Süddeutsche Zeitung

Online-Daten:Der fremde Kunde

Deutsche Unternehmen wissen wenig über ihre Online-Nutzer. Auch ist den Mitarbeitern oft nicht klar, wie mit sensiblen Kundendaten umgegangen wird. Kein Wunder, dass die Skepsis der Verbraucher hierzulande groß ist.

Von Marcel Grzanna

In vielen deutschen Unternehmen herrscht Unklarheit über den Umgang mit personenbezogenen Nutzerdaten. Was genau mit ihnen geschieht, bleibt sehr häufig ein Geheimnis der Geschäftsführung. Das ist das Resultat einer Studie von CA Technologies, einem global operierendem Softwareentwickler, sowie Analysten der Beratungsfirma Frost&Sullivan. Demnach gab rund die Hälfte der deutschen Manager an, dass ihre Organisation personenbezogene Daten an Dritte weiter verkaufe. Unterdessen aber wisse nur jeder Zehnte IT-Sicherheitsmitarbeiter von diesen Praktiken.

Die Marktforscher befragten im Frühjahr 990 Konsumenten, 336 Sicherheitsexperten und 324 Geschäftsführer in zehn Ländern, allerdings noch vor Einführung der neuen Datenschutzverordnung der Europäischen Union, die möglicherweise massiven Einfluss auf das Bewusstsein für Datenschutz in den Firmen der EU genommen hat. Beispielsweise ist ein Datenschutzbeauftragter ab einer bestimmten Firmengröße in den Mitgliedsstaaten jetzt Pflicht. Die Resultate der Befragung offenbaren große Widersprüche, wenn es um die Wahrnehmung in den Firmen geht, wie dort mit den Daten umgegangen wird. 84 Prozent aller Manager bezeichnen den Datenschutz ihrer Firma als "sehr gut bis exzellent". Doch gleichzeitig geben 30 Prozent der befragten zu, dass ihre Organisation Opfer eines Datenklaus wurde, von dem sich die allermeisten (71 Prozent) innerhalb eines Jahres vor der Befragung ereigneten. "Dies ist ein Ergebnis, das besonders vor dem Hintergrund der Frage des digitalen Vertrauens der Konsumenten als sehr kritisch zu bewerten ist", sagt Timm Lotter von CA Technologies. Erschreckend auch, weil sich Datenschutzverletzungen in den meisten Fällen unmittelbar negativ auf die Unternehmensergebnisse auswirken, wie die Studie ergab. Datenskandale bei großen Unternehmen haben das Verhältnis zwischen Nutzern und Unternehmen nachhaltig erschüttert. Nur 38 Prozent der Konsumenten gaben an, dass sie mehr Vertrauen in die Online-Angebote haben als noch vor zwei Jahren. Demgegenüber stehen 84 Prozent der Manager, die überzeugt davon sind, dass die Verbraucher ihnen heute mehr vertrauen als damals. "Es ist offensichtlich, dass Unternehmen gefährlich wenig über ihre Kunden wissen", heißt es in der Studie.

Drei von vier Deutschen glauben, dass Daten sowieso weiterverkauft werden

In Deutschland ist die Skepsis der Verbraucher jedoch auch höher als anderswo. Mit 54 von 100 möglichen Punkten rangiert Deutschland zusammen mit Australien auf dem letzten Platz im Digital Trust Index, der das Maß an Vertrauen ausweist. China hingegen hat den höchsten Wert mit 67 Punkten. Drei von vier Deutschen glaube, dass Daten weiter verkauft werden.

Sicherheitsexperte Lotter sieht die Firmen am Zug. "Wenn es den Unternehmen gelingt, einfach darzustellen, was mit den Daten geschieht, dann wird eine höhere Akzeptanz entstehen." Auch ein größerer Wettbewerb im digitalen Markt wie Fintech-Angebote oder Online-Shopping könnten sich positiv auf das Verhältnis zum Kunden auswirken. Denn bei größerem Angebot fällt es den Kunden leichter, den Anbieter zu wechseln, wenn er seine Daten in Gefahr sieht. Das wiederum sollte Firmen dazu bewegen, noch mehr in die IT-Sicherheit zu investieren. Dies gelte vor allem für Firmen, die nicht mit Branchenriesen mithalten können. Je bekannter eine Marke oder ein Angebot ist, desto höher ist das Grundvertrauen der Kunden. Experte Lotter hält das ein Stück weit für naiv. "Alle Unternehmen stehen vor der gleichen Herausforderung. Ein großer Name bedeutet nicht, dass Daten dort zwangsläufig besser geschützt werden."

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Quelle:
SZ vom 28.09.2018
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