Opel:Ist der Ruf erst ruiniert...

... lebt es sich ganz ungeniert: Opels Probleme sind älter als die Diskussionen über Staatshilfen. Und sie sind mit Geld kaum zu lösen.

Thomas Fromm

"Wenn Du in'nem richtigen Schlitten fährst", sagt Bertie, der Manta-Fahrer, zu dem Mädchen in der Ente, "ich mein nicht so'ne Schrottgurke wie Du eine fährst, ich meine 'nen richtigen Schlitten, wenn Du in so einem sitzt, die Fenster auf, die Anlage voll aufgedreht bis zum Anschlag, das ist mehr als nur Autofahren. Das ist unbeschreiblich."

Opel-Marktanteile ganz groß

Opels Marktanteile: Der langsame Abstieg.

(Foto: online.sdewirtschaft)

1991 war irgendwie ein Opel-Jahr, und Manta-Filme über Fuchsschwänze, getunte Opels, Machos wie Bertie und Blondinen, waren der Kinostoff zur Marke. Vielleicht war Opel nie wieder so sehr Kult wie damals. Und vielleicht könnte man diese Filme 20 Jahre später sogar komplett vergessen, gäbe es da nicht diese symbolträchtige Szene, in der der coole Manta-Fahrer gegen den Typen aus dem Golf antritt. Manta gegen GTI, Opel gegen VW. Es waren die Jahre, in denen man in der Rüsselsheimer Opel-Zentrale wirklich glaubte, der Golf sei zu schlagen. 17 Prozent Marktanteil hatte man damals. Im ersten Halbjahr 2010 sind es gerade mal noch sieben Prozent. Und VW, der ewige Rivale, kontrolliert heute fast ein Viertel des Marktes.

Mindestens 800 Millionen Euro nötig

Markenpsychologen sagen über Opel, dass der Konzern von den Kunden nicht mehr als wichtig und führend wahrgenommen wird. Der Werbespruch "Wir leben Autos" - nur noch ein Versprechen ohne Anspruch auf Einlösung. Als junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren jüngst vom Center of Automotive (CoA) der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach nach ihren Präferenzen bei Automarken befragt wurden, war das Ergebnis für Opel niederschmetternd: Der Autobauer schnitt als "die mit Abstand uninteressanteste Marke" ab. Eine Marke aber, die für ihre Sanierung mindestens 800 Millionen Euro braucht.

Unsichere Perspektiven, dazu mit Rainer Brüderle (FDP) einen Bundeswirtschaftsminister, der Bürgschaften aus dem Deutschlandfonds bereits abgelehnt hat - wenn die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Nordrhein-Westfalen an diesem Dienstag über Bürgschaften für Opel beraten, dürfte dies eine schwierige Entscheidung sein.

Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hält Bürgschaften der Länder zu diesem Zeitpunkt für sinnlos. "Das Geld kann man für andere Dinge ausgeben", sagt er. Opels Problem: Die Qualität ist eher durchschnittlich, die Kosten sind hoch, der Wettbewerb ist hart, weil insgesamt zu viele Autos produziert werden. "Das kann nicht aufgehen", prophezeit Pieper. Selbst wenn Opel seine Hilfen nun zusammenbekäme, die Länder Millionenbürgschaften gäben - eine Garantie, dass nicht doch Werke in Deutschland geschlossen werden, sei dies nicht. Im Gegenteil: "Rüsselsheim als Technologiezentrum wird man brauchen, vielleicht noch Eisenach als modernsten Standort", sagt Pieper. Andere Standorte wie Bochum seien hingegen akut gefährdet. Wenn nicht heute, dann in zwei, drei oder vier Jahren.

Die Arbeitnehmer, allen voran Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz, kämpfen einen womöglich aussichtslosen Kampf. Sie glauben, dass die Opel-Mutter General Motors (GM) auf große Werksschließungen verzichtet, wenn nur genug Geld fließt. Was sie insgeheim wohl ahnen: Zur großen Kürzungsorgie wird es so oder so kommen - auch wenn die Länder zahlen. Trotzdem forderte der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter und Opel-Aufsichtsrat Armin Schild am Montag eine rasche Entscheidung der Länder. Zu befürchten sei sonst, dass der Verwaltungsrat von General Motors in den USA irgendwann die Geduld verliere und die Sanierung auf eigene Faust durchziehe.

Die Rolle der bösen Stiefmutter

Wie konnte es nur so weit kommen, wie konnte der Marktanteil von einst 17 Prozent auf heute nur noch sieben Prozent sinken? Den Anfang vom Ende, viele machen ihn heute an dem Spanier Ignacio López fest, jenem Einkaufsmanager, der mit seiner Billig-Politik gegenüber Zulieferern das Opel-Image schwer beschädigt haben soll. Auf gute Absatz- und Gewinnzahlen folgten die ersten Qualitätsprobleme, dann kamen die Rückrufaktionen, am Ende war der Ruf dahin. Je mehr gespart wurde, desto mehr ging den Bach runter. Beim Marketing, der Entwicklung neuer Modelle, in der Produktion, bei der Qualitätskontrolle wurden die Kosten gesenkt. Über die GM-Europazentrale in Zürich regierten die Amerikaner zwar mit - allerdings berichten Augenzeugen davon, dass jahrelang nur wenig koordiniert wurde. Nur eines war sicher: die ständigen Managementwechsel bei der europäischen Tochter, bei der sich GM-Manager im Zwei-Jahres-Rhythmus die Klinke in die Hand gaben. "Opel wurde zu einer Durchgangsstation für GM-Manager", sagt Analyst Pieper. Und da sich jeder auf höhere Weihen in Detroit vorbereitete, sei das Interesse an den Vorgängen in Rüsselsheim gering ausgeprägt gewesen.

Die US-Mutter, zu der Opel seit 1929 gehört, habe im Laufe der Jahre immer mehr die Rolle der bösen Stiefmutter übernommen, berichten Insider. Statt auf langfristige Entwicklungen und Innovationen setzten die Herren aus Detroit lieber auf schnellen Profit - und verzögerten damit Neuerungen etwa bei der Dieseltechnologie und bei alternativen Antrieben. Das Design, da waren sich die Kritiker seit Jahren einig, sei im Laufe der Zeit ohnehin kontur- und charakterlos geworden. Austauschbar wie sonst selten in der Autoindustrie. So sehen Analysten die Marke nun in der Falle zwischen oben und unten. Opel wird von oben von den Premiummarken und von unten von den Billigmarken in die Zange genommen. Dazu kommt: Im Jahr nach der Abwrackprämie verkaufen sich Klein- und Mittelklassewagen wie die von Opel nur schwer. Ein Ausweg ist zurzeit nicht in Sicht. Analysten rechnen damit, dass Opel in diesem Jahr einen Verlust einfahren wird, der zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro liegt.

Seit 20 Jahren kämpft Opel gegen seine Probleme an, seit anderthalb Jahren geht es dabei ums Überleben. Wie Opel-Chef Nick Reilly schon im kommenden Jahr wieder Gewinne schreiben will, ist daher vielen ein Rätsel. Das Wettrennen gegen VW jedenfalls ist - anders als im Film - schon seit langem verloren.

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