Süddeutsche Zeitung

Österreichs Ex-Finanzminister Grasser:Gefledderte Akte aus Liechtenstein

Lesezeit: 2 min

Karl-Heinz Grasser hat Ärger mit der Justiz: Es geht um Papiere, die aus einer Hausdurchsuchung im Zuge von Korruptionsermittlungen rund um den früheren österreichischen Finanzminister stammen. Doch was geschah mit den brisanten Unterlagen, die erst entwendet, dann aber später an das Gericht zurückgegeben wurden?

Uwe Ritzer

Heimelig ging es zu beim Seniorennachmittag der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP) im Januar 2009. Es war gerade Wahlkampf in Liechtenstein, und im Bürgersaal der kleinen Gemeinde Gamprin warben die Kandidaten der FBP mit Musik und Gesang um die Stimmen der alten Leute. Am Klavier saß der Kandidat Josef L. (Name geändert), ein Rechtsanwalt aus Vaduz, der kurz darauf tatsächlich als stellvertretender Abgeordneter ins Parlament gewählt wird. Ausgerechnet er hat nun womöglich einen Justizskandal ausgelöst, der die internationale Glaubwürdigkeit Liechtensteins erneut schwer erschüttern dürfte.

Anwalt L. soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung brisante Ermitt-lungsakten entwendet und erst nach Wochen an das Gericht zurückgegeben haben. Die Papiere stammten aus einer Hausdurchsuchung im Zuge von Korruptionsermittlungen rund um den früheren österreichischen Finanzminister Karl-Heinz Grasser, 42, und dessen Geschäftspartner. Der Ex-Politiker hat auch beim Verkauf der Bank Hypo Alpe Adria an die BayernLB auf nebulöse Weise mitverdient. Bekanntlich endete der Deal mit einem Milliardenverlust für die BayernLB.

Einst ein Glamour-Paar

Grasser und seine Frau Fiona, Erbin des Kristallkonzerns Swarovski, galten lange Zeit als Glamour-Paar der österreichischen Politik. Seit geraumer Zeit jedoch interessiert sich die Wiener Justiz für die Geschäfte des einstigen Ministers. Es geht um den Verkauf von 60 000 Wohnungen der Wohnungsbaugenossenschaft Buwog während Grassers Amtszeit an Privat-Investoren. Dabei soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Die Fahnder hegen den Verdacht der Untreue, illegaler Preisabsprachen und verdeckter Provisionszahlungen. Grasser soll zumindest seine Amtspflichten verletzt haben.

Viele Spuren führen nach Liechtenstein. Dort sitzt die Firma von Grassers Geschäftspartner und Wirtschaftstreuhänder Heinrich S.. Laut ORF spielt er "eine Schlüsselrolle bei den Finanztransaktionen von Ex-Minister Grasser in Liechtenstein und der Schweiz." Über die Zürcher Ferint AG stehen beide in Verbindung. Über ein Ferint-Konto wickelte Grasser jene 500 000 Euro ab, die er bei der Hypo Alpe Adria investierte- kurz vor dem Verkauf an die BayernLB. Angeblich nur als Treuhänder für seine Schwiegermutter. Für wen auch immer - der Deal brachte 280 000 Euro Gewinn.

Im Frühjahr 2011 durchsuchten Beamte in Liechtenstein auf einen Rechtshilfeantrag Österreichs hin Büros von Heinrich S. Die Razzia sei höchst ergiebig gewesen, heißt es, man habe viel interessantes Material gefunden. Dieses wurde im Vaduzer Gericht aufbewahrt. S. kämpft gegen die Herausgabe an Österreich.

Ein Anwalt habe an jenem 19. Oktober im Gericht "aus dem Rechtshilfeakt Unterlagen ohne Wissen und Zustimmung des zuständigen Richters" entnommen, bestätigt Robert Wallner, Chef der Liechtensteiner Staatsanwaltschaft. Erst sechs Wochen später brachte der Anwalt die Dokumente zurück. Waren sie da noch vollständig und unverfälscht?

Daran gibt es zumindest Zweifel. Die Staatsanwaltschaft hat Wallner zufolge Vorerhebungen gegen den Anwalt "wegen des Verdachtes des Vergehens der Urkundenunterdrückung" eingeleitet. Dabei werde überprüft, "ob die Dokumente vollständig und unverfälscht waren." Bei dem Anwalt handelt es sich nach Angaben aus Justizkreisen um Josef L., den musikalischen Politiker. Er ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Der Fall ist politisch brisant für Liechtenstein. Aufsehen dürfte der mutmaßliche Aktenklau in Österreich auslösen, wo der Buwog-Skandal die Gemüter schon lange erregt. Für Ärger in Wien sorgt auch, dass zuständige Stellen erst durch Anfragen von SZ, ORF und dem Magazin News von dem Vorgang erfuhren. Zusätzlichen Zündstoff erhält er durch die Beteiligten in Liechtenstein.

Die FBP des Anwalts und Abgeordneten Josef L. ist Teil der Regierung. Sie stellt die Außen- und Justizministerin. L. arbeitet in einer einflussreichen Kanzlei in Vaduz. Ihr Gründer war eine FBP-Größe. Eine Zeitung nannte die Kanzlei "das heimliche Justizministerium" Liechtensteins. Aus ihren Reihen sollen Stiftungsräte von Grasser-Stiftungen kommen.

Für die Regierung in Vaduz kommt der Fall zur Unzeit. Seit dem Steuerskandal um den einstigen Post-Manager Zumwinkel 2008 kämpft man gegen den Ruf des Halbseidenen und schließt Abkommen mit vielen Ländern. Liechtenstein will als seriöser Rechtsstaat gelten, der nach internationalen Spielregeln verlässlich Rechtshilfe gewährt. Da stört der Zwischenfall Grasser erheblich.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2011
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