Opec:Ölstaaten ringen um ihre Zukunft

A worker prepares to fill a car at a gas station close to Copacabana beach in Rio de Janeiro

Öl ist der Treibstoff für Wirtschaft und Autos: Bald dürfte er billiger werden, erwarten Experten.

(Foto: Ricardo Moraes/Reuters)
  • Weltweit leiden Staaten, Unternehmen und Mitarbeiter der Branche unter dem Verfall der Ölpreise.
  • Am Sonntag treffen sich die Mitglieder des Ölkartells Opec, um über Wege aus der Krise zu beraten.

Von Björn Finke, London, und Silvia Liebrich

Erst wird die Arbeitswoche auf vier Tage verkürzt, dann werden die Frauen aufgefordert, ihre Haare nicht mehr zu föhnen. Nein. Das ist kein Scherz, sondern die Reaktion Venezuelas auf einen chronischen Energiemangel. Ausgerechnet in einer der ölreichsten Nationen der Welt drohen die Lichter auszugehen. Und das liegt nicht allein an der anhaltenden Trockenheit - das südamerikanische Land erzeugt mehr als die Hälfte seines Stroms mit Wasserkraft. Schuld ist vor allem der drastische Ölpreisverfall. Dem Staat fehlt das Geld für den Ausbau von Energienetzen und Infrastruktur. Allein beim US-Öldienstleister Schlumberger steht das Land mit Milliarden in der Kreide, so dass der diese Woche ankündigte, er werde seine Geschäftsverbindung kappen.

Venezuela ist ein extremes Beispiel für die Folgen des Ölpreisverfalls, aber auch andere Erzeugerländer kämpfen mit großen Problemen. Mexiko gab bekannt, den staatlichen Förderkonzern Pemex mit 1,5 Milliarden Dollar stützen zu müssen. Der schreibt hohe Verluste. Das Finanzministerium begründete den Schritt mit der Bedeutung von Pemex für die Wirtschaft und die Staatsfinanzen. Der Konzern steuert ein Fünftel zum Staatshaushalt bei.

Die Krise lässt sich aus Sicht der Exportländer und Ölkonzerne nur beenden, indem die weltweite Produktion gedrosselt wird. Große Erwartungen ruhen deshalb auf dem Treffen von Vertretern des Ölkartells Opec und Russlands an diesem Sonntag in Doha, der Hauptstadt von Katar.

Die Opec-Mitglieder sind zerstritten, die Lage ist verfahren

Ziel des Treffens ist es, die Produktion zu begrenzen. Die Länder der Opec und Russland lieferten nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA im Februar die Hälfte der Weltproduktion. Doch die Lage ist verfahren: Die Opec-Mitglieder sind zerstritten; daran scheiterten schon frühere Versuche, die Förderung zu bremsen. Saudi-Arabien machte zuletzt eine Übereinkunft von der Teilnahme des Iran abhängig.

Iran dagegen schloss wiederholt eine Begrenzung der Fördermenge aus. Das Land, das sich gerade erst von Wirtschaftssanktionen befreit hat, will seine Produktion sogar um ein Viertel steigern. Das Dilemma der Förderländer ist jedoch: Je mehr sie produzieren, desto stärker geraten die Preise unter Druck, solange die Nachfrage nicht kräftig anzieht. Seit Mitte 2014 stürzten die Ölnotierungen von mehr als hundert Dollar auf nur noch etwa 40 Dollar ab. Der Preisverfall bringt zunehmend auch große und reiche Förderländer wie Saudi-Arabien in Bedrängnis. Dessen Staatshaushalt steht derzeit mit knapp 100 Milliarden Dollar im Minus. Der für 2017 oder 2018 geplante Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco soll für Entlastung sorgen. Der teilstaatliche russische Ölkonzern Rosneft sucht ebenfalls nach neuen Anteilseignern.

Auf einen Erfolg der Verhandlungen in Doha hoffen auch private internationale Öl- und Gaskonzerne wie Exxon-Mobil, Royal Dutch Shell oder BP. Der niedrige Ölpreis verringert die Einnahmen und zwingt die Firmen zum rabiaten Sparen. BP verbuchte im vergangenen Jahr sogar einen hohen Verlust von 6,5 Milliarden Dollar. Das brachte Konzernchef Bob Dudley am Donnerstag Ärger ein. Er musste sich auf der Hauptversammlung in London den Aktionären stellen, und viele Investoren waren sauer, dass Dudleys Bezüge für 2015 trotz des heftigen Fehlbetrags um ein Fünftel stiegen: auf 14,1 Millionen Pfund, also 18 Millionen Euro.

Allein in den USA kostete die Ölkrise bislang 70 000 Jobs

Opec: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Fast 60 Prozent der Anteilseigner stimmten gegen die Vergütungspolitik des Konzerns. Das Votum ist nicht bindend; BP darf das Geld also zahlen - aber es ist eine Ohrfeige. Beim Gehalt des Chefs spart BP nicht, bei vielem anderen schon. So kündigte Dudley zuletzt an, jede zehnte Stelle zu streichen. Die Investitionen dampfen die Londoner ebenfalls ein. Die Rivalen reagieren ganz ähnlich auf die niedrige Notierung: Allein Shell will im laufenden Jahr 10 000 Jobs abbauen.

In den USA kostete die Krise der Branche von Herbst 2014 bis Herbst 2015 etwa 70 000 Arbeitsplätze, schätzt die Federal Reserve Bank of Dallas. Viele amerikanische Fracking-Firmen haben hohe Schulden und nun Probleme, diese bei dem niedrigen Ölpreis zurückzuzahlen. Dass die Förderung von Schiefergas und -öl in den USA in den vergangenen Jahren rasant zugenommen hat, ist ein wichtiger Grund für das Überangebot auf dem Weltmarkt - und damit für den Verfall der Notierung.

Allerdings wird die Sparwut der Ölmanager dazu führen, dass in den kommenden Jahren weniger neue Quellen mit der Förderung beginnen. Seit Sommer 2014, also seit der Preis sinkt, legten die Konzerne weltweit insgesamt 68 geplante Förderprojekte im Wert von 380 Milliarden Dollar auf Eis, rechnen die Berater von Wood Mackenzie vor. Die Produktionskapazität dieser 68 Projekte entspricht der von ganz Kuwait. Und diese enorme Menge an Öl und Gas kommt nun nicht oder verspätet auf den Markt. Das dürfte den Preis stützen.

Doch schätzt die Internationale Energieagentur, dass in diesem Jahr immer noch mehr Öl gefördert als verbraucht werden wird. Damit werden sich die Lagertanks weiter füllen - und der Preis wird nicht allzu sehr steigen, wenn überhaupt. BP-Chef Dudley scherzt bereits, dass bald jeder Tank "und jedes Schwimmbecken" bis zum Rand voll mit Öl sein werde. Die IEA senkte am Donnerstag in Paris ihre Prognose für die weltweite Ölnachfrage. Weil der Bedarf in China, den USA und einem Großteil Europas zuletzt weniger stark zugelegt habe, werde die Nachfrage 2016 nur um 1,16 Millionen Barrel pro Tag wachsen, sagt die IEA voraus.

Ein Grund mehr für die Förderländer, sich in Doha auf eine Begrenzung zu einigen. Doch die meisten Beobachter rechnen nicht mit einschneidenden Beschlüssen.

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