OLG München:Der Deutsche-Bank-Prozess, ein absurdes Theater

Wahrscheinlich steht das Urteil längst fest - der Prozess geht trotzdem weiter. Immerhin ist es unterhaltsam.

Von Harald Freiberger

Seinen Höhepunkt erreicht der Prozess an diesem Dienstag im Oberlandesgericht München, als es um das Vermögen von Jürgen Fitschen geht, dem Noch-Chef der Deutschen Bank. Es gebe Ungereimtheiten, meint Staatsanwalt Stephan Necknig, die letzten Angaben blieben hinter früheren zurück. In dem Moment reicht es Hanns Feigen, Fitschens Verteidiger. "Dann müssen Sie halt mal Zeitung lesen", ruft er dem Staatsanwalt zu. Jeder wisse, dass der Kurs der Deutschen-Bank-Aktie stark gesunken sei, natürlich sei es deswegen auch mit Fitschens Depotwert nach unten gegangen. Richter Peter Noll vergewissert sich auf seinem Computer gleich über den tagesaktuellen Kurs: "14,25 Euro, der Pfeil zeigt nach unten", sagt er.

Seit fast einem Jahr läuft der Prozess gegen Fitschen und vier weitere Ex-Top-Manager der Deutschen Bank. Spätestens seit Dezember steht fest, wie er wohl enden wird, nämlich mit einem Freispruch für die Angeklagten. Das hat Richter Noll mehrmals angedeutet. Doch die Staatsanwaltschaft gibt nicht nach. Mit immer neuen Vorstößen und Beweisanträgen versucht sie ihr Ziel doch noch zu erreichen. Der Richter reagiert darauf zunehmend genervt. In der Sache kamen die Beteiligten auch am Dienstag nicht weiter. Doch wenigstens unterhaltsam war das absurde Theater, das sie aufführten.

Der Richter muss neuen Beweisantrag "ein bisschen verdauen"

Es geht um die Frage, ob Fitschen, sein Vorgänger Josef Ackermann, sein Vor-Vorgänger Rolf Breuer und zwei weitere Ex-Manager sich vor fünf Jahren abgesprochen und vor Gericht falsch ausgesagt haben, um Schadenersatzforderungen des Medienkonzerns Kirch abzuwehren. Anlass war ein Interview Breuers, in dem er die Pleite Kirchs andeutete. Mehr als zehn Jahre stritten die Parteien, am Ende gab es einen Vergleich: Die Deutsche Bank zahlte 900 Millionen Euro an die Kirch-Erben.

Nun geht es noch um die Frage des vorsätzlichen Prozessbetrugs. Vorher hieß es, dass Ankläger und Verteidiger an diesem Tag ihre Plädoyers halten könnten. Doch daraus wurde nichts: Der Staatsanwalt reichte einen neuen Beweisantrag ein. Einen über 130 Seiten. Das hätte nach früheren Erfahrungen im Prozess bedeutet, dass der Antrag mindestens fünf Stunden vorgelesen worden wäre. Eine schriftliche Fassung für die Beteiligten gab es nicht. Das lehnt der Staatsanwalt ab, weil es zuvor beim Vorlesen wüste Zwischenrufe der Verteidiger gegeben habe.

Richter Noll schlägt einen Kompromiss vor: Er wolle den Beweisantrag in der Mittagpause lesen und anschließend die zentralen Punkte vortragen. "Dann ergeht Mittagpause bis 14.30 Uhr", kündigte er um 12.15 Uhr an, schließlich müsse er das Ganze ja auch noch "ein bisschen verdauen".

Vogelgezwitscher im Saal und Wasser aus dem Spender

Nichts deutet darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft mit ihren Bemühungen auch nur einen kleinen Schritt weiter gekommen ist. Vorher hatte Noll schon mehrere ihrer Anträge abgebügelt. Sie hätten nur "marginalen Erkenntnisgewinn", sagte er, teilweise seien sie identisch mit bereits abgelehnten Anträgen, andere seien "für das Verfahren ohne Bedeutung".

Die Luft in Sitzungssaal 273 wird immer dünner. Ein Schöffe trägt ein türkisfarbenes Kurzhemd mit Aufdruck in großen Buchstaben. Auf der Anklagebank trinken die Verteidiger Wasser aus dem Spender. Breuer trommelt mit den Fingern der einen Hand auf den Rücken der anderen. Ackermann, nachösterlich gebräunt, verfolgt das Theater schweigend interessiert, Fitschen sagt ab und zu einen Satz zu seinem Anwalt. Ein anderer Verteidiger wirft der Staatsanwaltschaft "verbale Giftmischerei" vor. Als jemand das Fenster kippt, dringt Vogelgezwitscher in den Saal.

Es wird wohl alles noch ein bisschen dauern

Es folgt der Akt mit der "Inaugenscheinnahme". Dem Staatsanwalt ist es wichtig, dass das Gericht eine Reihe von einzelnen Akten und ganzen Aktenordnern in Augenschein nimmt. Dabei geht es offenbar nicht darum, dass der Richter die Papiere liest, sondern nur darum, dass er feststellt, dass es sie gibt. Eine Prozedur, der Noll mit Ironie begegnet. "Wir nehmen 146 Seiten in Augenschein, damit Ihrem Beweisziel Genüge getan ist", sagt er. Sein Beisitzer fischt die gewünschten Aktienordner mit einem Kugelschreiber im Mund aus dem Regal hinter ihnen. Noll zum Staatsanwalt: "Sie kennen doch den studentischen Dreikampf: kopieren, lochen, abheften." Der Staatsanwalt: "Wer viel kopiert, hat nichts kapiert." Gemurmel bei den Verteidigern.

Und dann geht es noch um den Vergleich, den Breuer erst vor wenigen Tagen mit der Deutschen Bank geschlossen hat: Er zahlt 3,2 Millionen Euro, seine Manager-Haftpflichtversicherung weitere 90 Millionen Euro. Der Staatsanwalt sagt, dies habe "erhebliche Bedeutung" für den Prozess. Breuer lässt eine Erklärung verlesen. Tenor: Ein Vergleich beende nur einen Rechtsstreit, er sei kein Schuldeingeständnis. Auch Richter Noll sieht darin keine neuen Erkenntnisse. "Wie kann man daraus einen Vorsatz konstruieren?", fragt er. "Es kann auch fahrlässig sein." Es sieht gut aus für die Angeklagten. Es dauert nur noch ein bisschen.

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