Online-Anzeigen:Drama um Scout 24

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Der Erfolg lockt Investoren an, eine Übernahme scheitert. Jetzt spaltet sich das Unternehmen doch auf. Wer ist der Gewinner?

Von Caspar Busse, München

An der Wand kleben lauter kleine Spielzeugautos. Die Bürowände sind aus Glas, es gibt eine schicke Kaffeebar. Um die Ecke kommt Tobias Hartmann, 47, kurze graue Haare, sportliche Figur, über der Schulter hat er einen kleinen schwarzen Rucksack. Der gebürtige Augsburger ist seit 15 Monaten Vorstandschef der Scout 24-Gruppe. Was er seit seinem ersten Arbeitstag am 19. November 2018 erlebt hat, ist ein echtes Drama. Immer wieder ist das Onlineportal ins Visier von Investoren geraten. Hartmann musste kämpfen, am Ende ohne Erfolg.

Scout 24 ist eine der wenigen populärem Internetfirmen aus Deutschland, verdient viel Geld mit Kleinanzeigen im Internet. An der Börse ist das Portal sieben Milliarden Euro wert. Wenn Hartmann an diesem Mittwoch die Zahlen für 2019 präsentiert, wird wieder von hohen operativen Gewinnmargen die Rede sein. Der Fall ist deshalb auch ein Beispiel, wie angelsächsische Investoren die Regeln der deutschen Wirtschaft ändern und lange Zeit erfolgreiche Geschäftsmodelle zerpflücken.

"Die beste Medizin ist, sich auf das Geschäft zu konzentrieren und gute Zahlen zu präsentieren", sagt Hartmann zu den Investoren. Doch geholfen hat auch das wenig. Das Unternehmen wird nun aufgespalten: Autoscout und das Portal Finanzcheck werden verkauft, ein gutes Drittel des Umsatzes geht damit verloren, zurück bleibt das größere Immobiliengeschäft. "Die Trennung von Autoscout ist kein Notverkauf. Wir waren ein guter Eigentümer", sagt Hartmann, es klingt fast wie eine Entschuldigung. Doch der Preis, den der Finanzinvestor Hellman & Friedman zahlt, sei einfach "sehr attraktiv". Fast drei Milliarden Euro sind es. Was Hartmann nun damit machen will, ist offen.

Interessenten stehen vor einem Haus in Dortmund Schlange: Fast alle informieren sich vorher online, etwa bei Immoscout. (Foto: imago)

Doch der Reihe nach: Das Unternehmen entstand 1998, auch mit dem Geld von Otto Beisheim, einer der Gründer des Handelskonzerns Metro. Es kommt bald eine wundersame Wertsteigerung in Gang. 2004 kauft die Deutsche Telekom die damals schon profitable Scout-Gruppe für knapp 200 Millionen Euro und steigt in das Geschäft mit Internetanzeigen ein. 2013 geben die Bonner die Mehrheit an den Investor Hellman & Friedman aus San Francisco ab, die Firma wird da schon mit gut zwei Milliarden Euro bewertet. Zwei Jahre später geht das Unternehmen an die Börse - mit einem Gesamtwert von 3,2 Milliarden Euro. 2016, nach weiteren Wertsteigerungen, steigt auch der US-Investor ganz aus - um bald wiederzukommen.

Anfang 2019 macht Hellman & Friedman zusammen mit dem Finanzinvestor Blackstone plötzlich ein Übernahmeangebot für Scout 24, und hebt es dann sogar nochmal an. 5,7 Milliarden Euro wollen die beiden zahlen. Es wäre die bis dahin größte Übernahme durch Finanzinvestoren in Deutschland. Der neue Firmenchef Hartmann unterstützt den Plan. Doch die Offerte platzt überraschend im Mai 2019, zu wenig Aktionäre wollen Anteile verkaufen.

"Nach der gescheiterten Übernahme durch die Finanzinvestoren waren wir bekannt wie ein bunter Hund. Wir standen unter Beobachtung", sagt Hartmann heute. Kein Wunder, dass nur wenige Wochen später sogenannte aktivistische Investoren wie Elliott aus New York einsteigen. Deren Geschäftsmodell: Unternehmen zerschlagen und damit verdienen. Immer öfter klappt das. In einem öffentlichen Brief fordert Elliott-Chef Paul Singer bald die Trennung vom Gebrauchtwagenportal Autoscout, es gebe bereits Interessenten, sowie ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm. Und die Investoren nehmen auch Vorstandschef Hartmann persönlich ins Visier. Er zeige zu wenig Ehrgeiz: "Dieser Mangel an Ambition ist gerade für ein börsennotiertes Unternehmen mit der Qualität und den Perspektiven von Scout 24 höchst besorgniserregend", heißt es. Es folgt eine turbulente Hauptversammlung mit vielen Diskussionen.

Hartmann wehrt sich und will sich nicht unter Druck setzen lassen. "Wir hatten weder einen Wert für Autoscout ins Spiel gebracht noch haben wir gesagt, dass wir die Sparte verkaufen müssen. Wir haben aber sehr wohl gesagt, dass wir alle Optionen prüfen werden", sagt er. Die Frage ist: Gibt es Synergien zwischen den beiden großen Bereichen Autoscout und Immoscout? Viele glauben das: Verwaltungs- und Entwicklungskosten könnten auf beide Bereiche aufgeteilt werden. Hartmann lässt das prüfen und kommt zu dem Ergebnis: keine Synergien. Er sagt: "Eine größere Fokussierung war die logische Folge. Man muss in solchen Momenten das Emotionale zurückstellen und nur die Fakten sehen."

Hartmann stellt im November einen Mehrjahresplan vor, doch dann kommt das Angebot für Autoscout, ausgerechnet von Hellman & Friedman, dem Investor, der 2016 ausgestiegen ist und der jetzt wieder auf ein gutes Geschäft hofft. Der Kaufpreis fällt mit 2,9 Milliarden Euro höher aus als erwartet. Kurz vor Weihnachten bleibt Hartmann nichts anderes mehr übrig, als der Veräußerung zuzustimmen und sich dem Drängen zu beugen. Der Börsenwert steigt derweil weiter - inzwischen auf sieben Milliarden Euro.

Und jetzt? "Klar ist, dass die Aktionäre von dem Verkaufserlös partizipieren werde", verspricht Hartmann, offen sei noch, in welchem Ausmaß. "Wir denken unter anderem über einen Aktienrückkauf und über eine Weitergabe an die Aktionäre nach", sagt er. Geplant seien auch die Rückführung von Schulden und Investitionen in das Geschäft. Doch die Scout-Gruppe als Ganzes ist nun Geschichte. Auch die Autos an der Wand in der Münchner Zentrale gehören bald dem Finanzinvestor.

© SZ vom 18.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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