Süddeutsche Zeitung

Opel:Lopez und die bösen Folgen

Gute Technik, schwaches Image: Worunter Opel und andere Marken von General Motors leiden.

Von Georg Kacher und Jörg Reichle

Die Schuld an den Problemen von General Motors (GM) in Europa haben sicher nicht die heutigen Technik-Verantwortlichen Carl-Peter Forster und Bob Lutz, sondern Louis Hughes und Bob Hendry.

Unter diesen beiden amerikanischen Managern, die die europäischen Konzernmarken Opel und Saab mehr verwalteten als führten und die lange Jahre ohne Gespür für die Kunden regierten, beschleunigte sich der Niedergang der europäischen GM-Töchter.

Vor zehn Jahren noch hatte Opel in Deutschland einen Marktanteil von 17 Prozent und eine ganze Reihe durchaus gelungener Autos. Mit Slogans wie "Opel der Zuverlässige" und "Nur Fliegen ist schöner" setzten die Rüsselsheimer auf eine Mischung von Vernunft und Emotion. Sie machten damit gute Gewinne.

Qualität wieder spürbar verbessert

Dann schickte Detroit den Finanzmann Hughes als Statthalter zu Opel. Damit verschwand die Emotion aus der Modellpalette, die Vernunft begann und das Desaster folgte.

Für neue Modelle wurden die Mittel dramatisch zusammengestrichen, gleichzeitig quetschte der als Kostenkiller bald zu Berühmtheit gelangte Spanier José Ignacio Lopez als Verantwortlicher für den Einkauf die Zulieferer aus wie nie zuvor.

Bald standen die Opel-Fahrzeuge im bösen Ruf, häufig ihren Dienst aufzukündigen. Rostschäden häuften sich bei den alten Astra-und Omega-Modellen und folgerichtig stürzten die Modelle in den Pannen- und Mängelranglisten von ADAC und TÜV ab.

Ist aber der Ruf erst ruiniert, sind enttäuschte Kunden von einst kaum zurückzuholen. Das musste nicht zuletzt der 2001 an die Opel-Spitze gerückte Carl-Peter Forster erkennen, der seit diesem Juni das Europa-Geschäft von GM von Zürich aus verantwortet.

Zwar wird die neu ausgerichtete Palette der Vectra Modelle oder des schnittig gezeichneten Volumenmodells Astra in der Fachpresse hoch gelobt. Doch noch immer leidet Opel unter dem Imageverlust der jüngeren Vergangenheit.

Auch wenn die Qualität der Autos längst durch aufwändige Maßnahmen spürbar verbessert wurde, wie die meinungsbildenden TÜV- und ADAC-Statistiken bestätigen, fällt der Absatz. Opel hat allein in diesem Jahr auf dem deutschen Markt knapp zehn Prozent verloren. Der Marktanteil ist hier inzwischen bei nur noch 9,4 Prozent angelangt.

Die Preise stehen unter Druck. Nicht einmal neue Modelle ließen sich zum Listenpreis verkaufen. Der neue Astra, der Anfang dieses Jahres auf den Markt kam, wurde vom ersten Tag an mit einem so genannten Frühbucher-Rabatt in den Markt gedrückt.

Und es ging weiter. Die Preise für Sonderausstattungen und Ausstattungspakete senkte Rüsselsheim vor wenigen Tagen um bis zu 4000 Euro - für fast die gesamte Modellpalette und noch bis zum Jahresende, heißt es - vorerst.

Noch immer leiden die europäischen Marken unter transatlantischer Verständnislosigkeit im Konzern und der absoluten Verschiedenheit der Märkte.

Bob Lutz zeigt das exemplarisch. Der gebürtige Schweizer ist bei GM nicht nur für Design und Technik zuständig, sondern auch für die Aufstellung der Marken. In Amerika kann er es sich leisten, teure Bausteine wie ABS und ESP aus den Basismodellen herauszunehmen und das gesparte Geld in hübschere Interieurs und fettere Incentives zu investieren.

Saab ohne Heimat

Doch in Europa müssen schon die Einstiegstypen jeder Modellreihe mit den wichtigsten Sicherheits- und Komfortfeatures ausgestattet sein - und das zu unverhältnismäßig hohen Einkaufs- und Produktionskosten.

Allein schon deshalb wird die Luft für Opel und Saab immer dünner. Von unten drängen die Koreaner (demnächst auch Chevrolet-Daewoo), und von oben drücken die Premium-Marken. Das Opel-Kerngeschäft wird sich daher noch stärker auf die Segmente Corsa, Astra und Vectra konzentrieren müssen.

Perspektiven bieten auch innovative Varianten wie Meriva und Zafira, Raumkonzepte wie Astra/Vectra-Kombi und Technik-Highlights wie Power-Diesel und Turbo-Benziner.

Saab droht dagegen zum Hersteller ohne Heimat zu verkommen. GM setzt in der Oberklasse ganz auf Cadillac. In Deutschland ist die einstige Individualistenmarke aus Schweden nur noch ein Schatten von einst.

Was GM fehlt auf dem Weg zur profitablen Weltunternehmen sind technische Neuerungen. Weil der übermächtige US-Markt das Handeln der Entscheidungsträger bestimmt, wiegen kurzfristige Erfolge schwerer als langfristige Trends.

Den Diesel-Boom hat man ebenso verschlafen wie alternative Antriebskonzepte, Fahrer-Assistenzsysteme und Leichtbau. Doch offenbar denkt man schon über das teure Europa hinaus: "Der europäische Markt", sagte GM-Boss Rick Wagoner unlängst im Gespräch mit der SZ, "ist für uns gar nicht mehr so wichtig. Die Zukunft liegt in Märkten wie Asien."

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Quelle:
SZ vom 14.10.2004
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