Energiekrise:Langsamer fahren fürs Gemeinwohl

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Deutschland hat einen Teil seiner Rohölreserven freigegeben. Das ist ein Aufruf zum Sparen - und jeder kann dazu einen Beitrag leisten, allen voran die Autofahrer. Ein Appell an die Vernunft.

Kommentar von Silvia Liebrich

Rohstoffe sind Drohstoffe. Das gilt ganz besonders für Öl und Gas. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine zeigt sich dies deutlich. Die Lage spitzt sich zu, die Ölnotierungen gehen durch die Decke. Wer in diesen Tagen eine Tankstelle ansteuert, spürt das unmittelbar: Spritpreise jenseits der Zwei-Euro-Marke sind vielerorts keine Seltenheit mehr.

Es bleibt die Sorge, was da noch alles kommen mag, wenn der Krieg kein rasches Ende findet und die Sanktionen greifen. Um die kritische Lage an den Börsen zu entschärfen, haben Deutschland und andere Länder diese Woche einen Teil ihrer nationalen Ölreserven freigegeben. Allein das wird aber nicht reichen.

Die Öl- und Gasversorgung ist fragiler denn je

Der Konflikt ist eine Zäsur, auch in energiepolitischer Hinsicht. Nichts wird je wieder wie vorher sein. Die Versorgung mit Öl und Gas ist fragiler denn je. Das gilt ganz besonders für Deutschland, das nicht nur einen Großteil seiner Gasversorgung in russische Hand gelegt hat. Wenig bekannt ist, dass Russland auch mit Abstand das meiste Öl liefert. Der Ausfall dieser Importe lässt sich nicht einfach so ersetzen, dazu bedarf es großer Anstrengungen. Die Folgen sind absehbar, Gas und Öl werden auf lange Sicht deutlich teurer. Darauf kann es nur eine Antwort geben: den beschleunigten Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung, wie ihn die Bundesregierung nun bis 2030 plant.

Kurzfristig braucht es jedoch andere Lösungen. Wenn der Staat Notreserven freigibt, darf das nicht heißen, dass Verbraucher einfach weitermachen wie bisher. Die Freigabe der Ölreserven muss als Aufruf zum Sparen verstanden werden. Deutschland braucht neben dem Aufbau einer klimaneutralen Energieversorgung auch eine Strategie, wie fossile Brennstoffe möglichst effizient, sprich sparsam, eingesetzt werden können, bis sie ganz verzichtbar sind. Ein völlig falsches Signal wäre es, Mineralölsteuer und andere Abgaben zu senken, um Benzin, Diesel und andere Ölerzeugnisse billiger zu machen.

Es ist Zeit für ein Tempolimit

Das meiste Öl wird mit großem Abstand im Straßenverkehr verbraucht, hier liegt das größte Sparpotenzial. Wer jetzt noch gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf deutschen Straßen wettert, hat die Zeichen nicht verstanden. Mit 180 Kilometern pro Stunde über die Autobahn brettern passt nicht mehr in die Zeit. Wer nicht schneller als 120 fährt, braucht deutlich weniger Treibstoff und kann damit im besten Fall steigende Preise auffangen. E-Autofahrer sind davon nicht ausgenommen, schließlich wird ein erheblicher Teil des Stroms nach wie vor mit Kohle und Gas erzeugt.

Drohen tatsächlich Engpässe in der Versorgung, was derzeit (noch) nicht der Fall ist, muss auch über Fahrverbote oder ähnlich drastische Maßnahmen nachgedacht werden. Wie vor 40 Jahren in der Ölkrise, als die arabischen Förderländer weniger lieferten und so Druck auf den Westen ausüben wollten. Der sollte seine israelfreundliche Haltung im Nahost-Konflikt aufgeben und weigerte sich. Die vier autofreien Sonntage von 1973 zeigten Wirkung, der Ölverbrauch ließ sich vorübergehend stark drosseln.

Kurzfristiges Sparpotenzial schlummert auch in privaten Haushalten. Noch immer laufen viele Heizungen Winter wie Sommer durch. Wer im eigenen Heim wohnt, kann das besser steuern als Mieter. Doch auch sie können durch das Regeln von Heizkörpern Energie sparen. Wer die Wohnräume auf 19 Grad statt auf 22 Grad heizt, verbraucht weniger. Vieles davon ist bekannt und wird bereits umgesetzt, doch das Potenzial ist längst nicht ausgereizt.

Jeder Einzelne kann sofort und freiwillig seinen Beitrag zum Energiesparen leisten - und damit ein Zeichen der Vernunft und Solidarität setzen. Dazu braucht es nicht gleich Gesetze und Verbote, allein der gute Wille kann schon viel bewirken.

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