Online-Durchsuchung:Ozapft is - die neue Macht des Trojaners

Smartphones

Wenn Ermittler Smartphones durchsuchen, haben sie auch Zugriff auf privateste Daten, die dort gespeichert sind.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Regierung will die Online-Durchsuchung deutlich ausweiten. Sie soll nun auch bei leichteren Delikten möglich sein, zum Beispiel Drogenbesitz.

Von Reiko Pinkert und Ronen Steinke

Die große Koalition plant, die Anwendung der sogenannten Online-Durchsuchung deutlich auszuweiten. Noch kurz vor Schluss des Gesetzgebungsverfahrens soll dies mithilfe eines Änderungsantrags zur geplanten Reform der Strafprozessordnung im Bundestag eingeschoben werden. Ende Juni könnte das Parlament dann beschließen, dass Online-Durchsuchungen künftig nicht nur für die Abwehr von Terroranschlägen oder anderen schweren Verbrechen erlaubt sind, sondern auch für die Verfolgung leichterer Delikte wie Hehlerei oder Drogenbesitz. Dies ergibt sich aus dem Entwurf, der der Süddeutschen Zeitung  vorliegt.

Die Online-Durchsuchung ist eine Methode, bei der Ermittler in Smartphones oder Computer eindringen, um dort die Daten von Verdächtigen auszuspähen. Als rechtsstaatlich heikel gilt dies erstens, weil eine virtuelle Durchsuchung, anders als eine herkömmliche Hausdurchsuchung, für Betroffene nicht erkennbar ist; erfolglose Spähaktionen werden also kaum je gerichtlich überprüft. Zweitens, weil heute oft privateste Daten auf Smartphones lagern.

Seit ihrer Einführung in Deutschland im Jahr 2009 ist die Online-Durchsuchung daher nur in sehr begrenzten Fällen erlaubt gewesen, nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts beschränkte man sich auf die Abwehr der Gefahr von konkreten, schweren Straftaten. Mit der nun vorgesehenen Änderung hingegen zöge diese Maßnahme womöglich in den polizeilichen Alltag ein.

Neu ist in dem Gesetzentwurf, dass die Online-Durchsuchung nicht mehr nur auf Gefahrenabwehr beschränkt wird. Stattdessen wäre sie nach dem neuen Paragrafen 100b der Strafprozessordnung auch zur Aufklärung bereits abgeschlossener Taten möglich. Neu ist daneben, dass künftig jede Dienststelle der Kriminalpolizei Spähsoftware nutzen dürfte, um Handys auszuforschen; nicht mehr nur das BKA.

Zudem erweitert die Koalition den Katalog der Straftaten, bei denen der Einsatz von Trojaner-Software künftig erlaubt sein soll, von schweren Verbrechen wie Staatsschutz- und Tötungsdelikten bis hinunter etwa zum Besitz einer "nicht geringen Menge" von Drogen oder zu der nach dem Asylgesetz strafbaren "Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung". Insgesamt sind es 38 Delikte. Ähnlich weit ist der Straftatenkatalog bislang beim Abhören von Telefonen, der sogenannten Telekommunikationsüberwachung, und diese zählt für Ermittler inzwischen zum Massengeschäft: 2015 wurden in 6000 Ermittlungsverfahren 32 668 solcher Telefon-Überwachungen durchgeführt, davon betraf knapp die Hälfte Drogen. Andererseits bleibt es auch nach den Reformplänen dabei, dass eine Online-Durchsuchung - so wie eine Telefonüberwachung - stets von einem Richter angeordnet werden muss.

Die Linke kritisiert, staatliches Hacking sei unkontrollierbar

Die Gesetzesänderung war bereits im Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart worden, das federführende Bundesjustizministerium hatte sich aber bis jetzt Zeit gelassen. Der Entwurf kommt zu einer Zeit, da die Technik in Deutschland noch immer am Anfang steht. Für das Ausspähen von PCs durch das BKA gibt es zwar eine Spähsoftware, einen sogenannten Bundestrojaner; das Programm wurde umgangssprachlich nach einer Wendung in seinem Quellcode genannt, "Ozapft is".

Für Smartphones und Tablets gibt es das bisher aber nicht. Das BKA hat erst 2017 begonnen, einen Trojaner dafür zu entwickeln. Das Bundesinnenministerium hat für dieses und andere Software-Projekte ein Budget von 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Nur als Notlösung, so hieß es, sei auch denkbar, Hacking-Tools auf dem freien Markt zu kaufen. Im Bundestag zeigten sich Vertreter der Union am Mittwoch zufrieden mit der Regelung, auf welche die Behörden lange gewartet hätten. Der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte dagegen kritisierte, staatliches Hacking sei "praktisch unkontrollierbar".

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