Russland wird seine Gaslieferungen nach Österreich von Samstag an stoppen. Das teilte der russische Gazprom-Konzern dem österreichischen Energieunternehmen OMV mit, wie der Erdgasinformationsplattform CEGH zu entnehmen war. Die Lieferungen würden am Samstagmorgen um sechs Uhr komplett eingestellt.
Dieser Schritt hatte sich in den vergangenen Tagen bereits abgezeichnet. Denn OMV hat von einem Schiedsgericht im Streit mit dem russischen Gaskonzern Gazprom einen Schadenersatz von 230 Millionen Euro zugesprochen bekommen. Bis zum Erreichen dieses Betrags sieht die OMV daher das aus Russland gelieferte Gas als bezahlt an. Als Reaktion darauf sei ein völliger Stopp der Lieferungen seitens Moskau denkbar, gab die OMV bereits am Mittwochabend zu bedenken, als sie das Ergebnis des Schiedsverfahrens öffentlich mitteilte. Man sei für ein solches Szenario aber gut gerüstet.
Kanzler Nehammer: „Wir lassen uns nicht erpressen“
„Niemand muss in Österreich frieren. Die Wohnungen können geheizt werden“, versprach der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer in einer ersten Reaktion. Der Lieferstopp sollte zu keinen Preiserhöhungen führen, es seien ausreichend Reserven in den Gasspeichern vorhanden. Gazprom habe immer wieder Lieferungen ausgesetzt, um Druck auf Österreich wegen seiner Unterstützung von EU-Sanktionen gegen Russland auszuüben. Daran werde er aber festhalten, sagte Nehammer: „Wir lassen uns nicht erpressen und nicht in die Knie zwingen.“
Die Herausforderung für Österreich ist aber groß: Im Gegensatz zu Deutschland und anderen EU-Staaten hat das Land in diesem Jahr noch durchschnittlich 80 Prozent seines Gasbedarfs aus russischen Quellen gedeckt. Inzwischen habe man aber andere potenzielle Lieferwege gefunden, sagte der Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control, Alfons Haber, am Freitag.
Die OMV bereitet sich seit drei Jahren auf dieses Szenario vor. Das alternative Gas soll aus Norwegen, aus eigener Produktion oder in Form von Flüssigerdgas per Schiff über Deutschland oder Italien kommen. Und die Gasspeicher würden mit 95 Terawattstunden den heimischen Bedarf für mehrere Monate decken.
Auch ohne die aktuelle Entwicklung wäre die seit 1968 bestehende Kooperation zwischen Österreich und Russland wohl vor dem Aus gestanden. Ende des Jahres endet der Transitvertrag zur Lieferung von russischem Erdgas über die Pipeline durch die Ukraine und die Slowakei. Und er wird voraussichtlich nicht verlängert werden.
Vom Stopp der Importe aus Russland ist ganz Österreich betroffen: Der teilstaatliche österreichische Energie- und Chemiekonzern OMV ist der einzige Vertragspartner von Gazprom und nimmt sämtliche Lieferungen am Knotenpunkt Baumgarten an der Grenze zur Slowakei ab. Nach Abzug des Bedarfs der OMV und ihrer industriellen Kunden, der etwa 30 Prozent des Gasvolumens ausmacht, verkauft die OMV den Rest an andere Geschäftspartner, die wiederum den privaten Sektor bedienen.
Im Januar 2023 hatte die OMV das Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet, nachdem Gazprom an Deutschland erst unregelmäßig Gas geliefert und die Lieferungen im September 2022 schließlich ganz eingestellt hatte. Damit begründete die OMV ihren Anspruch auf Schadenersatz gegenüber dem russischen Staatskonzern.