Opel: Entscheidung in Detroit:GM redet Tacheles

Bewegung im Fall Opel: GM-Chefunterhändler Smith informiert gegen Mittag zunächst die Bundesregierung, danach die Öffentlichkeit. Doch welche Entscheidung hat der Verwaltungsrat in Detroit getroffen?

Zwei Tage lang tagte in Detroit der Verwaltungsrat des US-Autokonzerns General Motors (GM). Wichtigstes Thema aus deutscher Sicht: Was wird aus Opel? Durchgesickert ist bislang noch nichts, das Bangen um Opel geht also vorläufig weiter. GM will erst im Laufe des Tages über das Ergebnis der Sitzung informieren.

Der Chefunterhändler der Amerikaner, John Smith, sei auf dem Weg in die Bundeshauptstadt, hieß es am frühen Donnerstagmorgen. Doch erst nach Mittag deutscher Zeit, wenn in den USA gerade der Tag beginnt, solle Berlin unterrichtet werden, sagte ein Insider.

Die Entscheidung über das Schicksal von Opel ist nach Angaben des Opel-Betriebsrats bereits endgültig gefallen. Der Betriebsratschef des Opel-Werkes in Eisenach, Harald Lieske, sagte dem rbb-Inforadio, er sei darüber vom thüringischen Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) informiert worden. Lieske sprach erneut gegen eine Zukunft von Opel unter dem Dach von GM aus.

Der Verwaltungsrat befasste sich mit vier möglichen Szenarien. Dazu zählt der Verkauf an den Zulieferer Magna International oder den konkurrierenden Finanzinvestor RHJ International, der Verbleib von Opel unter dem GM-Konzerndach oder eine Opel-Insolvenz. Das letzte Wort hat allerdings formell die Opel-Treuhand. Sie könnte gegebenenfalls noch Donnerstag entscheiden.

Bei der vorangegangenen Sitzung vor knapp zwei Wochen hatte das Gremium eine Entscheidung über einen Verkauf vertagt und stattdessen einen Verbleib der ehemaligen Europa-Tochter im US-Konzern prüfen lassen. Allerdings ist unklar, wie der vom Staat gestützte Autokonzern die Sanierung von Opel in Eigenregie finanzieren soll. Einem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zufolge, der bei der Board-Sitzung vorgelegt wurde, benötigt GM dafür bis zu 6,1 Milliarden Dollar - deutlich mehr als vom US-Konzern ursprünglich veranschlagt.

Mitarbeiter planen Protestaktion

Die Bundesregierung und die Gewerkschaften hatten sich mehrfach für einen Verkauf von Opel ausgesprochen und favorisieren den kanadischen Autozulieferer Magna. Dessen Gründer und Verwaltungsratschef Frank Stronach erklärte, aus seiner Sicht seien alle offenen Punkte zwischen Magna und GM geklärt. "Alles hängt davon ab, ob GM Opel verkaufen will", sagte er am Rande einer Preisverleihung in Köln. Er zeigte sich jedoch auch offen für Kooperationen, falls der US-Konzern Opel behalten will.

Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz hat sich abermals gegen einen Verbleib bei GM ausgesprochen. Im ZDF sagte Franz: "Es gibt unter diesem General Motor für uns keine Perspektive, das müssen wir klar sagen." Franz erklärte weiter, bisher habe er lediglich "Indikationen", wie die Entscheidung bei GM ausgegangen sein könnte.

Es sei abgemacht, dass die Arbeitnehmervertreter von GM "unmittelbar informiert" würden, sagte Franz weiter. Gehe es nach der Vernunft, müsse der Interessent Magna zum Zuge kommen, betonte der Gesamtbetriebsratschef weiter. Bei allen Entscheidungen gegen Magna würde die Arbeitnehmerseite entsprechende Proteste organisieren. Mit der Lohnzurückhaltung sei es dann vorbei, warnte Franz. Sollte es eine andere Entscheidung als die für Magna geben, würden am Freitag sehr viele Menschen zum Opel-Werk nach Eisenach reisen um die dortige Niederlassung "mit einer Menschenkette zu schützen".

Staatskredit muss zurückgezahlt werden

Deutschland hat die Existenz von Opel schon mit einem Kredit über 1,5 Milliarden Euro gesichert und ist bereit, dem Rüsselsheimer Konzern im Falle einer Magna-Übernahme weitere drei Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Falls GM den deutschen Traditionshersteller behält, müsste er den Staatskredit dagegen zurückzahlen.

Eine Opel-Insolvenz würde nach Einschätzung des Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer die Steuerzahler massiv belasten - mit rund sechs Milliarden Euro. Es sei damit zu rechnen, dass der Staatskredit von 1,5 Milliarden Euro nicht zurückgezahlt werde, sagte Dudenhöffer der Bild-Zeitung. Hinzu kämen Ausgaben wie Lohnzahlungen für Opel-Mitarbeiter, die sich insgesamt auf 4,5 Milliarden Euro summierten.

GM-Europachef Carl-Peter Forster bezeichnete die Pläne von GM, Opel zu behalten, als "sehr ernsthaft". Dem Magazin Auto, Motor und Sport sagte er: "Der neue Verwaltungsrat ist offensichtlich der Auffassung, dass Opel doch eine sehr wichtige Marke für GM ist und Europa ein sehr wichtiger Markt, und dass hier in Europa eine Menge Know-how vorhanden ist." Bisher habe man sich nur von Opel trennen wollen, weil die US-Regierung nicht erlaubt habe, mit Steuergeldern eine Restrukturierung außerhalb der USA zu betreiben.

Drei europäische Werke sollen geschlossen werden

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, GM würde bei einem Verbleib Opels im Konzern voraussichtlich drei europäische Werke schließen. Betroffen wären demnach die Fabriken in Eisenach, Bochum und Antwerpen. Dies gehe aus dem Sanierungsplan für Opel hervor, den GM im Frühjahr 2009 ausgearbeitet habe. Der Kleinwagen Corsa würde dann künftig nicht mehr in Eisenach, sondern im spanischen Saragossa gebaut. Die Produktion in Bochum würde nach Rüsselsheim, ins englische Ellesmere Port und ins polnische Gliwice verlegt. Auch das Getriebewerk in Kaiserslautern solle geschlossen werden.

Neben dem Opel-Geschäft befasste sich der GM-Verwaltungsrat Informanten zufolge auch mit einer Neuordnung der Unternehmensspitze. In diesem Rahmen soll Finanzchef Ray Young den Detroiter Konzern verlassen. Der 47-Jährige hatte das Amt 2008 unter dem früheren GM-Chef Rick Wagoner angetreten, der weniger später von der US-Regierung aus dem Unternehmen gedrängt wurde. Auch die Marketingstrategie des lange Zeit größten Autobauers der Welt soll überarbeitet werden.

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