Süddeutsche Zeitung

Opec:Die schwindende Macht des Öl-Kartells

  • Das Emirat Katar will zum Jahreswechsel das Öl-Kartell Opec verlassen. Die Entscheidung macht offensichtlich, wie sehr die Organisation an Bedeutung verloren hat.
  • Die wesentlichen Entscheidungen werden längst außerhalb der großen Runde festgelegt, unter anderem zwischen Russland und Saudi-Arabien.

Von Paul-Anton Krüger und Jan Willmroth

So begrüßen sich sonst nur alte Freunde. Als Saudi-Arabiens Kronpinz Mohammed bin Salman und der russische Präsident Wladimir Putin am Wochenende aufeinandertrafen, schlugen sie ein, anstatt sich einfach nur die Hand zu geben. Man sah, wie sie scherzten, man sah sie lachen, als sie beim G-20-Gipfel direkt nebeneinandersaßen. Während andere Staats- und Regierungschefs die Nähe des Thronfolgers wegen der Khashoggi-Mordaffäre mieden, ließen er und Putin die Welt abermals sehen, wie gut sie sich verstehen: Seit der ersten gemeinsamen Intervention am Ölmarkt Ende 2016 ist aus der Zweckgemeinschaft von damals eine Allianz geworden, ohne die in der Diplomatie der Petrostaaten nichts mehr geht.

Während die beiden demonstrierten, wer auf dem wichtigsten Rohstoffmarkt der Welt die mächtigsten Kräfte sind, macht eine Entscheidung Katars klar, wer seinen einst großen Einfluss weitgehend eingebüßt hat: Der Energieminister des kleinen Emirats, Saad Sherida al-Kaabi, verkündete am Montag auf einer Pressekonferenz in Doha, dass sein Land zum Jahreswechsel aus der Opec aussteigen werde, dem lange von den Golfstaaten dominierten Kartell der Erdölexporteure. Doha war 1961 beigetreten, als sechstes Land nach den Gründungsstaaten Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela.

Es ist der erste Austritt eines arabischen Landes aus dem Zusammenschluss - und insofern ein möglicher Wendepunkt in der langen Tradition des Länderklubs. Katar produziert pro Tag etwas mehr als eine Million Barrel Rohöl und Kondensat, zuletzt gingen 607 000 Barrel davon in den Export. Damit rangiert es innerhalb der Opec auf Platz elf und trägt nur etwa zwei Prozent zur gesamten Ausfuhr des Kartells bei. Die Auswirkungen auf Märkte und Preise dürften daher überschaubar bleiben. Offiziell begründete al-Kaabi den Ausstieg damit, Katar wolle sich auf die Produktion von Erdgas konzentrieren und seine Exporte von derzeit 77 Millionen Tonnen pro Jahr auf 110 Millionen Tonnen steigern. Damit würde Doha seine Stellung als Weltmarktführer weiter ausbauen, von der Energiemenge entspräche der gesamte Energie-Export dann 6,5 Millionen Barrel Öleinheiten, wobei Erdöl nur noch ein Zehntel davon ausmachte.

Allerdings: Die Mitgliedschaft in der Opec steht diesen Plänen nicht entgegen. Deswegen vermuten Branchenanalysten vorwiegend politische Gründe für die Entscheidung. Al-Kaabi stellte zwar jeden Zusammenhang mit der im Juni 2017 verhängten Blockade Katars durch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten in Abrede. Die Kapazität Katars ist zu klein, um wirksam die Bemühungen der Opec zu unterlaufen, den Ölpreis durch Produktionskürzungen zu stabilisieren; Saudi-Arabiens Energieminister Khalid al-Falih stellte in Aussicht, das Kartell und verbündete Staaten, vor allem Russland, könnten die Exporte um bis zu eine Million Barrel am Tag kürzen, um den Markt auszugleichen.

Vielmehr dürfte Doha kein Interesse mehr haben, in einer vom saudischen Kronprinzen dominierten Opec mitzutun und damit indirekt die wirtschaftlichen Interessen seines wichtigsten Widersachers zu unterstützen. Katar hat in dem Kartell traditionell eine Mittlerrolle zwischen den arabischen Golfstaaten und anderen Mitgliedern wie Venezuela und Iran gespielt. Auch löst sich Doha so weiter aus dem Gefüge des Golfkooperationsrates, der eine weitgehende Integration der Wirtschaft seiner sechs Mitglieder anstrebte. Und überdies geht Emir Tamim bin Hamad al-Thani möglichem Ärger mit US-Präsident Donald Trump aus dem Weg, der sein Justizministerium beauftragt hat, ein sogenanntes Nopec-Gesetz zu prüfen, das auf die Zerschlagung des Kartells zielen würde.

Je mehr ein Land produziert, desto größer ist sein Einfluss auf den Preis

Wobei sich die US-Regierung solche Drohgebärden nur erlauben kann, weil die USA mit dem Schieferöl-Boom wieder zum weltweit größten Ölproduzenten aufgestiegen sind. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Öl ein Land produziert, desto mehr hat es mitzureden und desto größer ist sein Einfluss auf die Preise. Russland, Saudi-Arabien und die USA haben allein einen Anteil am Weltmarkt, der in diesem Jahr auf 40 Prozent steigen könnte. Die Opec-Staaten mitsamt dem Königreich am Persischen Golf kommen gerade einmal auf knapp 33 Prozent. Die großen drei bestimmen, ob der Markt kurz- und mittelfristig über- oder unterversorgt ist.

Bis auf wenige Ausnahmen agieren die Opec-Staaten dabei momentan nur noch als Erfüllungsgehilfen. Kronprinz Mohammed bin Salman hat schnell verstanden, wie wenig Macht die Opec ohne Russland und anderen Staaten außerhalb des Kartells nur noch hat. Also schmiedeten er und Putin eine unter dem Namen "Opec+" bekannt gewordene Allianz von 24 Staaten und einigte sich im Dezember 2016 erstmals auf Förderkürzungen. Nun trifft sich die Opec zwar turnusgemäß diesen Donnerstag in Wien, wichtiger aber ist der Freitag, an dem die Nicht-Opec-Länder dazustoßen. Die wesentlichen Entscheidungen werden ohnehin außerhalb der großen Runde vorab festgelegt, es geht dann bei den Treffen nur noch um Details.

Aus katarischer Sicht ist der Ausstieg also folgerichtig. Für andere Mitglieder ist die Opec allein schon wichtig wegen technischer Hilfe und der Marktanalysen, die sie dort erhalten. Das kann Katar aus eigener Kraft leisten. Saudi-Arabien steht derweil vor einem alten Dilemma: Sitzt es die Phase niedriger Preise aus, behält oder steigert das Land zwar seine Marktanteile, riskiert aber unverzichtbare Einnahmen. Es bleibt also kaum etwas anderes übrig, als im Tandem mit Russland die Preise zu stabilisieren - allerdings ohne Trump zu verärgern, der stets die Tankstellenpreise in den USA im Blick hat. Wladimir Putin ist bekannt als einer, der solche Abhängigkeiten auszunutzen weiß. Auf dem G-20-Gipfel hatte er allen Grund zu lächeln.

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SZ vom 04.12.2018/jps
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