Süddeutsche Zeitung

Ölpreis:Opec-Streit trifft die deutschen Energiekunden

Autofahrer und Heizölkunden fiebern mit: Der Förder-Klub Opec streitet, ob Öl teurer werden soll. Doch auch ohne einen im Kartell beschlossenen Preisanstieg werden Sprit, Heizöl und Gas bald mehr kosten.

Von Victor Gojdka und Andreas Jalsovec, München/Frankfurt

Vielleicht sagt das Treiben an der Helferstorferstraße 17 schon alles, was man über den Ölpreis wissen muss. Dort, wo am Wiener Sitz normalerweise die Tagungen des Ölkartells Opec stattfinden, herrscht dieser Tage pandemische Leere. Der Wiener Weihnachtsmarkt ist abgesagt, die Ölminister haben ihren Kampf um die Preise flugs ins Internet verlagert. Nur die Fenster am Opec-Gebäude deuten noch darauf hin, dass es im Ölkartell selten friedlich zugeht: Sie sind so eng wie Schießscharten.

Eigentlich wollte der einflussreiche Ölklub in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiern, doch ausgerechnet zum Jahrestag werden die Risse im Kartell sichtbarer denn je: Die Mitglieder sind sich nicht nur geopolitisch spinnefeind, sondern tragen den Kampf um den wichtigsten Rohstoff der Welt nun offen aus. Einen Kampf, dessen Folgen Verbraucher an Deutschlands Zapfsäulen, beim Heizölkauf und auf ihrer Gasabrechnung spüren.

Wenn sich die einflussreichen Ölminister zu Beginn dieser Woche virtuell zusammenschalten, dann geht es im Kern um eine einzige Frage: Werden die Länder des Ölkartells ihre Förderhähne wieder um knapp zwei Millionen Fass Öl am Tag aufdrehen und damit schnell Geld in ihre Staatskassen spülen? Oder sollte man angesichts der Corona-Krise noch drei Monate länger knauserig bleiben - und so die Preise lieber mittelfristig "stabilisieren". Eine scheinbar harmlose Frage, die das Kartell am Ende jedoch sprengen könnte.

Denn die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben am Ölmarkt Spuren hinterlassen: Als zwischen April und Juni Flugzeuge stillstanden und Schiffe in den Häfen vor Anker lagen, kollabierte die Ölnachfrage um 20 Prozent. Auch aktuell liegt der Verbrauch noch mehr als fünf Prozent unter Vorkrisenniveau - und viele Regierungen im Westen fahren die Wirtschaft nun wieder herunter.

Weil die Einnahmen der saudischen Staatskasse zu 90 Prozent am Öl hängen, fordert das Königshaus wie wohl kein anderes Land, die Förderkürzungen beizubehalten und den Preis zu treiben. Andere Länder jedoch sticheln gegen den übermächtigen Ölstaat, der im Kartell oft ungefragt den Ton vorgibt. So haben Länder wie Kasachstan und der Irak in der Vergangenheit immer wieder gefordert, die Ölhähne lieber schnell wieder etwas aufzudrehen. Das Kartell stehe "vor einer Zerreißprobe", sagt Ölexperte Dawud Ansari vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Im Irak ist die Lage zum Beispiel schon so angespannt, dass Bagdad Staatsbedienstete und Lehrer Meldungen zufolge nicht mehr pünktlich bezahlen kann - und zudem den Furor des Volkes fürchtet. Der Wunsch der Öl-Verhandler in solchen Staaten lautet oft: Nicht mittelfristig die Preise treiben, sondern schnell mehr Öl pumpen, damit akut Geld in die Kassen fließt. Andere Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate hatten sich im Frühjahr härtere Förderkürzungen als andere Länder abringen lassen und wollen das nun offenbar schnellstmöglich rückgängig machen.

Ölexperten glauben trotzdem, dass sich die zerstrittenen Länder am Ende zumindest auf einen Formelkompromiss einigen. Am Montagabend verschoben die Ölminister ihre Verhandlungen zunächst auf Dienstag, dann sollen auch verbündete Staaten um Russland dazustoßen. Unter dem Strich rechnen Ölanalysten in einer Umfrage des Datendienstleisters Reuters im kommenden Jahr mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 49,35 Dollar - leicht höher als der aktuelle Stand.

"Im Moment ist daher ein guter Zeitpunkt, um den Tank vollzumachen."

Die Entwicklung am Ölmarkt wirkt sich dabei auch auf die Verbraucher aus. So haben sich der jüngste Ölpreisanstieg und die Hoffnung auf eine Konjunkturbelebung bereits beim Heizölpreis bemerkbar gemacht. Von seinem Jahrestief bei fast 39 Euro Anfang November ist der Preis für 100 Liter auf 46 Euro gestiegen. "Die Entwicklung am Ölmarkt schlägt unmittelbar auf den Heizölpreis durch", sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Verglichen mit dem Jahresanfang ist Heizöl aber noch immer sehr günstig. "Im Moment ist daher ein guter Zeitpunkt, um den Tank vollzumachen", sagt Sieverding. Denn selbst wenn es in den kommenden Monaten keinen großen Anstieg beim Erdölpreis geben sollte, müssen Verbraucher 2021 mit steigenden Energiepreisen rechnen. Grund ist die von der Bundesregierung jüngst beschlossene Einführung einer CO₂-Abgabe. Sie soll fossile Brennstoffe verteuern und so zum Klimaschutz beitragen. Heizöl, Gas und Sprit kosten deshalb ab Januar mehr.

Bei Benzin macht das sieben Cent je Liter aus, bei Diesel sind es acht Cent. Den Liter Heizöl verteuert die Abgabe ebenfalls um acht Cent. "Hinzu kommt das Auslaufen des niedrigeren Mehrwertsteuersatzes ab 2021", sagt Kai Eckert vom Energie-Informationsdienst (EID), der täglich die Preisentwicklung an den Energiemärkten beobachtet. Auch er rät dazu, jetzt noch Heizöl einzukaufen. Denn Lieferengpässe seien zum Jahresende nicht ausgeschlossen: "Die Händler berichten von einer hohen Nachfrage", sagt Eckert.

Die CO₂-Abgabe wird überdies auch Gas verteuern. So haben nach Angaben der Vergleichsportale Verivox und Check 24 etwa 270 Gasversorger für 2021 Preiserhöhungen angekündigt - im Schnitt um gut 6,5 Prozent. Bei einem Verbrauch von 20 000 Kilowattstunden sind das fast 100 Euro Mehrkosten im Jahr. Als Grund nennen die Firmen die CO₂-Bepreisung.

"Dass die Abgabe eins zu eins auf die Verbraucher abgewälzt wird, ist mehr als ärgerlich", sagt Energieexperte Udo Sieverding. Nach Angaben der Verbraucherschützer seien die Großhandelspreise für Gas seit Anfang 2019 deutlich gesunken. Diese Preissenkung hätten die Versorger bereits vergangenes Jahr nicht an die Verbraucher weitergegeben. Und auch diesmal passiere das nicht, sagt Sieverding: "Dabei wäre genug Spielraum da, um trotz der CO₂-Abgabe die Preise zumindest konstant zu halten."

Tatsächlich liegt der Börsenpreis für Erdgas derzeit um gut die Hälfte unter der Notierung von vor zwei Jahren. Er war zuletzt aber deutlich angestiegen. Grund sei eine hohe Nachfrage aus Asien, meint Kai Eckert vom EID: "Das verteuert die Gasbeschaffung." Gas sei dabei längst nicht mehr so stark von der Entwicklung der Ölpreise abhängig wie früher. Jahrzehntelang war der Gaspreis eng an den Ölpreis gekoppelt. Die Entdeckung neuer Gasvorkommen habe das geändert, sagt Eckert: "Der Gaspreis schwankt daher auch mehr als früher." Die Verbraucher allerdings spüren davon wenig. Trotz sinkender Beschaffungspreise ist ihre Gasrechnung seit 2018 konstant hoch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5133179
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/koe
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.