Ölreserven erneut korrigiert:Skandal um Shell weitet sich aus

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Der Vorstand der Shell-Gruppe wusste bereits seit zwei Jahren, dass der Konzern die so genannten gesicherten Öl-Reserven zu hoch ausweist.

lsb.

Und zumindest ein wichtiges Dokument sollte vernichtet werden. Dies geht aus dem Prüfungsbericht einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei hervor, der sich mit dem Gebaren des drittgrößten börsennotierten Öl-Konzerns der Welt beschäftigt.

Zwischen den Zeilen machen die Prüfer Unehrlichkeit, Karrieresucht und mangelnde Zivilcourage von Mitgliedern des Vorstandes für die Manipulationen verantwortlich. Shell selbst hatte den Bericht in Auftrag gegeben und an diesem Montag dessen 28-seitige Zusammenfassung veröffentlicht.

Gleichzeitig hat Shell zum dritten Mal innerhalb von vier Monaten die gesicherten Öl- und Gas-Reserven nach unten korrigiert. Allerdings ist die Korrektur diesmal kleiner als im Januar; damals setzte Shell die Reserven um 3,9 Milliarden Barrel Öl-Äquivalente herab.

Finanzchefin verliert ihren Job

Zusammengenommen belaufen sich die Korrekturen auf 4,35 Milliarden Barrel per Jahresende 2002 und auf 4,85 Milliarden Barrel einschließlich 2003.

Damit weist Shell jetzt seine Reserven per Ende 2003 noch mit 14,5 Milliarden Barrel aus - 25 Prozent niedriger als früher angenommen.

Außerdem hat der in Den Haag und London beheimatete Konzern am Montag seine Finanzchefin Judith Boynton ihres Postens enthoben. Sie ist das dritte Vorstandsmitglied innerhalb von sechs Wochen, das seinen Stuhl räumen musste. Vorstandschef Jeroen van der Veer, der seit März im Amt ist und zuvor die Nummer zwei des Konzerns war, will dagegen bis zur Altersgrenze bleiben, wie er vor Journalisten und Analysten sagte.

Aus dem Bericht der Anwälte geht freilich hervor, dass van der Veer spätestens seit 2002 um die Probleme wissen musste. Als starker Mann präsentierte sich den Journalisten gleichzeitig Malcolm Brinded, der jetzt die wichtigste Sparte, Exploration und Förderung, leitet. Er gehört dem Vorstand erst seit Juli 2002 an.

Nach Darstellung der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei Davis Polk& Wardwell hat der frühere Explorationsvorstand van de Vijver seine Kollegen bereits am 11.Februar 2002 darüber informiert, dass Öl-Reserven im Umfang von 2,3 Milliarden Barrel "nicht länger voll vereinbar sind" mit den Buchungsvorschriften der amerikanischen Wertpapier-Aufsichtsbehörde.

Im September schrieb van de Vijver dann seinen Vorstandskollegen, "der Markt kann nur an der Nase herumgeführt werden", wenn bestimmte Bedingungen gegeben seien. Dies aber sei nicht der Fall. Die Rechtsanwälte lassen keinen Zweifel, dass ihrer Erkenntnisse nach Shell die Öl-Vorräte absichtlich überhöht ausgewiesen hat.

© SZ vom 20.04.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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