Opel: Bund holt Berger:Die vielen Gesichter des Roland B.

Interessenkonflikt bei Opel: Roland Berger soll im Auftrag des Wirtschaftsministeriums vermitteln - obwohl sein Unternehmen GM berät.

Melanie Ahlemeier

Roland Berger weiß, wie Geschäfte laufen: Gründen, aufbauen, verkaufen - und natürlich verdienen. Er ist "der Ratgeber der Republik" (Manager Magazin). Jetzt erhält der Mann, der sich auf angeschlagene Unternehmen so gut versteht, einen weiteren echten Härtefall: Berger soll Opel vor dem Untergang retten - als Koordinator.

Opel, Roland Berger

Kann Roland Berger Opel retten?

(Foto: Foto: Getty, Reuters, dpa)

Dabei steuert der Unternehmensberater, der seit 40 Jahren Porsche fährt, schnurstracks auf einen Interessenkonflikt zu: Die von ihm gegründete Münchner Firma, bei der er als Aufsichtsratschef fungiert, besitzt ein Mandat für den Europa-Teil von General Motors (GM), der Mutterfirma von Opel.

Bergers wichtige Vermittler-Mission erfolgt im Auftrag von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Der Berater soll die Verhandlungen zur Rettung Opels koordinieren, heißt es. Dafür werde der 71-Jährige "seine nationalen und internationalen Kontakte sowie seine Erfahrung aus jahrelanger Tätigkeit als Unternehmensberater einbringen, um die komplizierten Fragen im Verhältnis zwischen Opel und General Motors zu lösen", so die Jobbeschreibung in einer Mitteilung des Ministeriums.

Dass die Firma Roland Berger Strategy Consultants zugleich GM Europe berät, erwähnt das Ministerium mit keinem Wort. Nur, dass "Herr Berger eng mit den auf Regierungsebene eingesetzten Beauftragen Steven Rattner und Staatssekretär Jochen Homann zusammenarbeiten" soll.

War der Berliner Bürokratie das Mandat seiner Beratungsgesellschaft, der er auch nach dem Ausscheiden aus dem operativen Geschäft aufs Stärkste verbunden ist, vielleicht nicht bekannt?

Kein Geld für Roland Berger

Das Bundeswirtschaftsministerium wiegelt ab. Von einem Interessenkonflikt Bergers könne keine Rede sein. "Wir bezahlen Herrn Berger nicht", sagte eine Sprecher auf Anfrage von sueddeutsche.de. Es bestehe kein Vertrag. Berger solle zwischen Opel, GM und einem privaten Investor vermitteln, nicht zwischen Opel, GM und der Regierung. Und: Die Bundesregierung sei mit Roland Berger "sehr einverstanden".

Doch warum veröffentlicht das Ministerium eine entsprechende Mitteilung, wenn die Bundesregierung bei der Causa Berger keine Rolle spielt?

Schon zu Wochenbeginn hatte Minister Guttenberg in Washington angekündigt, dass die Regierung einen Koordinator installieren werde, der die Gespräche zusammenführen soll. Der Name Berger fiel da noch nicht.

Opel kämpft seit Monaten ums Überleben und hat schon vor Wochen den Staat um Hilfe gebeten. Europaweit erhofft sich das Unternehmen Hilfen von 3,3 Milliarden Euro - in Form von Bürgschaften, Krediten oder Beteiligungen. Bis zum 31. März muss der vor dem Kollaps stehende US-Mutterkonzern GM ein neues, vor allem zukuftsfähiges Unternehmenskonzept vorlegen, welches die Regierungen in Washington und Berlin überzeugt. Nur dann steigen die Chancen auf staatliche Hilfen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Gröbaz" Berger - warum er nicht loslassen kann.

Mittendrin statt außen vor

Und nun also Roland Berger, der Einflüsterer, der Kontakter, der Strippenzieher. Zwar fehlt dem Mann, der nahezu alle Autokonzerne schon einmal beraten hat, noch der genaue Opel-Überblick - und auch mit potentiellen Investoren hat er noch nicht gesprochen. Fest steht aber: Das Konzept, das Roland Berger Strategy Consultants entwickelt, wird er sehen. Und für sich nutzen.

Dabei hat es der Mann mit dem Spitznamen "Gröbaz" (größter Berater aller Zeiten) längst nicht mehr nötig, sich diesen unbezahlten Stress überhaupt anzutun. Sein Unternehmen Roland Berger Strategy Consultants, weltweit die Nummer vier, wächst seit mehr als 40 Jahren nahezu ununterbrochen und wirft verlässlich Millionengewinne ab. Im Unternehmen hat Berger seine Nachfolge geregelt, privat verfügt er über ein beachtliches Vermögen und setzt sich mit seiner Stiftung für Menschenrechte ein. An Jugendliche vergibt er großzügig Stipendien.

Anders als andere deutsche Superreiche lebt der bekennende Netzwerker aber mitnichten zurückgezogen in seiner Villa in München-Bogenhausen. Er ist weiter mittendrin im Geschehen und verteilt seine Weltsicht gerne in Talkshows, Meinungsbeiträgen und Interviews an ein Millionenpublikum.

Doktor und Professor

Der mehrfache Ehrendoktor und Honorarprofessor hat viele Aufsichts- und Verwaltungsratsmandate, darunter beim italienischen Fiat-Konzern und kanadischen Aluminiumgiganten Alcan. Erst Anfang März hat er gemeinsam mit Thomas Middelhoff, einst Chef von Bertelsmann und Arcandor, und dem Investmentbanker Florian Lahnstein eine Investmentfirma in London gegründet. Gemeinsam haben sie in der durch die Finanzkrise in Verruf geratenen Szene Großes vor.

Auch in der großen Politik ist Berger ständig unterwegs. So sitzt er unter anderem im US-Board des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Regelmäßig trifft er sich mit Top-Entscheidern aus Politik und Wirtschaft, darunter Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Und selbstverständlich ist er bei einem Weltwirtschaftsforum in Davos so etwas wie ein zweiter Hausherr, der sie alle kennt.

Doch Roland Berger ist auch Aufsichtsratschef von Roland Berger Strategy Consultants. In dieser Funktion ist er für seine Berater Gold wert.

So unterstützte der Patriarch 2006 die Partner seines Unternehmens beim Rückkauf von Bankschulden mit einem Darlehen in zweistelliger Millionenhöhe. Und er ist weiterhin der Chefdiplomat, wenn es um große Beratungsaufträge geht. Das hilft besonders bei politisch heiklen Sanierungsprojekten.

Auf der nächsten Seite: Bergers TV-Desaster und die Folgen.

Das Berger-Desaster

Egal, ob es um die Gesundschrumpfung von Autobauern geht oder um den Überlebenskampf einer Warenhauskette - Berger ist bei den wichtigsten Gesprächen im Hinterzimmer dabei und sorgt als lebendes Markenzeichen für die nötige Imagewerbung. Dabei spricht er natürlich nicht über konkrete Beratungsprojekte - Diskretion Ehrensache -, sondern viel lieber über das große Ganze.

Wie schwer es ist, im Beratungsgeschäft politischen Einfluss und Kommerz auseinanderzuhalten, erlebte Roland Berger im Jahr 2004 vor laufenden Kameras. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) watschte ihn in der Talk-Sendung "Sabine Christiansen" wegen angeblicher Gefälligkeitsgutachten für Wulffs Vorgänger Schröder derart ab, dass es dem sonst pefekten Medienprofi Berger die Sprache verschlug.

Massiv in der Kritik

Zuvor schon waren seine Berater massiv in die Kritik geraten, die bei der Bundesagentur für Arbeit eingesetzt waren. Politiker und Medien kritisierten die Vermischung von politischer Gremienarbeit und Unternehmensberatung scharf. Als Agenturchef Florian Gerster gehen musste, verlor das Beratungsunternehmen offenbar eine große Zahl von Staatsaufträgen.

Für einige Zeit zog sich Roland Berger aus den Talkshows zurück; der Bereich Politikberatung wurde zurückgefahren. Inzwischen gilt er längst als rehabilitiert. Erst vor wenigen Wochen saß der Mann mit den grauen Haaren und dem Dauerlächeln wieder im TV und talkte.

Eine Beteiligung der Deutschen Bank hatte Berger in der Vergangenheit die schnelle Expansion erleichtert. Und: Durch die engen Verbindungen zum größten deutschen Geldhaus waren Bergers Berater bestens informiert, wenn Unternehmen in Schieflage gerieten. Weil sie gleichzeitig das Vertrauen der Gläubiger genossen, waren sie als Berater und Vermittler in vielen Fällen quasi gesetzt. So ist nicht verwunderlich, dass Roland Berger Strategy Consultants angibt, rund 80 Prozent der deutschen Industrieunternehmen irgendwann schon einmal beraten zu haben.

"Wir denken und arbeiten strategisch. Wir wollen kreative Lösungen. Und wir wollen den Erfolg", heißt es auf der Website der Beratungsagentur. Eine kreative Lösung ist auch im Fall Opel gefragt - wenn auch mit eingebautem Interessenkonflikt.

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