Süddeutsche Zeitung

Online-Handel:Alles nur Schwindel

Lesezeit: 3 min

Von Felicitas Wilke, München

Der Online-Shop warb mit Schnäppchen, Smartphones und Tablet-PCs waren teilweise um ein Viertel günstiger als bei anderen Händlern. Das muss rabattverwöhnte Kunden nicht gleich skeptisch machen. Doch als ihnen die bestellte Ware nach Tagen und Wochen noch immer nicht zugeliefert wurde, schöpften fast 800 Menschen aus ganz Deutschland den Verdacht, auf Betrüger hereingefallen zu sein - und erstatteten Anzeige. Vorvergangene Woche fassten Ermittler der Polizei Rhein-Sieg-Kreis vier Männer, die im Internet mutmaßlich Waren anpriesen, ohne sie jemals wirklich verkaufen zu wollen. Allem Anschein nach haben sie einen Fake-Shop betrieben. Und das kommt immer häufiger vor.

Allein die mutmaßlichen Betrüger aus Nordrhein-Westfalen brachten ihre Opfer nach jetzigem Stand um insgesamt mehr als 300 000 Euro, in ganz Deutschland soll durch scheinbare Online-Händler im vergangenen Jahr ein Schaden von 50 Millionen Euro entstanden sein.

"Die Probleme mit Fake-Shops werden vielfältiger und differenzierter", sagt der Dresdner Rechtsanwalt Wolfgang Wentzel, der den Bundesverband Onlinehandel in juristischen Belangen berät. Die Betrüger agieren teilweise auf eigenen Seiten, teilweise auf Amazon und gehen unterschiedlich professionell vor. Manchen geht es nicht nur darum, Geld zu kassieren: Neben dem finanziellen Verlust bestehe die Gefahr, "dass die Betrüger durch Identitätsdiebstahl mit den persönlichen und Zahlungsdaten weitere Straftaten im Namen der Käuferinnen und Käufer begehen", sagt Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen.

Was viele der unseriösen Anbieter eint: Sie nutzen eine Domain, die vorher von einer anderen Firma oder Institution genutzt worden war, aber dann - zum Beispiel nach einer Pleite - wieder verfügbar war. Eine Untersuchung des Amts der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) zeigt, dass 80 Prozent der verdächtigen Online-Shops in Deutschland einen Domainnamen nutzen, der vorher schon jemand anderem gehörte. Die Schwindler wollten sich auf diese Weise "die Popularität der Website zunutze machen, die zuvor mit dem Domainnamen ausgewiesen war", heißt es in der Studie. So kommt es vor, dass manche dubiosen Shops den Namen eines geschlossenen Restaurants, einer Praxis für Physiotherapie oder eines ehemaligen Handwerksbetriebs tragen.

Auf gar keinen Fall sollten Kunden per Vorkasse bezahlen

Wenn der plötzlich statt Beschichtungen Sommerkleider verkauft, dürften halbwegs kritische Verbraucher skeptisch werden. Doch nicht immer tragen die Seiten kuriose Namen, teilweise erinnern sie in ihrer Aufmachung an die großen Internethändler und kopieren bestehende Siegel wie "Trusted Shops", die eigentlich Vertrauen bei den Kunden schaffen sollen. Ob der Laden wirklich vertrauenswürdig ist, lässt sich nur durch die Gegenprobe feststellen: Auf den Seiten der Siegelanbieter sind die Firmen zu finden, die tatsächlich über das Zertifikat verfügen.

Doch nur weil eine Seite kein Siegel hat, muss sie noch nicht unseriös sein. Als weiteres Unterscheidungskriterium zwischen echten und Fake-Shops gilt ein fehlendes Impressum. Auf vielen eher schlecht gemachten Seiten fehlt es komplett, im Fall der Betrüger aus Nordrhein-Westfalen war allerdings eines zu finden - inklusive Verweis auf das Handelsregister. Wie sich später herausstellte, existierte die Person, auf die der Shop eingetragen war, in Wirklichkeit gar nicht. Die festgenommenen Männer hatten sich gefälschte Identitäten zugelegt.

Letztlich, sagt Rechtsanwalt Wentzel, könnten Kunden einen Fake-Shop identifizieren, "indem sie sich in die Lage eines verlässlichen Händlers versetzen und überlegen, wie dieser sich verhalten würde", sagt Wentzel. Finden sich auf Google keine Einträge zum Händler, ist er auf keiner Plattform wie Ebay, Amazon oder dem Real Marktplatz vertreten und gibt es keine oder ausschließlich überschwängliche Bewertungen, dann müsse man misstrauisch werden.

Egal, ob Kunden bei vermeintlichen Schnäppchen schwach werden oder doch das Risiko eingehen, auf einen Fake-Shop hereinzufallen: Auf gar keinen Fall sollten sie per Vorkasse bezahlen, denn dann ist das Geld im Zweifel weg. Bezahlt man per Lastschrift oder Kreditkarte, lässt sich der Betrag zurückholen beziehungsweise einer Buchung widersprechen. Lässt sich beim Online-Shop nur per Vorkasse bezahlen, sollte man jedem noch so guten Angebot widerstehen, damit es einem nicht so geht wie den 800 geprellten Menschen.

Wie es für sie weitergeht, ist noch ungewiss: Es steht noch nicht fest, wie viel Geld die Ganoven auf ihren mehr als 60 Konten gebunkert haben.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2018
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