Opec:Das Ende des billigen Öls naht

File photo of employee working on drilling rig at Lukoil-owned Imilorskoye oil field outside Kogalym

Ein Ölarbeiter an einer Bohranlage auf dem sibirischen Ölfeld vor der Stadt Kogalym

(Foto: REUTERS)
  • Die wichtigsten Ölförderstaaten haben sich darauf geeinigt, weniger Öl zu fördern. Als Folge stieg der Ölpreis leicht an.
  • Für 2017 sagen Analysten voraus, dass sich der Preis für ein Barrel Öl zwischen 50 und 60 Dollar stabilisieren wird.
  • Allerdings müssen sich dafür alle beteiligten Staaten an ihre Vereinbarungen halten - das hat in der Vergangenheit nicht immer funktioniert.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Vertreter der wichtigsten Ölförderländer trafen sich in Wien und beschlossen die Wende. Keinen Monat ist das her. Sie würden Hunderttausende Barrel Öl weniger fördern, kündigten unter anderem die russische und die mexikanische Regierung an, die 13 Staaten der Organisation Erdöl exportierender Länder hatten sich zuvor schon auf Förderkürzungen verständigt.

In der ersten Jahreshälfte soll gerade so viel Öl vom Markt verschwinden, dass sich die Preise auf höherem Niveau einpendeln, stabiler bleiben als in den vergangenen Jahren und die Zeit des Dauer-Überangebots schneller vorbeigeht. Noch sieht es so aus, als werde das gelingen, als hätten die Ölproduzenten das Schlimmste hinter sich. In den ersten Wochen des neuen Jahres wartet die Industrie auf Beweise, dass die Wende geschafft ist.

Kaum hatten sich Opec-Länder und Staaten außerhalb des Länderklubs auf Kürzungen geeinigt, kletterten die Rohölpreise allmählich um gute 40 Prozent auf den höchsten Stand seit fast zwei Jahren; am Freitag kostete ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent 56,80 Dollar. Die Preistafeln an der Tankstelle erzählen von diesem zwischenzeitlichen Erfolg der Öl-Diplomatie.

Ein derartig umfassendes Abkommen hatte es zuletzt 2001 gegeben, damals mit mäßigem Erfolg. Es ist schon nicht einfach, wenn die Opec-Staaten miteinander unter sich verhandeln. Wenn - wie jetzt - noch elf weitere Länder daran beteiligt sind, wird ein Abkommen noch einmal komplexer. Fast ein ganzes Jahr hat es gedauert, vier Konferenzen und viele Stunden schwieriger Verhandlungen waren nötig, bis aus ersten Gerüchten über mögliche Förderkürzungen die Vereinbarung vom Dezember wurde. Wird sie halten?

Die Ölindustrie hat schmerzhafte Jahre hinter sich

Um die aktuelle Situation zu verstehen, reicht ein kurzer Blick zurück. Die Öl- und Gasindustrie hat eines der schmerzhaftesten Jahre seit Dekaden hinter sich. Noch vor genau einem Jahr rutschten sie unter 30 Dollar pro Barrel, so wenig wie seit mehr als zwölf Jahren nicht, ein Niveau, auf dem kaum noch jemand profitabel Öl fördern kann.

Die niedrigen Preise zwangen Ölexporteure wie Saudi-Arabien, Katar und Russland, ihre Budgets zurechtzustutzen und sich höher zu verschulden. Venezuela, das Land mit den größten Ölreserven weltweit, bewegte sich da schon am Rande des Bankrotts. Ölkonzerne strichen Hunderte Millionen an Investitionen zusammen, Hunderttausende Beschäftigte verloren ihre Jobs. Die Lager waren schon voll, sie füllten sich weiter, der Markt war völlig aus dem Gleichgewicht.

Marktanalysten unterboten sich im Januar 2016 mit Prognosen, die Ölpreise könnten noch weiter sinken, bis unter zwanzig, sogar bis auf zehn Dollar pro Barrel. Dieselkraftstoff war erstmals seit vielen Jahren wieder für unter einem Euro pro Liter zu haben. Und die Internationale Energie-Agentur warnte in ihrem Jahresbericht: Wenn weiter so wenig in Erhaltung und Erschließung von Ölquellen investiert werde, drohe in wenigen Jahren eine neue Phase extrem hoher Ölpreise. Wenige Wochen nach dem Opec-Beschluss hat sich der Markt beruhigt, die Preise schwanken deutlich weniger.

Die Opec-Staaten halten sich selten an ihre Zusagen

Die meisten Prognosen sehen den Ölpreis im Jahresverlauf zwischen 50 und 60 Dollar. Man ist sich einig: 2017 dürften Angebot und Verbrauch endlich wieder eine Balance finden. "Die Perspektiven für 2017 haben sich deutlich verändert", schreiben die Rohstoffanalysten der Commerzbank in ihrem Jahresausblick. Selbst wenn die Staaten außerhalb der Opec nicht mitmachten, werde der Markt erstmals seit 2013 in ein Angebotsdefizit rutschen. Das erwartet inzwischen auch die IEA. Tom Ellacott, leitender Analyst bei der Energieberatung Wood Mackenzie, sagt: "Insgesamt wird 2017 ein Jahr der Stabilität und neuer Chancen für Öl- und Gaskonzerne."

Noch ist es zu früh, die Ruhe der ersten Tage des Jahres fortzuschreiben, noch sind zu viele Faktoren unwägbar. Der erste ist die Erfahrung mit früheren Abkommen: Die Opec-Staaten hielten sich selten an ihre Zusagen, nur Saudi-Arabien und seine Verbündeten am Persischen Golf setzten ihre Förderkürzungen stets um. 17 Mal beschloss die Opec seit 1982, ihre Produktion zu drosseln - im Schnitt kürzten die Exportländer ihre Förderung nur um 60 Prozent ihrer zugesagten Menge, hat die Investmentbank Goldman Sachs errechnet.

Das aktuelle Abkommen gilt vorerst für sechs Monate, über diese Zeit dürfen die Staaten ihre Kürzungen strecken. Man wird also nicht sofort erkennen, ob der Deal auch umgesetzt wird. Marktbeobachter werden aus einer gigantischen Anzahl von Daten über Produktionsmengen, Fördertürme und den Füllstand von Lagern nach und nach ein aufschlussreiches Bild zeichnen.

Zu diesen Daten gehört der zweite große Unsicherheitsfaktor: Wie schnell die Schieferöl-Förderung in den USA auf die gestiegenen Preise reagiert, wird die Ölpreise stark beeinflussen. Die Zahl der Bohrtürme in den USA ist seit dem Sommer wieder gestiegen, jetzt dürfte die Produktionsmenge nachziehen, da zwischen Bohrung und Produktion einige Zeit vergeht. Die Ölförderung mittels Fracking hatte in den vergangenen Jahren wesentlich zum globalen Überangebot beigetragen.

Nur eines ist sicher: Der Ölpreis wird weiter stark schwanken

Drittens kommt dem Dollarkurs eine große Bedeutung zu. Die US-Währung bewegt sich auf dem höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt. Öl wird an den Weltmärkten in Dollar gehandelt. Je stärker der Dollar, desto geringer ist tendenziell die Nachfrage, weil Öl für den Rest der Welt teurer wird. Außerdem: Ein teurerer Dollar macht es wahrscheinlicher, dass Opec-Mitglieder schummeln und mehr fördern, als sie zugesagt haben.

Viertens könnte die Nachfrage nach Erdöl weniger stark steigen als erwartet. Die IEA rechnet damit, dass die Welt bis Ende des Jahres 1,3 Millionen Barrel mehr Öl nachfragt. Das ist im historischen Vergleich eher wenig. Viel wird davon abhängen, wie sich die Weltwirtschaft und vor allem die beiden größten Volkswirtschaften, USA und China, entwickeln. Je geringer die Nachfrage bleibt, desto länger dauert es, bis der Markt zurück in die Balance findet.

Große Preissprünge nach oben sind in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten, dagegen bleibt das Risiko, dass sich der jüngste Anstieg wieder verflüchtigt. Denn Anstrengungen, die zyklische Natur der Ölpreise durch eine Kontrolle der Produktionsmengen zu beeinflussen, sind allzu oft fehlgeschlagen. Der wichtigste Rohstoffpreis der Welt hat stets nur sein einziges Versprechen eingelöst: dass er immer stark schwankt. So wird es bleiben.

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