Süddeutsche Zeitung

Ofenhersteller Kago:Das "Dienstkonto" des Chauffeurs

Wer kassiert? Im Fall des insolventen Ofenherstellers Kago interessieren sich die Ermittler für Millionenzahlungen in die Schweiz.

Uwe Ritzer, Nürnberg

Sie gingen miteinander auf die Jagd und sind Duzfreunde. Bis heute. Darauf legt Johannes Bacher (Name geändert) großen Wert. Obwohl ihm im August 2007 nach drei Jahren als Chauffeur und Leibwächter von Kachelofenunternehmer Karl-Heinz Kago, 68, gekündigt wurde. "Madame war wohl der Meinung, dass ich nicht mehr benötigt werde", vermutet Bacher. "Madame" ist Luecie Kago, die Ehefrau des "deutschen Kachelofen-Königs" (Bunte) aus PostbauerHeng bei Nürnberg. Beide residieren in einem Schloss im Loire-Stil, das sie sich für viele Millionen Euro bauen ließen. Auch der Fuhrpark ist stattlich, und sonntags fährt das schillernde Unternehmerpaar schon mal in der Kutsche aus.

"Madame" Kago sei es auch gewesen, die auf die Idee mit dem Konto gekommen sei, sagt Bacher. Im Januar 2006 habe sie es mit ihm auf Bachers Namen bei der UBS-Bank im Schweizer Örtchen Will eröffnet, wobei auch Luecie Kago eine Vollmacht erhielt. Angeblich war es ein Dienstkonto, "weil ich mit Herrn Kago und Madame sehr oft dienstlich in der Schweiz war und öfter mit meiner Privatkarte dienstliche Dinge bezahlt habe", sagt Bacher. Viereinhalb Jahre später interessieren sich Ermittler und der Insolvenzverwalter für das Konto und die Geldströme, die darüber abgewickelt wurden. Es könnte eine wichtige Spur sein auf der Suche nach den Gründen für die Pleite der Firma Kago.

Millionenschwere Verluste

Im Februar 2010 meldete der bekannteste deutsche Kachelofen- und Kaminhersteller Insolvenz an. Das Unternehmen schrieb Millionenverluste. Von einst angeblich 1000 Mitarbeitern ist noch ein Viertel übrig. Insolvenzverwalter Volker Böhm kämpft derzeit um einen Neuanfang und verhandelt mit potentiellen Käufern des Unternehmens. Von anfänglich 20 Kaufinteressenten sind drei übrig, zwei Finanzinvestoren und eine Firma aus der Heizbranche. Böhm sagt er sei "optimistisch, denn die Gespräche laufen gut".

Firmeninhaber Karl-Heinz Kago gibt auf Nachfrage äußeren Einflüssen die Schuld an der Pleite. In der ganzen Branche seien 2007 die Umsätze zurückgegangen. Ein neues EDV-System und von den Hausbanken verlangte Unternehmensberater hätten hohe Kosten, aber wenig Erfolg gebracht. In Unternehmenskreisen wird allerdings vor allem ein Grund für das Desaster genannt: Der Firma Kago soll über Jahre hinweg viel Geld entzogen worden sein. "Die Firma wurde regelrecht ausgesaugt", sagt einer. In Firmenkreisen gilt es als wahrscheinlich, dass Böhm demnächst Millionenansprüche gegenüber der Eigentümerfamilie geltend machen wird. "Wir prüfen sämtliche möglichen Ansprüche", sagt er.

Vor allem könnte es um Provisionszahlungen an die in Oberwangen im Schweizer Kanton Thurgau angesiedelte Uni-Vertriebs (UV) AG gehen. Diese sollen auffallend hoch gewesen sein, heißt es in Unternehmenskreisen. Die UV lebte hervorragend vom Vertrieb der KagoÖfen. Eine Gewinn- und Verlustrechnung der Uni-Vertriebs AG weist für Januar bis September 2009 Einnahmen aus Provisionszahlungen von Kago von mehr als acht Millionen Euro aus. Fünf Millionen davon wurden an jene UV-Vertreter ausgezahlt, die in Kago-Studios die Öfen an die Kundschaft verkauften. Gut ein Drittel der Provisionen soll Insidern zufolge bei der Uni-Vertriebs AG als Rohgewinnmarge hängengeblieben sein. Während Karl-Heinz Kago von "branchenüblichen und in keinster Weise überhöhten" Provisionen an die UV spricht, haben Insider daran erhebliche Zweifel.

Die spannendste Frage aber ist, wer eigentlich am Ende kassierte. Die genauen Eigentumsverhältnisse der Uni-Vertriebs AG liegen im Dunkeln. Schon länger steht der Verdacht im Raum, dass hinter der Schweizer Firma die Familie Kago selbst stecken könnte. Das könnte bedeuten, dass diese über ein gut getarntes System indirekt Provisionen an sich selbst gezahlt hat. Karl-Heinz Kago bestreitet dies vehement: "Die Führung und Organisation (der UV., d. Red.) wurde unabhängig von der Fa. Kago durchgeführt", teilte er auf Anfrage mit.

Das beantwortet aber nicht die Frage nach den Eigentumsverhältnissen. Immer wieder kursiert in diesem Zusammenhang der Name von Luecie Kago. Auf Anfrage sagte Uni-Vertriebs-Geschäftsführer Olaf Block: "Frau Luecie Kago spielt keine Rolle bei der Uni-Vertriebs AG." Sie sei für diese nur "auf Basis einer Tagespauschale tätig" gewesen. Ex-Leibwächter Johannes Bacher mutmaßt hingegen etwas ganz anderes: "Die Uni wird von Madame geführt."

Ominöses Konto in der Schweiz

Zumindest gibt es erstaunliche Verknüpfungen. Bis 2006 war die Uni-Vertriebs AG am Kago-Sitz Postbauer-Heng vor Ort. Das IT-System der UV wurde zeitweise von den Kago-Spezialisten gepflegt. Der jetzige UV-Geschäftsführer Block, ein gelernter Landmaschinenmechaniker, war ehedem Kago-Angestellter und gilt als Vertrauter von Luecie Kago. Und dann ist da noch dieses ominöse Schweizer Konto von Bacher. Nach Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, hatte ab Juli 2006 neben Luecie Kago auch Block eine Vollmacht für das angebliche "Dienstkonto".

In den Jahren 2006 und 2007 gingen dort monatlich fünfstellige Beträge ein. In der Regel wurden wenige Tage später ähnlich hohe Summen in bar von dem Konto abgehoben. Von wem ist unklar. "Nicht von mir", sagt Kontoinhaber Bacher. "Ich habe auch keine Provisionszahlungen der UV erhalten." Er habe überhaupt von dem Konto "niemals Gebrauch gemacht". Wer dann? Luecie Kago ließ Fragen dazu unbeantwortet. Block ließ einen Sprecher erklären, er könne zwar nicht ausschließen, dass UV-Provisionen auf das Konto geflossen seien, doch habe er persönlich mit diesem nichts zu tun. Und seine Vollmacht? Er wisse nichts von einer Vollmacht, ließ er ausrichten. Kontoinhaber Bacher sagt, er habe dem UV-Geschäftsführer "niemals eine Vollmacht" ausgestellt. Es müsse sich um eine Fälschung handeln. Von wem? Das ominöse Konto interessiert mittlerweile auch die Strafverfolgungsbehörden.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg bestätigte, dass man in Besitz von Kontoauszügen und anderen Unterlagen gelangt sei, die man "an eine zuständige Stelle weitergeleitet" habe. Womöglich gingen sie an Steuerfahnder oder die Schweizer Justiz. Auch Insolvenzverwalter Böhm geht den Zahlungsströmen von Postbauer-Heng in die Schweiz nach.

Womöglich droht Karl-Heinz Kago also neues juristisches Ungemach. Gegen den Unternehmer laufen bereits Ermittlungen, weil er im großen Stil Schwarzarbeiter beschäftigt haben soll. Nach SZ-Informationen könnten die bisherigen Ermittlungsergebnisse für eine Anklage reichen.

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Quelle:
SZ vom 22.06.10/mel
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