Ölpreis:Staaten zapfen eiserne Reserven an

Im Kampf gegen hohe Ölpreise wollen die Industriestaaten überraschend ihre strategischen Reserven nutzen. Die Notierungen brachen nach dieser Ankündigung drastisch ein.

Unter Führung der Internationalen Energieagentur (IEA) sollen insgesamt 60 Millionen Barrel (je 159 Liter) auf den Markt kommen. Die Hälfte davon steuern die USA bei. Die Notierungen brachen nach Bekanntwerden um sieben Prozent ein.

Benzinpreise: Ölreserven im Gespräch

In Sottorf bei Hamburg wird in einem Salzstock Öl als Bundesreserve unterirdisch gelagert - der Vorrat wird nun angezapft.

(Foto: dpa/dpaweb)

Die Reserven seien derzeit auf einem historischen Höchststand von 727 Millionen Barrel, sagte US-Energieminister Steven Chu. Das Öl gelange nach und nach in den kommenden 30 Tagen auf den Markt. "Wir werden die Situation weiter beobachten und stehen für zusätzlich nötige Schritte bereit", sagte Chu.

Es ist erst das dritte Mal in der Geschichte der IEA, dass die Mitgliedsländer ihre Ölvorräte geschlossen antasten. Auch Deutschland gibt erstmals seit sechs Jahren einen Teil seiner Ölreserven frei. Insgesamt gehe es um 4,2 Millionen Barrel, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Ein Fass Brent-Öl verbilligte sich am Donnerstag auf 105 Dollar und notierte so niedrig wie seit Anfang Februar nicht mehr. Vor einer Woche hatte der Preis noch dreizehn Dollar höher gelegen. Amerikanisches WTI-Öl kostete zeitweise weniger als 90 Dollar.

"Wirklich überrascht"

Das Ziel der Aktion sei es, so IEA-Chef Nobuo Tanaka, dass die Weltwirtschaft weich lande. Vor allem den Amerikanern dürfte daran gelegen sein. Die US-Notenbank hatte erst am Mittwoch die Konjunkturerwartungen für die USA leicht gesenkt und die Leitzinsen unverändert bei faktisch Null belassen. Das Wachstum der Wirtschaft werde schwächer als erwartet ausfallen und der Rückgang der Arbeitslosigkeit verlaufe "frustrierend langsam", hieß es. An den Märkten ging die Sorge um, dass die größte Volkswirtschaft der Welt weniger Öl verbraucht, was zusätzlich die Preise drückte.

Die Ankündigung der IEA traf den Markt unvorbereitet. Weder Analysten noch Händler hatten einen solchen Schritt erwartet. "Ich bin wirklich überrascht", sagte Broker Robert Montefusco von Sucden Financial. "Jeder hat doch immer beteuert, dass die Vorräte reichen." Der Schritt werde jetzt aber wohl helfen, den Preis für WTI unter 100 Dollar zu halten. Für das noch deutlich teurere Brent-Öl sei es ein positives Signal. "Es ist verwunderlich, dass jetzt zusätzlich Öl auf den Markt geworfen wird", sagte der Rohstoffexperte des Weltwirtschaftsinstititutes HWWI in Hamburg, Leon Leschus, der Nachrichtenagentur Reuters. "Denn in den USA und China mehren sich die Hinweise für eine Konjunkturabkühlung, die auch die Ölnachfrage drücken dürfte."

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