrij Medwedjew Bundeskanzlerin Angela Merkel in Schloss Schleißheim bei München besuchte, wurde es sehr deutlich. Deutsche Unternehmer fürchteten schon, Russlands mächtiger Premier Wladimir Putin könne ein Scheitern des Opel-Deals durchaus persönlich nehmen - mit schweren Folgen für ausländische Investoren in Russland.

Fachleute bezweifeln, dass der russische Markt für Opel schnell genug die nötige Hilfe bringen wird. Opel müsse in Russland erst ein eigenes Vertriebsnetz aufbauen und eine eigene Produktion einrichten. Das dauere mindestens zwei Jahre, sagt ein Automanager der SZ. "So viel Zeit hat Opel nicht". Zudem seien die Stückzahlen, die die europäische Marke dauerhaft auf dem russischen Markt erreichen könne, nicht groß genug. Ein Hersteller, der weniger als zwei Millionen Autos im Jahr fertige , sei zu klein.

© SZ vom 11.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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